Vorwärts auf der Seidenstraße
China tritt verstärkt als globale Ordnungsmacht auf – so in Syrien und Afghanistan
Berlin. In ungewohnter Eintracht: Die Fähnchen in den Farben der VR China und Syriens. Das kann als Zeichen gelten. Denn während Peking und Damaskus gemeinsam nach vorn blicken, wird andernorts noch immer ergebnislos über das künftige Schicksal des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, die Teilnahme an der von Russland organisierten Syrien-Konferenz im neuen Jahr in Sotschi oder den angemessenen Umgang mit den Kriegsflüchtlingen gestritten.
Mit Ankündigungen für umfangreiche Wiederaufbauprojekte im kriegszerstörten Syrien, einer Art »Marshallplan«, unter- streicht China seinen Willen, eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der Zukunft Syriens zu spielen. Selbstlos ist die aufstrebende Supermacht nicht. Sie sieht Syrien in einer Schlüsselrolle für die Seidenstraßen-Initiative, der von China angestrebten Verbindung zwischen dem Nahen Osten und Europa.
Ganz im Sinne der Seidenstraße und nicht zuletzt weil China und Afghanistan eine gemeinsame Grenze haben, liegt auch eine Stabilisierung der Lage am Hindukusch im Interesse Pekings. In den strategischen China-Pakistan-Wirtschaftskorridor soll schließlich auch Afghanistan einbezogen werden. Zum Jahresende ist es chinesischen Diplomaten gelungen, Afghanistan in einen Dialog über Frieden mit Pakistan und die Bekämpfung von Terrorismus einzubinden. Das neue Jahr soll in Kabul auch mit Vertretern der Taliban gesprochen werden.
China ist mit diesen Vermittlungen nun bereits erfolgreicher, als andere große Mächte es in ihren Bemühungen um Ruhe in der Region je waren. Und während sich die USA unter Präsident Donald Trump mehr »nach innen« orientieren, füllen andere die so entstehenden Räume aus: vor allen anderen die VR China.
Milliardenschäden und eine schwer beeinträchtigte Wirtschaft sind das Erbe des Krieges in Syrien. Bauriesen und andere Besucher aus China sondieren bereits ihre künftigen Möglichkeiten.
China scheint entschlossen, bei der Gestaltung der Zukunft Syriens eine Führungsrolle zu übernehmen. Das Engagement harmonisiert perfekt mit den Planungen einer modernen Seidenstraße von Ost nach West. Sie soll die Volksrepublik China, den Nahen Osten und Europa miteinander verbinden und könnte dabei auch gleich die geostrategische Bedeutung der labilen Region stärken.
Während Europa noch immer vornehmlich Flüchtlinge aus Syrien aufnimmt, aber weder Mittel noch Interesse hat, beim Wiederaufbau des Landes eine tragende Rolle zu übernehmen, bringen sich die »Siegermächte« in Stellung, um Anteile von Syrien zu beanspruchen.
Dabei hat China als zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt auf einer Syrien-Handelsmesse in Peking bereits zwei Milliarden Dollar für Wiederaufbauprojekte zugesagt. Es ist eine Art chinesischer Marshallplan: die »Seidenstraßen-Initiative« Pekings, mit der China seinen wirtschaftlichen Einflussbereich über frühere Sowjetrepubliken und den Nahen Osten bis nach Europa zu stärken versucht. Eine neue eurasische Landbrücke soll den Westen Chinas direkt mit Europa verbinden in diesem ehrgeizigen 900-Milliarden-Dollar-Projekt, das voraussichtlich im Jahr 2049 abgeschlossen sein wird.
Auch Syrien, das nach fast sieben Jahren Krieg wieder auf die Beine zu kommen versucht, ist also Teil des Seidenstraßen-Wirtschaftsgürtels. Allen voran sind chinesische Unternehmen bereit, beim Wiederaufbau des kriegszerstörten Landes zu helfen. In diesem Jahr haben mehr als 30 Firmen Syrien besucht, das in den strategischen Erwägungen Chinas eine wichtige Rollen übernehmen soll. Peking versucht, sein neues Seidenstraßennetz auch über den Nahen Osten auszudehnen.
Peking pflegt bereits enge Beziehungen mit Syriens Präsident Baschar al-Assad und sieht jetzt eine große Chance am Horizont auftauchen, da Syrien mit dem allmählichen Zusammenbruch des Islamischen Staates auf einen Frieden zusteuert. Die bei den Friedensgesprä- chen im kasachischen Astana beschlossenen Sicherheitszonen haben es der Regierung Assads ermöglicht, die Kontrolle über weite Teile des Landes wiederzuerlangen, ein- schließlich der Gebiete mit strategisch wichtigen Öl- und Gasfeldern.
Unter den chinesischen Besuchern dieses Jahr in Syrien waren auch die Bauriesen China Energy En- gineering Corporation und China Construction Fifth Engineering Division. Hauptthema der Gespräche waren Berichten zufolge große Infrastrukturprojekte.
Chinas staatliche Nachrichtenagentur Xinhua bestätigte im Oktober, dass die Regierung von Präsident Xi Jinping bereit sei, sich am Wiederaufbau des kriegszerstörten Landes zu beteiligen. Das zuständige chinesische Ministerium genehmigte bereits eine Reihe von ersten Hilfsprojekten.
Neben Russland und dem Iran hat auch China während des Krieges Damaskus substanzielle Unterstützung gewährt. Die Kosten für den Wiederaufbau werden schwindelerregend hoch sein. Nach fast sieben Jahren Krieg liegen weite Teile des Landes und die Wirtschaft in Trümmern. Das staatliche chinesische Webportal china.org.cn schätzt die kriegsverursachten Zerstörungen und Verluste auf rund 226 Milliarden Dollar. Noch im Jahr 2010, kurz vor Kriegsbeginn, wies Syrien laut der Weltbank eine viermal höhere Wirtschaftsleistung auf.
Mit seinen strategischen Investitionen in Syrien dürfte China auch Zugang zu den syrischen Mittelmeerhäfen Latakia und Tartus erhalten, was – im größeren Zusammenhang betrachtet – ganz neue Perspektiven für Chinas angestrebten neuen Handelskorridor zwischen Ost und West eröffnet.
Die VR China sieht für ihre Seidenstraße in Syrien eine wichtige Station. So möchte sie dort den Wiederaufbau nach dem Krieg unterstützen und in der Zukunft eine Rolle spielen. Am Hindukusch will Peking aus ähnlichen Gründen etwas für den Frieden tun.