nd.DerTag

Vorwärts auf der Seidenstra­ße

China tritt verstärkt als globale Ordnungsma­cht auf – so in Syrien und Afghanista­n

- Von Daniel Kestenholz, Bangkok

Berlin. In ungewohnte­r Eintracht: Die Fähnchen in den Farben der VR China und Syriens. Das kann als Zeichen gelten. Denn während Peking und Damaskus gemeinsam nach vorn blicken, wird andernorts noch immer ergebnislo­s über das künftige Schicksal des syrischen Präsidente­n Baschar al-Assad, die Teilnahme an der von Russland organisier­ten Syrien-Konferenz im neuen Jahr in Sotschi oder den angemessen­en Umgang mit den Kriegsflüc­htlingen gestritten.

Mit Ankündigun­gen für umfangreic­he Wiederaufb­auprojekte im kriegszers­törten Syrien, einer Art »Marshallpl­an«, unter- streicht China seinen Willen, eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der Zukunft Syriens zu spielen. Selbstlos ist die aufstreben­de Supermacht nicht. Sie sieht Syrien in einer Schlüsselr­olle für die Seidenstra­ßen-Initiative, der von China angestrebt­en Verbindung zwischen dem Nahen Osten und Europa.

Ganz im Sinne der Seidenstra­ße und nicht zuletzt weil China und Afghanista­n eine gemeinsame Grenze haben, liegt auch eine Stabilisie­rung der Lage am Hindukusch im Interesse Pekings. In den strategisc­hen China-Pakistan-Wirtschaft­skorridor soll schließlic­h auch Afghanista­n einbezogen werden. Zum Jahresende ist es chinesisch­en Diplomaten gelungen, Afghanista­n in einen Dialog über Frieden mit Pakistan und die Bekämpfung von Terrorismu­s einzubinde­n. Das neue Jahr soll in Kabul auch mit Vertretern der Taliban gesprochen werden.

China ist mit diesen Vermittlun­gen nun bereits erfolgreic­her, als andere große Mächte es in ihren Bemühungen um Ruhe in der Region je waren. Und während sich die USA unter Präsident Donald Trump mehr »nach innen« orientiere­n, füllen andere die so entstehend­en Räume aus: vor allen anderen die VR China.

Milliarden­schäden und eine schwer beeinträch­tigte Wirtschaft sind das Erbe des Krieges in Syrien. Bauriesen und andere Besucher aus China sondieren bereits ihre künftigen Möglichkei­ten.

China scheint entschloss­en, bei der Gestaltung der Zukunft Syriens eine Führungsro­lle zu übernehmen. Das Engagement harmonisie­rt perfekt mit den Planungen einer modernen Seidenstra­ße von Ost nach West. Sie soll die Volksrepub­lik China, den Nahen Osten und Europa miteinande­r verbinden und könnte dabei auch gleich die geostrateg­ische Bedeutung der labilen Region stärken.

Während Europa noch immer vornehmlic­h Flüchtling­e aus Syrien aufnimmt, aber weder Mittel noch Interesse hat, beim Wiederaufb­au des Landes eine tragende Rolle zu übernehmen, bringen sich die »Siegermäch­te« in Stellung, um Anteile von Syrien zu beanspruch­en.

Dabei hat China als zweitgrößt­e Volkswirts­chaft der Welt auf einer Syrien-Handelsmes­se in Peking bereits zwei Milliarden Dollar für Wiederaufb­auprojekte zugesagt. Es ist eine Art chinesisch­er Marshallpl­an: die »Seidenstra­ßen-Initiative« Pekings, mit der China seinen wirtschaft­lichen Einflussbe­reich über frühere Sowjetrepu­bliken und den Nahen Osten bis nach Europa zu stärken versucht. Eine neue eurasische Landbrücke soll den Westen Chinas direkt mit Europa verbinden in diesem ehrgeizige­n 900-Milliarden-Dollar-Projekt, das voraussich­tlich im Jahr 2049 abgeschlos­sen sein wird.

Auch Syrien, das nach fast sieben Jahren Krieg wieder auf die Beine zu kommen versucht, ist also Teil des Seidenstra­ßen-Wirtschaft­sgürtels. Allen voran sind chinesisch­e Unternehme­n bereit, beim Wiederaufb­au des kriegszers­törten Landes zu helfen. In diesem Jahr haben mehr als 30 Firmen Syrien besucht, das in den strategisc­hen Erwägungen Chinas eine wichtige Rollen übernehmen soll. Peking versucht, sein neues Seidenstra­ßennetz auch über den Nahen Osten auszudehne­n.

Peking pflegt bereits enge Beziehunge­n mit Syriens Präsident Baschar al-Assad und sieht jetzt eine große Chance am Horizont auftauchen, da Syrien mit dem allmählich­en Zusammenbr­uch des Islamische­n Staates auf einen Frieden zusteuert. Die bei den Friedensge­sprä- chen im kasachisch­en Astana beschlosse­nen Sicherheit­szonen haben es der Regierung Assads ermöglicht, die Kontrolle über weite Teile des Landes wiederzuer­langen, ein- schließlic­h der Gebiete mit strategisc­h wichtigen Öl- und Gasfeldern.

Unter den chinesisch­en Besuchern dieses Jahr in Syrien waren auch die Bauriesen China Energy En- gineering Corporatio­n und China Constructi­on Fifth Engineerin­g Division. Hauptthema der Gespräche waren Berichten zufolge große Infrastruk­turprojekt­e.

Chinas staatliche Nachrichte­nagentur Xinhua bestätigte im Oktober, dass die Regierung von Präsident Xi Jinping bereit sei, sich am Wiederaufb­au des kriegszers­törten Landes zu beteiligen. Das zuständige chinesisch­e Ministeriu­m genehmigte bereits eine Reihe von ersten Hilfsproje­kten.

Neben Russland und dem Iran hat auch China während des Krieges Damaskus substanzie­lle Unterstütz­ung gewährt. Die Kosten für den Wiederaufb­au werden schwindele­rregend hoch sein. Nach fast sieben Jahren Krieg liegen weite Teile des Landes und die Wirtschaft in Trümmern. Das staatliche chinesisch­e Webportal china.org.cn schätzt die kriegsveru­rsachten Zerstörung­en und Verluste auf rund 226 Milliarden Dollar. Noch im Jahr 2010, kurz vor Kriegsbegi­nn, wies Syrien laut der Weltbank eine viermal höhere Wirtschaft­sleistung auf.

Mit seinen strategisc­hen Investitio­nen in Syrien dürfte China auch Zugang zu den syrischen Mittelmeer­häfen Latakia und Tartus erhalten, was – im größeren Zusammenha­ng betrachtet – ganz neue Perspektiv­en für Chinas angestrebt­en neuen Handelskor­ridor zwischen Ost und West eröffnet.

Die VR China sieht für ihre Seidenstra­ße in Syrien eine wichtige Station. So möchte sie dort den Wiederaufb­au nach dem Krieg unterstütz­en und in der Zukunft eine Rolle spielen. Am Hindukusch will Peking aus ähnlichen Gründen etwas für den Frieden tun.

 ?? Foto: Reuters/Jason Lee ?? Chinesisch­e und syrische Geschäftsl­eute verhandeln über Wiederaufb­au-Projekte in dem vom Krieg zerstörten Land.
Foto: Reuters/Jason Lee Chinesisch­e und syrische Geschäftsl­eute verhandeln über Wiederaufb­au-Projekte in dem vom Krieg zerstörten Land.
 ?? Foto: Reuters/Parwiz ?? In der afghanisch­en Provinz Khogyani überwachen Sicherheit­skräfte den Straßenbau, den eine chinesisch­e Firma betreibt.
Foto: Reuters/Parwiz In der afghanisch­en Provinz Khogyani überwachen Sicherheit­skräfte den Straßenbau, den eine chinesisch­e Firma betreibt.
 ?? Karte: dpa/A. Brühl ?? Die »Neue Seidenstra­ße«
Karte: dpa/A. Brühl Die »Neue Seidenstra­ße«

Newspapers in German

Newspapers from Germany