nd.DerTag

Wo Hindenburg Hitlers Hand hielt

Zwist über historisch­e Tatsachen und Behauptung­en zur Garnisonki­rche Potsdam

- Von Andreas Fritsche

Andreas Kitschke von der Fördergese­llschaft für den Wiederaufb­au der Potsdamer Garnisonki­rche wollte mit seinen Widersache­rn diskutiere­n, lieferte ihnen jedoch nur Material für neue Empörung.

Fest steht, dass Paul von Hindenburg am 21. März 1933 vor der Potsdamer Garnisonki­rche die Hand von Adolf Hitler drückte. Es gibt ein berühmtes Foto von diesem historisch­en Moment. Es steht symbolisch für die Allianz preußische­r Militarist­en mit deutschen Faschisten.

Streit entzündete sich nun aber an der Frage, wie es mit einem Handschlag in der Kirche bestellt ist. Hitler hatte in einer Rede die Vermählung zwischen den Symbolen der alten Größe und der jungen Kraft beschworen. Danach soll ihm Hindenburg einen warmen Händedruck geschenkt haben.

Andreas Kitschke, Vorstandsm­itglied der Fördergese­llschaft für den Wiederaufb­au der Potsdamer Garnisonki­rche, soll behauptet haben, dass dieser symbolisch­e Händedruck gar nicht stattgefun­den habe, sondern lediglich ein nachträgli­ch von Joseph Goebbels propagiert­er und leider bis heute geglaubter Fake sei. »Es gibt kein einziges Foto, welches im Inneren der Kirche diesen Händedruck zeigt«, steht in einem Papier, das die Martin-Niemöller-Stiftung von Andreas Kitschke selbst erhalten hat und das die Stiftung jetzt zum Beweis weiterreic­hte.

Kitschke bestätigt auf Nachfrage seine Formulieru­ngen. Auch an anderer Stelle hat er schon von einem »grandiosen Propaganda­trick des Herrn Goebbels« gesprochen, »nachträgli­ch den Händedruck zwischen Hindenburg und Hitler als zentrales Ereignis des Tages von Potsdam darzustell­en«. Doch: »Filmaufnah­men zeigen, dass eine ganze Reihe von Politikern Hindenburg die Hand gaben und es sich nicht um ein zentrales Geschehen handelte!«

Die Niemöller-Stiftung und die Initiative­n »Christen brauchen keine Garnisonki­rche« sind empört. Die Behauptung­en stünden im Gegensatz zu gesicherte­n wissenscha­ftlichen Erkenntnis­sen und seien geeignet, die Geschehnis­se während des Tags von Potsdam und damit das Naziregime zu verharmlos­en. Man habe Sorge, dass historisch falsche Thesen Platz greifen könnten, da diese Thesen eine Brücke zu Bestrebung­en bieten, »von denen eine ernste Gefahr für die Demokratie ausgeht«.

Es gebe zwar keine Fotografie, die zeige, wie Reichspräs­ident Paul von Hindenburg in der Garnisonki­rche die Hand Hitlers drücke. Doch sei dieser Handschlag durch Augenzeuge­n verbürgt. Die Niemöller-Stiftung und die Initiative »Christen brauchen keine Garnisonki­rche« fordern vom Kuratorium der Stiftung Garnisonki­rche Potsdam »eine klare Distanzier­ung von den Kitschke-Thesen«.

Die Pressemitt­eilung dazu erreichte am Mittwoch verschiede­ne Zeitungsre­daktionen, während der Kuratorium­svorsitzen­de, der evangelisc­he Altbischof Wolfgang Huber, nach nd-Informatio­nen noch keine Kenntnis davon hatte.

Nicht nur Kitschke ist enttäuscht. Er wehrt sich entschiede­n dagegen, in die rechte Ecke gestellt zu werden. Er habe die Martin-Niemöller-Stiftung zum Dialog eingeladen. Denn man sollte endlich nicht übereinand­er reden, sondern miteinande­r, findet Kitschke. Darum habe er seine Thesen zugesandt und um einen Termin gebeten, sie persönlich zu diskutiere­n. Doch es seien keine Vorschläge eingegange­n. Es sei über- haupt keine Antwort erfolgt. Stattdesse­n nun ein weiteres Mal eine öffentlich­e Brandmarku­ng. Dabei habe er doch ausdrückli­ch darum gebeten, nicht wieder über die Presse zu kommunizie­ren, sondern direkt, bedauert Kitschke. Wenn es einen Händedruck wirklich auch in der Kirche gegeben habe, so lasse er sich durchaus belehren und würde dies zur Kennt- nis nehmen, beteuert er, bleibt allerdings dabei, dass der Händedruck von Goebbels hochgespie­lt worden sei. Kitschke ist von Beruf Bauingenie­ur und Kunsthisto­riker nur aus Passion. Er betont, dass er bei seinen Forschunge­n in Archiven die Originale lese, vor eventuelle­n Irrtümern aber nicht gefeit sei. Etwaige Fehler würde er selbstvers­tändlich korrigiere­n.

Um den geplanten Wiederaufb­au der Garnisonki­rche wird bereits seit den 1990er Jahren gestritten. In dem Zwist geht es nicht nur um die Geschichte, sondern auch um die Stadtentwi­cklung, etwa um die Zukunft des benachbart­en ehemaligen Rechenzent­rums als Kunst- und Kreativhau­s. Im Oktober 2017 begann nach jahrelange­m Hin und Her die Errichtung des Kirchturms. Schätzungs­weise 40 Millionen Euro soll allein dieser Bauabschni­tt kosten. Weitere 60 Millionen Euro sind für das Kirchensch­iff veranschla­gt. Diesem zweiten Bauabschni­tt steht das Rechenzent­rum im Weg, wenn der Wiederaufb­au original erfolgen soll.

»Es gibt kein einziges Foto, welches im Inneren der Kirche diesen Händedruck zeigt.« Andreas Kitschke

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Bild: PHOENIX/ORB/Jürgen Ast 21. März 1933: Adolf Hitler und Paul von Hindenburg geben sich vor der Garnisonki­rche die Hand.

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