Der Bergbau in Nordgriechenland ist schwer umkämpft.
Im Norden Griechenlands lagern wertvolle Bodenschätze / Die Anwohnerschaft ist gespalten
Die kanadische Firma Eldorado Gold und das griechische Unternehmen Hellas Gold wollen an die Reichtümer Chalkidikis. Aktivisten kämpfen dagegen – doch die Zahl der Minen-Befürworter wächst.
»Rettet Skouries – Nein zum schmutzigen Gold« steht auf einer der Fahnen, die in Megali Panagia gehisst wurden. Das Dorf liegt ganz in der Nähe der Mine Skouries und ist seit vielen Jahren regelmäßig Schauplatz von Protestcamps, die ein örtliches Komitee organisiert. Das letzte Camp fand im August 2017 statt. Der Grund: Regierung und Konzerne planen den Ausbau der Bergbautätigkeit im großen Stil – mit, wie die Gegner der Vorhaben befürchten, schwerwiegenden Folgen für die Umwelt.
Mitten im gut 317 Quadratkilometer großen Bergbaukomplex der zu Chalkidiki gehörenden Halbinsel Cassandra befinden sich drei Abbauorte: die Gold- und Kupfermine Skouries, die ältere Silber-, Blei- und Zinkmine Stratoni und Olimpiada, eine Gold-, Blei- und Zinkmine mit einem angeschlossenen Weiterverarbeitungswerk. In den Bergen von Chalkidiki werden allein 230 Tonnen reines Gold, zudem 1500 Tonnen Silber und weitere Edelmetalle vermutet. Zum jetzigen Zeitpunkt wird der Wert der Erze in der Region auf 15,5 Milliarden Euro geschätzt. Die Schürfrechte in dem Konzessionsgebiet besitzt die kanadische Firma Eldorado Gold.
Das betroffene Gebiet ist aber auch eine Naturressource, es umfasst Wälder und ein Ökosystem, das Millionen von Kubikmetern Wasser speichert und reinigt. Außerdem befinden sich dort mehrere archäologische Fundstätten und sechzehn Küsten- und Bergdörfer, deren wirtschaftliches Überleben von dem Wasser aus den Wäldern abhängt.
In den letzten Jahren hat sich die Debatte um die Minenprojekte in den Dörfern mit Bergbautradition stark polarisiert. Die Auseinandersetzung zwischen denen, die sich vom Bergbau Arbeitsplätze erhoffen beziehungsweise die entstandenen Arbeitsplätze in den Minen schützen wollen, und denen, die negative Auswirkungen für die Umwelt fürchten, ist immer schärfer geworden. Inzwischen herrscht die Stimmung eines kalten Bürgerkriegs. Der Riss geht durch die Familien, und viele Ladeninhaber und Geschäftsleute wollen sich aus Angst, Kunden zu verlieren, nicht offen zu einer der Seiten bekennen. Die Spannung entlädt sich auch in gewalttätigen Konfrontationen. Wütende Bergarbeiter haben in den letzten Jahren immer wieder Aktivisten angegriffen und einmal sogar ein Protestcamp zerstört.
Zu den Kritikern der Abbauprojekte in Chalkidiki gehörte auch die Linkspartei SYRIZA, nach der Regierungsübernahme Anfang 2015 wurde der weitere Ausbau der Goldminen nahe Skouries zunächst gestoppt. Die Regierung kündigte damals an, man werde das gesamte Projekt überdenken. Dann änderte sie ihre Politik bezüglich Chalkidiki und erteilte doch einige Baugenehmigungen. Bis heute gibt es aber ein Tauziehen um die Goldförderung in der betroffenen Region. Nach Ende des letzten Protestcamps leitete die Regierung im September 2017 ein Schiedsverfahren über die Rechtmäßigkeit der Betriebsgenehmigung von Eldorado Gold ein, weil Zweifel an der Erfüllung von vertraglichen Pflichten durch die Firma bestanden. Diese erklärte dazu: »Die Information über die Eröffnung des Schiedsverfahrens behauptet, dass die im Dezember 2014 vorgelegte technische Studie für das metallurgische Werk von Madem Lakkos zur Verarbeitung der Erze von Olimpiada und Skouries im Stratoni-Tal mangelhaft ist und damit den Übergangsvertrag und die Umweltschutzbestimmungen des Projekts verletzt.« Dennoch sei man sich, so Eldorado Gold, sicher, dass der vorgestellte Plan alle technischen Voraussetzungen erfülle und behalte sich alle Rechte und juristischen Mittel vor, um die Aktionäre vor Verlusten zu schützen. Die Aktienwerte sind mittlerweile von 21,48 Dollar im Jahr 2011 auf derzeit 2,20 Dollar gefallen.
Eldorado Gold übte nach Eröffnung des Schiedsverfahrens enormen Druck auf die griechischen Behörden aus und drohte ganz unverhohlen, bei fehlender Kooperation geplante Investitionen in Höhe von fast zwei Milliarden Dollar nicht zu tätigen. Anfang November erklärte die Firma öffentlichkeitswirksam, sie werde sich aus Griechenland zurückziehen, da das griechische Umweltministerium es versäumt habe, wichtige Genehmigungen für den Betrieb auszustellen. Dies blieb nicht ohne Erfolg: Das zuständige Ministerium erteilte der Firma schließlich einige ausstehende Genehmigungen. Am 19. Dezember veröffentlichte Eldorado Gold schließlich eine Pressemitteilung, in der sie bekanntgibt, dass das eingeleitete Schiedsverfahren bis zum April 2018 verlängert worden sei. Wie es weitergeht, ist also nach wie vor offen.
In der Region haben die bisherigen Arbeiten indes bereits Spuren hinterlassen. Dass der Bergbau mit einer Zerstörung der Natur einhergeht, ist auch Kilometer von der Skouries-Mine entfernt schon sichtbar. Seit November 2016 gibt es dort Arbeiten, die offiziell nur der Erkundung dienen dürfen. Vor allem die Arbeiten am Rückhaltebecken aber sind weit fortgeschritten. Die Schluchten der Flüsse Karatzas und Losaniko sollen den Auffangort für die Minenrückstände bilden. Die Bäume dort sind bereits gefällt, es entsteht eine 160 Meter tiefe Grube. Die Minenbetreiber wollen die Erzrückstände hier bis zu einer Höhe von 220 Me- tern aufschütten. Darüber sollen dann auf einer 60 Zentimeter dicken Erdschicht wieder Bäume wachsen. Um das Einsickern giftiger Substanzen in Boden und Grundwasser zu verhindern, will Eldorado Gold den Grund des Beckens mit einer Folie auskleiden. Kritiker schätzen jedoch, dass die Folie maximal 50 Jahre lang dicht bleiben wird.
Bei Aufnahme des regulären Betriebs soll der Tagebau täglich mit sechs Tonnen Sprengstoff vorangetrieben werden. Geplant ist, dass er in zwei Jahren einen Durchmesser von zwei Kilometern bei einer Tiefe von 220 Metern haben soll. Täglich will die Minengesellschaft 24 000 Tonnen Gestein abbauen – jede Tonne enthält 0,8 Gramm Gold. Drei Quadratkilometer Wald sind bereits abgeholzt. Jährlich muss die Mine dann 15 Millionen Kubikmeter Wasser abpumpen, das entspräche dem gesamten Bedarf der Region. Die wasserführenden Schichten im Boden würden so zerstört, und das verbleibende Wasser würde mit Schwermetallen und Chemikalien kontaminiert. Nötig wäre die intensive Regulierung des Grundwassers, damit die Mine nicht vollläuft.
Trotz dieser Pläne und der bekannten, damit verbundenen Risiken, hat sich die Anzahl der Aktivisten in Skouries in den vergangenen Jahren verkleinert. Die Krise in Griechenland hat in ihrem neunten Jahr viele der linken Bewegungen geschwächt und gespalten. Polizeiliche und gerichtliche Repression bringen Menschen dazu, sich aus Angst vor Konsequenzen auf ihre persönlichen Angelegenheiten zu konzentrieren. Das Protestkomitee hat deshalb in diesem Jahr bei seinem jährlichen Sommertreffen beschlossen, die handfesten Protestformen der letzten Jahre nicht fortzuführen. Die 50 Menschen, die zehn Tage in dem Camp übernachteten, setzten stattdessen auf Aufklärung und Dialog mit der Bevölkerung sowie Demonstrationen – und erzielten bereits in den ersten Tagen einen unerwarteten Erfolg: Eldorado Gold stoppte vorübergehend die Erkundungsarbeiten in der Gegend, wohl, damit die Aktivisten diese Vorgänge nicht aus der Nähe dokumentieren können. Ein kleiner Geländegewinn für die Gegner des Bergbaus.
Die Befürworter argumentieren vor allem mit Arbeitsplätzen. Das tut auch Eldorado Gold. Das Unternehmen sieht sich im Dienste des Wohles aller und möchte eigenen Angaben zufolge den Wohlstand der griechischen Gesellschaft mehren. Über diese »Wohltaten« berichtet MiningWatch Canada folgendes: »Steuervermeidung durch Eldorado Gold hat in den letzten zwei Jahren in Griechenland zu Steuerverlusten in Höhe von mindestens 2,3 Millionen kanadischer Dollar geführt.« Eldorado Gold finanziere, so MiningWatch, seine Aktivitäten in Griechenland mit internen Darlehen und transferiere die Zinszahlungen der Tochterfirma Hellas Gold über niederländische Briefkastenfirmen an eine Unterfirma nach Barbados – wo keine Steuern anfallen.
In der griechischen Region Chalkidiki tobt ein Kampf um die Goldvorräte. Aktivisten fürchten irreparable Umweltschäden, einige Anwohner erhoffen sich hingegen Jobs. Zwischen der SYRIZARegierung und der Firma Eldorado Gold gibt es ein wildes Tauziehen um die Förderpläne. In den letzten Jahren hat sich die Debatte um die Minenprojekte in den Dörfern mit Bergbautradition stark polarisiert. Die Auseinandersetzung zwischen denen, die sich vom Bergbau Arbeitsplätze erhoffen, und denen, die seine negativen Auswirkungen fürchten, ist immer schärfer geworden.