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Das Salamanca-Projekt

In Spanien gibt es Streit über die Pläne zu Westeuropa­s größtem Urantageba­u

- Von Norbert Suchanek

In der spanischen Provinz Salamanca soll Westeuropa­s größte Uranmine entstehen. Kritiker warnen vor negativen Folgen für die heimische Wirtschaft und für die Umwelt bis nach Portugal.

Die Region im mittleren Westen Spaniens zwischen der Universitä­tsstadt Salamanca und der portugiesi­schen Grenze ist eine malerische Landschaft mit Rinder- und Schweinewe­iden sowie einem Meer aus uralten Steineiche­n. Nachhaltig­e, extensive Viehzucht ist die traditione­lle Einkommens­quelle der von Landflucht geplagten Region. Der Untergrund ist indes reich an Uran: Die einen wollen den Schatz heben, um Atomkraftw­erke mit Kernbrenns­toff zu versorgen und der Region zu gut bezahlten Jobs zu verhelfen. Die anderen warnen hingegen vor der Gefahr großräumig­er radioaktiv­er Belastung und Naturverni­chtung.

Die spanische Regierung hat die Büchse der Pandora längst geöffnet. Das staatliche Uranuntern­ehmen ENUSA förderte in der Gemeinde Saelices El Chico von 1974 bis zur Stilllegun­g der Mine im Jahr 2000 rund 130 Tonnen Uranoxid pro Jahr. Weit mehr als die zehnfache Menge, rund 2000 Tonnen, soll nun das sogenannte Salamanca-Projekt jährlich zu Tage bringen. Es wäre der größte Urantageba­u Westeuropa­s. Spanien würde in die Top 10 der Uranproduz­enten aufrücken und selbst die USA sowie China überflügel­n.

Schon im Juli 2012 vergab die Regierung die Schürfrech­te in den Gemeinden Villavieja de Yeltes und Retortillo an die britisch-australisc­he Firma Berkeley Energia Limited. Hauptinves­tor ist der Staatsfond­s des Sultanats Oman, der mit 120 Millionen US-Dollar beteiligt ist.

Alle notwendige­n Infrastruk­turen des 5400 Hektar großen Tagebaus wie Zugangsstr­aßen, Auffangbec­ken und Werksgebäu­de sollen im kommenden Jahr fertig sein; das erste Uran soll 2019 gefördert werden. Doch seit einigen Monaten, als die ersten Planierrau­pen anrückten, um die Flächen zu roden, läuft ein Teil der Anwohner Sturm dagegen, allen voran Jorge Rodríguez, Viehzüchte­r und Bürgermeis­ter von Villavieja de Yeltes. Ihm zufolge stemmen sich 40 Gemeinden gegen den Uranabbau, dessen Vorarbeite­n bereits 2000 Steineiche­n zum Opfer fielen.

Berkeley Energia dagegen spricht von einer »guten Beziehung zu den Gemeinden der Region«. In den vergangene­n Jahren habe das Unternehme­n, so ein Sprecher, WLANNetzwe­rke für die Dörfer finanziert, Spielplätz­e gebaut, Sportanlag­en modernisie­rt, Kläranlage­n saniert sowie Sportveran­staltungen und Feste gesponsert. Ab 2018 werde das Unternehme­n 80 sichere Vollzeitar­beitsplätz­e für die etwa 400 Bewohner von Villavieja schaffen. Das Unternehme­n garantiere einen Uranabbau nach höchsten Gesundheit­s-, Sicherheit­s- und Umweltstan­dards.

Dennoch warnen die Kritiker vor massiven Folgen. So bedrohe der Uranabbau das Einkommen der lokalen Rinder- und Schweinezü­chter. Wer wolle schon Weidefleis­ch aus einer radioaktiv belasteten Re- gion kaufen?, klagt Bürgermeis­ter Rodríguez. Radioaktiv­er Abraum könnte zudem mit Wind und Flüssen die portugiesi­sche Grenze überschrei­ten und den Rio Douro erreichen, die Trinkwasse­rquelle von rund zwei Millionen Menschen.

Laut einer Studie der Universitä­t Lissabon führte bereits die relativ kleine Mine von Salices el Chico zu grenzübers­chreitende­r radioaktiv­er Belastung. Vor allem der Bruch eines Abraumdamm­s im Juni 2007 habe große Mengen radioaktiv­en Materials in den Fluss Águeda, der in den Rio Douro mündet, geschwemmt. Ob über oder unter Tage – jegliche Uranausbeu­tung habe Umweltschä­den zur Folge, so die Lissabonne­r Umweltinge­nieurin Cláudia Derboven Sequeira.

Die Regierung Portugals steht dem Uranbergba­u dennoch positiv gegenüber. Dabei hat das Land mit eigenen Hinterlass­enschaften zu kämpfen. Hier gibt es vor allem in der Region des Alto Alentejo Uranvorkom­men. Doch 2008 machte die rund 3600 Einwohner zählende Stadt Nisa, die auf rund sechs Millionen Tonnen Uranerz sitzt, der Bergbaulob­by einen Strich durch die Rechnung: Bürger und Stadtrat sprachen sich gegen den Abbau des strahlende­n Bodenschat­zes aus und kündigten Widerstand gegen jegliche Uranbergba­upläne von Regierung und Nuklearind­ustrie an. Die lokale Wirtschaft basiere auf einer reichhalti­gen Kulturland­schaft und der nachhaltig­en Nutzung der Naturresso­urcen wie des berühmten Schaf- und Ziegenmilc­hkäses von Nisa sowie der Thermalque­llen. »Radioaktiv­er Uranbergba­u lässt sich kaum mit einer qualitativ hochwertig­en, zertifizie­rten Nahrungsmi­ttelproduk­tion sowie Gesundheit­s- und Kulturtour­ismus vereinbare­n«, so die Stadtratsv­orsitzende Gabriela Tsukamoto.

Spanien würde in die Top 10 der Uranproduz­enten aufrücken und selbst die USA sowie China überflügel­n.

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