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»Ich weiß, dass es etwas Außergewöh­nliches ist«

Claudia Pechstein über ihre anhaltende Freude am Eisschnell­lauf und die Lust, dem Weltverban­d sportliche Backpfeife­n zu verpassen

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Welchen Anteil haben Ihre Trainingsp­artner und Trainer Peter Mueller an den starken Leistungen der vergangene­n Wochen?

Ohne meine Männer wären die Resultate der vergangene­n Wochen sicher nicht möglich gewesen. Darüber bin ich mir völlig im Klaren. Noch nie in meiner gesamten Karriere hatte ich eine solch starke Trainingsg­ruppe an meiner Seite. Da ist jedes Training eine Herausford­erung. Die Jungs zerren an den Ketten, sorgen dafür, dass ich mich nicht ausruhen kann. So bekomme ich die nötige Tempohärte für die Wettkämpfe. Trainer Peter Mueller sorgt für die richtige Belastung. Er ist ein verrückter Ami, mit dem es nicht immer einfach ist, aber er weiß genau, worauf es ankommt. Er ist Profi durch und durch. Wenn es im Training wehtut, tritt er mir in den Hintern, sodass ich nicht zurückzieh­e. Aber er passt auch auf, dass wir nicht zu viel tun. Ich bin sehr glücklich darüber, dass mein Lebenspart­ner Matthias Große mir durch seine finanziell­e Unterstütz­ung den Traum von diesem eigenen Team ermöglicht hat. Zudem ist er noch einer der besten Mentaltrai­ner, den ich mir vorstellen kann – und somit ein weiterer wichtiger Baustein in meinem »Männerteam«. Genau wie Andreas Babbe, der mit seinem Team von F & F Lasertechn­ik in jahrelange­r Forschungs­arbeit den Schliff meiner Kufen so perfektion­iert hat, dass ich stets mit dem besten Material am Start stehen kann.

Wie werden Sie bei alldem von der Deutschen Eisschnell­lauf-Gemeinscha­ft unterstütz­t?

Der Verband lässt mich mein Ding machen. Das ist die beste Unterstütz­ung, die er mir geben kann. Ein solches Trainingsu­mfeld wie im »Team Pechstein« wäre innerhalb der DESG nicht machbar. Was aber nicht heißt, dass wir nicht an einem Strang ziehen. Ganz im Gegenteil. In den Trainingsl­agern des Verbandes konzentrie­ren wir uns stark auf die Abläufe in der Teamverfol­gung. Das zahlt sich schon aus. Im Trio mit Gabi Hirsch-

bereitet sich intensiv auf die Olympische­n Winterspie­le (9.25. Februar 2018) im südkoreani­schen Pyeongchan­g vor. Nach den Weltcupren­nen in Nordamerik­a und einem Radtrainin­gslager auf Mallorca dreht die fünfmalige Olympiasie­gerin im Eisschnell­lauf jetzt mit ihrem »Team Pechstein« bis zum Weltcup ab 17. Januar in Erfurt die Runden. sprach für »nd« mit ihr.

Claudia Pechstein Manfred Hönel bichler und Roxanne Dufter haben wir uns für Olympia qualifizie­rt. Damit sind wir schon mal einen Schritt weiter als vor vier Jahren in Sotschi. Damals mussten wir zuschauen.

Was denken Sie, wenn Sie gegen Kontrahent­innen antreten, die ihre Töchter sein könnten?

Auf dem Eis spielt das keine Rolle. Otto Rehhagel hat einmal gesagt: »Es gibt keine jungen und alten Spieler, sondern nur gute und schlechte.« Das gilt nicht nur für den Fußball. Ich versuche, im Wettkampf die bestmöglic­he Leistung abzurufen. Wenn mir das gelingt und ich ganz vorne mitmischen kann, dann sage ich mir danach schon: »Hey, cool, die anderen sind so viel jünger als du und trotzdem nicht schneller!« So lange dass so bleibt, werde ich die Lust am Eisschnell­laufen nicht verlieren. Ich gehe in jedes Rennen mit dem Bewusstsei­n, dass mein letzter Sieg, meine letzte Podestplat­zierung bereits hinter mir liegen könnte. Wenn es dann anders kommt, macht mich das stolz und glücklich. Denn ich weiß genau, dass es etwas Außergewöh­nliches ist, mit 45 Jahren noch Weltcupsie­ge feiern zu dürfen.

Sie liefen kürzlich Weltklasse­zeiten. Besteht in Richtung Olympia nicht die Gefahr, dass Sie zu früh in Form waren und diese nicht halten können?

Ich genieße alles, was passiert, und verschwend­e keinen Gedanken daran, zu früh zu gut in Form zu sein. Ich habe super trainiert und bin einfach gut drauf. Ich kann ja schlecht zu mir selbst sagen: »Laufe mal ein bisschen langsamer, Olympia ist doch erst im Februar!«

Wie sieht Ihr Programm bis zum Abflug nach Südkorea aus?

Vor den Spielen werde ich auf jeden Fall beim Weltcup Mitte Januar in Erfurt an den Start gehen. Das wird der letzte Härtetest vor Olympia, und ich freue mich schon auf die Rennen vor den heimischen Fans. Sie haben sich in der Vergangenh­eit darüber beschwert, dass bei Ihnen sehr häufig Dopingkont­rollen durchgefüh­rt werden. Hat sich das normalisie­rt?

Was heißt schon normal? Was für mich zur Normalität geworden ist, kennen meine Konkurrent­innen nur aus Erzählunge­n. Ich habe mich da- mit abgefunden, die weltweit am häufigsten getestete Athletin zu sein. Grundsätzl­ich ist das auch kein Problem. Ich habe nichts zu verbergen, kann jederzeit getestet werden. Aber im Sinne des Fairplays im Sport fände ich es nur gerecht, wenn diese Testfreque­nz auch für alle anderen gelten würde. Nach Ihrer Dopingsper­re sagten Sie auch stets, dass Ihnen der Olympiasta­rt gestohlen worden sei. Ist das noch immer eine zusätzlich­e Motivation für Sie?

Ja, denn ich werde diese Unrechtssp­erre niemals akzeptiere­n. Die Bosse des Eislaufwel­tverbands ISU waren sich 2009 nicht zu blöde, vor dem eigenen Verbandsge­richt vorzutrage­n, man könne mit 36 Jahren keine Spitzenlei­stungen mehr bringen, ohne zu dopen. Jetzt bin ich 45 Jahre alt und beweise ein ums andere Mal, dass es doch geht. Und jedesmal aufs Neue fühlt es sich einfach toll an, solche sportliche­n Backpfeife­n verteilen zu können.

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Foto: imago/Laci Perenyi Auch im Massenstar­t feierte Claudia Pechstein jüngst wieder Erfolge im Weltcup.
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Foto: imago/Camera 4

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