Arbeiterbewegung
Eine Beschäftigung mit der Geschichte des Sozialismus und der Arbeiterbewegung erscheint heute vielen als überflüssig. Während bis in die 1980er Jahre in der politischen Linken, an den Universitäten und in der medialen Öffentlichkeit intensive Debatten dazu stattfanden, leidet das Thema heute an einem doppelten Bedeutungsverlust in Wissenschaft und Gesellschaft.
Unübersehbare, wenn auch nicht alleinige Ursache ist die Epochenwende von 1989. Während des Kalten Krieges standen die Begriffe Sozialismus und Arbeiterbewegung gerade in Deutschland im Zentrum eines breiten Legitimationsdiskurses. Dies war mehr als ein Streit zwischen SED und SPD um Vergangenheit und Traditionen. Es ging um den grundsätzlichen Konflikt zwischen Sozialstaat und Staatssozialismus.
In Westdeutschland gab es jedoch gleichzeitig bedeutende Beiträge einer undogmatischen Linken, die sich jenseits der mit zunehmend vorhersehbaren Argumenten geführten Kontroverse zwischen westdeutscher Sozialdemokratie und marxistisch-leninistischer DDR-Geschichtswissenschaft positionierten. Diese Ansätze waren sehr divers, sie reichten von Linkssozialismus und linker Sozialdemokratie bis ins autonome Spektrum. Gemeinsam war ihnen eine Abkehr von der eindimensionalen Legitimationsgeschichte. Stattdessen versuchten sie den Blick auf die Eigenaktivität der Arbeitenden zu lenken – auf die kollektive Aktion von unten, die Tradition der Krawalle, Streiks und Aufstände, auf die Rätebewegung und die Geschichte der zahlreichen Splittergruppen und Dissidenten.
Man könnte meinen, diese undogmatischen Ansätze würden nach dem Ende des Kalten Krieges die Diskussion dominieren, auch durch die Öffnung der Archive in Osteuropa ... Stattdessen ist festzustellen, dass die Debatte zur Geschichte von Sozialismus und Arbeiterbewegung ins Abseits gedrängt wurde, sowohl bei politisch Aktiven als auch in der akademischen Geschichtswissenschaft.