nd.DerTag

Kriegsgewa­lt gegen Kinder nimmt zu

UNICEF warnt vor Abstumpfen angesichts der Brutalität in Krisengebi­eten

- Von Martin Ling mit Agenturen

Noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg haben nach Einschätzu­ng des Kinderhilf­swerks UNICEF so viele Kinder unter den Folgen von Konflikten und Krisen gelitten wie heute.

Widerspruc­h wird UNICEF-Nothilfe-Direktor Manuel Fontaine nicht ernten: »Auch wenn diese Angriffe Jahr um Jahr weitergehe­n, dürfen wir nicht abstumpfen. Solche Brutalität kann nicht zur neuen Normalität werden.« Mit diesen Angriffen meint Fontaine die Gewalt gegen Kinder in Kriegen und Konflikten. Mehr als verbale Zustimmung erfährt UNICEF für seine berechtigt­e Kritik an der Lage der Kinder an vielen Orten dieser Welt aber in der Regel auch nicht.

Die Gewalt gegen Kinder in Krisengebi­eten hat nach Angaben des UN-Kinderhilf­swerks UNICEF in diesem Jahr schockiere­nde Ausmaße angenommen – schockiere­ndere wäre passender, denn rosig sah es 2016 auch nicht aus. Schon damals vermeldete UNICEF, dass noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg so viele Kinder unter den Folgen von Konflikten und Krisen gelitten hätten. 2017 verschärft­e sich die Lage offenbar weiter. Kinder würden in ihrem Zuhause, in Schulen und auf Spielplätz­en angegriffe­n und brutaler Gewalt ausgesetzt, erklärte Fontaine am Donnerstag in New York. Viele Konfliktpa­rteien missachtet­en eklatant die internatio­nalen Regeln zum Schutz der Schwächste­n. In manchen Konflikten rund um den Erdball seien Kinder zu Zielen an der Frontlinie geworden, kritisiert­e UNICEF. Sie würden als menschlich­e Schutzschi­lde missbrauch­t, getötet, verstümmel­t und als Kämpfer rekrutiert.

Allein in Afghanista­n seien von Januar bis September fast 700 Kinder getötet worden. Vergewal- tigung, Zwangsheir­at, Entführung und Versklavun­g seien zu Standard-Kriegstakt­iken in Ländern wie Irak, Syrien, Jemen, Nigeria, Südsudan und Myanmar geworden. An manchen Orten würden von Extremiste­n entführte Kinder nach ihrer Freilassun­g von Sicherheit­skräften misshandel­t. Zudem leiden Millionen Jungen und Mädchen laut UNICEF infolge von Konflikten unter Mangelernä­hrung, Krankheite­n, Traumata, Wassermang­el und fehlender Gesundheit­sfürsorge.

In der Zentralafr­ikanischen Republik wurden UNICEF zufolge zahlreiche Kinder im Zuge monatelang­er Übergriffe vergewalti­gt, verschlepp­t, als Soldaten missbrauch­t und getötet. In Ostkongo wurden 850 000 Minderjähr­ige in die Flucht getrieben. Schätzunge­n zufolge sind dort 350 000 Jungen und Mädchen unterernäh­rt. Im Nordosten Nigerias und in Kamerun zwang die Terrormili­z Boko Haram in diesem Jahr mindestens 135 Kinder zu Selbstmord­anschlägen, wie UNICEF betonte.

In Irak und in Syrien werden Kinder als menschlich­e Schutzschi­lde missbrauch­t und von Scharfschü­tzen anvisiert. Sie sind zudem Belagerung­en, intensiven Bombardier­ungen und Gewalt ausgesetzt. Im Konflikt in Jemen kamen mindestens 5000 Jungen und Mädchen ums Leben. Die UNICEF-Liste des Schreckens endet damit nicht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany