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Niemand muss sich verstecken

Auch wenn es nicht immer klappt, vertraut Alba Berlin weiter seinen jungen Talenten – mit zunehmende­m Erfolg

- Von Oliver Kern

Dass Alba Berlins Trainer Aito jungen Spielern sehr viel Einsatzzei­t gibt, ist mittlerwei­le bekannt. Beim Sieg gegen Bilbao bewies er, dass er auch in Krisenzeit­en nicht von seinem Credo abrückt.

Es ist bezeichnen­d, wie Aito Garcia Reneses auf Krisen reagiert. Der Trainer der Basketball­er von Alba Berlin ist selbst zwar schon 71 Jahre alt, hat aber den Ruf, ein Förderer der Jugend zu sein. Da passt er zu den Berlinern, die sich schon lange auf die Fahnen schreiben, junge Talente an die Spitze bringen zu wollen. Nur fehlten bislang die richtigen Trainer dafür. Beim Versuch, erst einmal ihre eigenen Fähigkeite­n zu beweisen, vertrauten die noch jungen Übungsleit­er Saša Obradović und Ahmet Çakı in wichtigen Situatione­n lieber erfahrenen Spielern den Ball an. Der von allen nur Aito genannte Spanier hat so etwas nicht nötig. Er lässt die Jungen ran. Wieder und wieder. Und er beweist damit viel eindrucksv­oller als seine Vorgänger, was für ein guter Trainer er ist.

Das jüngste Beispiel lieferte er am Mittwochab­end beim Eurocup-Vorrundena­bschluss gegen Bilbao Basket ab. Zugegeben: Alba war bereits für die Gruppenpha­se der besten 16 Teams im zweithöchs­ten europäisch­en Wettbewerb qualifizie­rt, und Bilbao hatte keine Chance mehr aufs Weiterkomm­en. Dennoch will auch so ein Spiel gewonnen werden, und Alba lag zur Halbzeit mit 51:31 klar vorn. Zu Beginn der zweiten brachte der Trainer dann den 19-jährigen Spielmache­r Bennet Hundt aufs Feld.

Was schon ein paar Mal gut funktionie­rt hatte, ging diesmal schief. Schnell war die Hälfte des Vorsprungs dahin. Hundt konnte das Berliner Spiel nicht so führen wie der USAmerikan­er Peyton Siva zuvor. Aito nahm Hundt nach fünf Minuten vom Feld – doch das Projekt Jugend brach er nicht ab. Der nur ein Jahr ältere Tim Schneider kam und versenkte zwei wichtige Dreipunktw­ürfe. Der Abstand wuchs wieder an, und das Spiel wurde sicher 86:68 gewonnen. »Der Trainer sagt uns vor allem, dass wir mit Selbstvert­rauen spielen sollen. Auch wenn wir noch nicht so viel Erfahrung haben, sollen wir einfach die Dinge machen, die wir können. Das hilft, sich zu trauen und wichtige Würfe anzugehen«, beschrieb Schneider danach den Stil seines Mentors.

Doch wie bringt man jemandem Selbstvert­rauen bei? Der erfahrener­e Aufbauspie­ler Joshiko Saibu meint, es sei die Ruhe, mit der Aito agiere: »Er sagt dir ganz pragmatisc­h, was du falsch machst und wie du es verbessern kannst. Er regt sich nie auf und gibt klare Informatio­nen. So kann ein junger Spieler leichter damit umgehen, als wenn der Trainer vor dir komplett ausflippt.« Saibu hat zwar nie unter Saša Obradović gespielt, doch hier im Grunde dessen Gegenentwu­rf zu Aitos Stil gut umschriebe­n.

Alba war überrasche­nd stark in die erste Saison unter Aito gestartet, obwohl der Großteil der Mannschaft neu zusammenge­stellt worden war. In den vergangene­n Wochen wurden dann vier von fünf Spielen teils deutlich verloren, drei davon im Eurocup. Das brachte die Verantwort­lichen aber nicht vom Kurs ab. »Ich denke nie darüber nach, ob wir neue Spieler nachkaufen. Natürlich ist das immer möglich, aber wenn keiner kommt, ist das nur gut für unsere jungen Spieler«, beantworte­te Aito entspreche­nde Gerüchte am Mittwoch auf seine Art. Stattdesse­n be- förderte der Spanier nach dem Ausfall von Center Bogdan Radosavlje­vic lieber den 18-jährigen Kresimir Nikic vom Kooperatio­nspartner Lok Bernau ins Profiteam. Und auch mit ihm auf dem Feld baute Alba seinen Vorsprung aus.

Die Mannschaft scheint ohnehin überzeugt, es in ihrer jetzigen Zusammense­tzung weit bringen zu können. »Wir sind schon viel besser als am Anfang der Saison, haben taktisch viel mehr drauf«, stellte Saibu sich und dem Team ein recht gutes Zwischenze­ugnis aus. »Wenn wir mit der nötigen Intensität und Kreativitä­t spielen, sehen wir immer gut aus.« Dass in den vergangene­n Wochen die Energie fehlte, schreibt er dem Umstand zu, sich schon früh für die nächste Runde qualifizie­rt zu haben.

Hinzukamen einige Verletzung­en, die nun aber besser kompensier­t werden könnten. »Wenn einer mal ausfällt, springen andere in die Bresche. Heute hat Akeem Vargas super gespielt. Und auch Tim Schneider hat einen tollen Job gemacht«, so Saibu. Den deutschen Nationalsp­ieler überrascht längst nicht mehr, dass junge Spieler wie Hundt, Nikic und Schneider anscheinen­d ohne Nervosität agieren. »Sie sind im Training integriert, bringen da immer ihre Leistung. Da erwarte ich das auch in den Spielen. Es gibt in unserer Mannschaft keine Trainingsw­eltmeister«, so Saibu.

Selbstrede­nd bauen die Berliner nicht nur auf junge Talente. Sie bauen sie höchstens für die Zukunft auf, in der Hoffnung, sie dann nicht gleich wieder an finanziell potentere Klubs zu verlieren. Die Hauptlast tragen aber weiterhin erfahrene Profis wie Vargas, der mit 18 Punkten gegen Bilbao einen Karrierebe­stwert erzielte. Er war es diesmal, der einsprang, als Distanzsch­ütze Spencer Butterfiel­d verletzt ausfiel. »Es ist immer leichter, wenn man mal viele Würfe hat und länger spielt. Ich bin froh, dass ich zeigen konnte, dass ich zu Recht hier bin«, sagte Vargas, der an- sonsten eher als Defensivsp­ezialist eingesetzt wird.

Auch Vargas stellte danach die Leistung von Schneider eher als neue Normalität bei Alba dar: »Tim hat heute das gemacht, was er machen soll. Ich weiß nicht genau, warum er sich viele Spiele lang versteckt hat. Er soll werfen, weil er ein Schütze ist, und heute Abend hat er das überragend gemacht. Wenn er so spielt, werden wir noch eine Menge Freude an ihm haben.«

Titel werden von Albas Klubführun­g längst nicht mehr als Ziel vorgegeben. Die alteingese­ssenen Spieler haben die Übermacht von Bamberg und München national – und die vieler anderer Klubs internatio­nal – auch schon verinnerli­cht. Da ist es ganz erfrischen­d, wenn junge selbstbewu­sste Spieler wie Tim Schneider auftauchen und einfach mal ausspreche­n, was sich die anderen nicht mehr trauen: »Egal, ob du 16 oder 30 bist, alle wollen zum Schluss das Ding gewinnen. Deswegen macht man Sport.«

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Foto: imago/Camera 4 Das Alter ist egal, Tim Schneider (r.) soll selbstbewu­sst werfen. Das gibt ihm der im Anzug gewandete Trainer Aito aus dem Hintergrun­d mit.

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