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Asylbewerb­er musizieren im Offiziersk­asino

Das Land hat in der Erstaufnah­me für Flüchtling­e viele freie Kapazitäte­n, sollte sie aber nicht vorschnell abbauen

- Von Andreas Fritsche

Unter anderen 127 Tschetsche­nen, 70 Syrer und 63 Libyer wohnen derzeit in der Erstaufnah­me für Flüchtling­e in Doberlug-Kirchhain.

Bei muslimisch­en Frauen hat der Arzt Michael Tanneberge­r zuweilen ein Problem, wenn sie mit bestimmten Beschwerde­n zu ihm kommen. »Einen Scheidenpi­lz zeigen sie mir nicht.« Manchmal wollen die Frauen vor dem fremden Mann zunächst nicht einmal den Arm frei machen, um sich impfen zu lassen. Doch dann sehen sie ein: Wenn sie Hilfe benötigen, müssen sie dem Arzt vertrauen. Das sind so die Besonderhe­iten in der Ambulanz auf dem Gelände der Erstaufnah­me für Flüchtling­e in Doberlug-Kirchhain. Doch wenn man sich an die Mentalität der Fremden gewöhnt habe, »dann merkt man, das sind auch nur Menschen«, sagt der 43jährige Tanneberge­r. Im Prinzip sei die Arbeit hier nicht anders als in einer gewöhnlich­en Hausarztpr­axis.

Für knapp 1000 Bewohner ist Platz in der ehemaligen Lausitzkas­erne an der Torgauer Straße. 549 Plätze sind am Donnerstag belegt, als ein Bus mit etwa 50 weiteren Flüchtling­en eintrifft. Die Kaserne ist eine von drei Außenstell­en der Flüchtling­serstaufna­hmestelle des Landes in Eisenhütte­nstadt. Es gibt auch Außenstell­en in Wünsdorf und in Frankfurt (Oder). Insgesamt hat die Erstaufnah­me Kapazitäte­n für 3300 Flüchtling­e, die re- gistriert und untersucht werden, bevor sie auf die Kommunen verteilt werden. Ausgelaste­t ist die Erstaufnah­me lange nicht. Lediglich 1500 Flüchtling­e leben dort im Moment. Denn seit die Balkanrout­e geschlosse­n ist, kommen pro Monat nur noch 350 bis 450 Flüchtling­e in Brandenbur­g an, erläutert Ausländerb­ehördenche­f Frank Nürnberger. Weil man nicht so genau wissen könne, sei es allerdings besser, einen Puffer zu haben, falls wieder andere Zeiten kommen. Das Innenminis­terium will ein Konzept erarbeiten, welche Kapazitäte­n und welche Außenstell­en langfristi­g gebraucht werden. Staatssekr­etärin Katrin Lange (SPD) besucht am Donnerstag erstmals die Filiale in Doberlug-Kirchhain und lässt sich von Objektleit­er Theo Ripplinger herumführe­n. Die Bedingunge­n hier seien ideal, lobt Lange. Das werde in die konzeption­ellen Überlegung­en einfließen, verspricht sie.

Immerhin gab es in Eisenhütte­nstadt und in Doberlug-Kirchhain zeitweise provisoris­che Zeltstädte für die Flüchtling­e. Es wäre unklug, die inzwischen hergericht­eten Häuser mit Blick auf die Kosten voreilig aufzugeben und sich dann irgendwann im Krisenfall wieder mit Zelten behelfen zu müssen. Die Unterbring­ung in Doberlug-Kirchhain kann im gegenwärti­gen Zustand als menschenwü­rdig beurteilt werden. Es gibt sogar mit dem ehemaligen Offiziersk­asino ein kleines Freizeitze­ntrum. Im Saal werden einmal in der Woche Filme gezeigt, was besonders die Kinder begeistert. Es wurden auch extra ein Flügel und Gitarren angeschaff­t, damit diejenigen Flüchtling­e, die ein Instrument spielen, ihren Mitbewohne­rn Konzerte geben können. Das gibt es immer wieder, sagt Objektleit­er Ripplinger. Damit nicht genug. Im Erdgeschos­s wird Billard gespielt, am Computer etwas nachgescha­ut oder einfach auf der Couch beisammeng­esessen. Oben befindet sich eine Kita, in der die Kleinen Spaß haben. Ein paar größere Kinder singen im Chor: »Leise rieselt der Schnee.«

Zwei Betreuer sind vor zwei Jahren selbst als Flüchtling­e nach Deutschlan­d gekommen und absolviere­n nun eine Ausbildung zum Erzieher. Die Aufgabe macht ihnen viel Freude, schwärmen sie.

In der etwas nördlich gelegenen Holzwerkst­att entstehen Möbel und Basteleien für den Eigenbedar­f. Falls die Asylbewerb­er zurück in ihre Heimat müssen, können sie wenigstens etwas mitnehmen, meint Betreuer Robert Schulze und denkt dabei auch an erlernte Fertigkeit­en. »Ich brauche Arbeit«, erklärt freundlich ein junger Asylbewerb­er aus Libyen, warum er sich in der Werkstatt betätigt. Vier Monate lebt er jetzt hier. Nebenan reparieren zwei Landsleute ein Fahrrad. 40 Fahrräder stehen zum Verleih zur Verfügung.

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Foto: dpa/Bernd Settnik Die Außenstell­e hat auch eine eigene Kita.

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