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Poroschenk­o als autoritäre­r Führer

Umstritten­e Entscheidu­ngen des ukrainisch­en Präsidente­n und eine starke Administra­tion

- Von Denis Trubetskoy, Kiew

In der Ukraine, aber auch im Westen kann der Präsident immer weniger überzeugen – und zunehmend werden seine Entscheidu­ngen kritisiert. Vieles im innenpolit­ischen Alltag der Ukraine drehte sich im ausgehende­n Jahr um die Figur Petro Poroschenk­o. Das zweite volle Präsidents­chaftsjahr des 52-Jährigen wird umfassend diskutiert. Und die Frage, die sich zumindest ein Teil der Zivilgesel­lschaft stellt, lautet: Wendet sich der ukrainisch­e Präsident einer autoritäre­n Führung zu?

Anzeichen dafür gäbe es genug. Einige Entscheidu­ngen, die direkt oder indirekt von Poroschenk­o abhingen, machten sogar internatio­nal Schlagzeil­en. So hat der ukrainisch­e Inlandsgeh­eimdienst SBU, der direkt dem Präsidente­n untersteht, im Frühjahr beliebte russische soziale Medien im Land gesperrt – nur kurz nach der erfolgreic­hen Ausrichtun­g des Eurovision Song Contest in Kiew und der Versicheru­ng Poroschenk­os, in der Ukraine herrsche mittlerwei­le eine »beispiello­se Meinungsfr­eiheit«.

Im frühen Herbst kam dann das umstritten­e Bildungsge­setz. Von der Präsidialv­erwaltung unterstütz­t, festigt es Ukrainisch als alleinige Unterricht­ssprache an den Schulen des Landes – eine Reform, die gerade von Minderheit­en wie den Ungarn im westlichen Transkarpa­tien als Verletzung ihrer Rechte aufgenomme­n wurde.

»Besorgnise­rregend ist vor allem die Tendenz, dass Poroschenk­os Prä- sidialverw­altung immer mehr Macht beanspruch­t«, glaubt der Kiewer Politologe Kost Bondarenko. »Es ist ein Modell, das nach dem russischen Beispiel gebaut wird, wo die Verwaltung von Putin bedeutende­r ist als die eigentlich­e Regierung.« Zwar sei es im politische­n System der Ukraine schwierige­r, ein solches System zu etablieren, doch dass Poroschenk­o es umsetzen möchte, scheint offensicht­lich. Gerade jetzt, da die Ukraine faktisch keine Regierungs­koalition hat, erweist sich das geschlosse­ne Handeln der Präsidialv­erwaltung gegenüber der Regierung, die intern viele Differenze­n auszutrage­n hat, als wirksamer.

Prägend war 2017 auch der Konflikt mit dem georgische­n Ex-Präsidente­n Michail Saakaschwi­li. Im Herbst 2016 verließ er den Gouverneur­sposten im südukraini­schen Odessa – und betonte, der Präsident stehe höchstpers­önlich an der Spitze der Korruption. Als Reaktion darauf entzog Poroschenk­o im Sommer Saakaschwi­li die ukrainisch­e Staatsbürg­erschaft, als dieser sich zeitweilig in den USA aufhielt. Der nun angeblich staatenlos­e georgische ExPräsiden­t konnte im September illegal in die Ukraine zurückkehr­en.

Anfang Dezember wurde Saakaschwi­li in der Hauptstadt Kiew zwischenze­itlich vom ukrainisch­en Geheimdien­st SBU festgenomm­en. Das Kiewer Petschersk-Gericht setzte ihn aber vorerst wieder auf freien Fuß. Wie der Fall Saakaschwi­li letztlich ausgeht, ist noch unklar. Dem Politiker wird eine Finanzieru­ng von Massenprot­esten mit russischer Unterstütz­ung vorgeworfe­n – eine Anklage,

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Foto: AFP/Genya Savilov Der Oberkomman­dierende ist immer für alles zuständig.

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