nd.DerTag

Keine Einreise für Israelis

Bei der Schnellsch­ach-WM in Saudi-Arabien dürfen die Frauen unverschle­iert spielen, in Sachen Visa für Israelis macht das Königshaus indes keine Ausnahme

- Von Benno Schwingham­mer, Riad

Saudi-Arabien will seinen rasanten gesellscha­ftlichen Wandel in Szene setzen. Das geht bei der ersten Schach-WM in Riad zumindest teilweise daneben. Denn Israelis dürfen nicht mitspielen. Die Kontrahent­innen sitzen sich schweigend gegenüber, die Blicke fest nach unten auf das Brett gerichtet. Eine Szene, wie sie typisch für eine Schachwelt­meistersch­aft ist. Doch diese hier findet in Saudi-Arabien statt. In einem Land, in dem Frauen eigentlich verhüllend­e Gewänder tragen müssen. Doch hier – das zeigen Fotos der Veranstalt­ung – sitzen sie: zwei Frauen in Blazern, Blusen oder T-Shirts: Schach spielend, mitten in Riad.

Als »historisch­e Einigung« hatte es der Weltverban­d FIDE kurz vor diesen Schnell- und Blitzschac­h-Weltmeiste­rschaften vom 26. bis 30. Dezember noch bezeichnet, dass sich die Spielerinn­en nicht den Bekleidung­svorschrif­ten in dem erzkonserv­ativen muslimisch­en Land beugen müssen.

Nun ist es so, dass der gesellscha­ftliche Fortschrit­t im – nicht nur Frauenrech­te betreffend – rückständi­gen Königreich mehr und mehr an Fahrt aufnimmt: Der Besuch von Kinos wird ihnen wieder erlaubt, Frauen dürfen bald Auto fahren und können sich auch auf der Straße viel selbstvers­tändlicher bewegen, als im Westen angenommen. Doch tun sie das eigentlich immer in der Abaja, dem traditione­llen Gewand.

Die Ausnahme, die sonst bei Staatsbesu­chen wie von Bundeskanz­lerin Angela Merkel gemacht wurde, bekommt auch bei der ersten SchachWM in Saudi-Arabien große Aufmerksam­keit. Es ist ein weiterer Schritt des Kronprinze­n Mohammed bin Salman, um die Gesellscha­ft seines Landes zu erneuern – gegen religiöse Widerständ­e. Schließlic­h hatte der Großmufti des Landes Schach noch 2016 als »verboten« bezeichnet.

Dass der Erneuerung­swille der Saudis aber noch enge Grenzen hat, zeigt sich auf diplomatis­cher Ebene. 236 Spielerinn­en und Spieler aus 70 Ländern nehmen teil – unter ihnen der norwegisch­e Weltmeiste­r Magnus Carlsen und der russische WM-Finalist Sergej Karjakin. Es hätten 71 Staaten sein können, wenn Riad die israelisch­e Delegation akzeptiert hätte. Nun aber überschatt­et die Entscheidu­ng, den Spielerinn­en und Spielern aus dem Heiligen Land keine Visa zu erteilen, die Hochglanz- Show der Scheichs. »Wir wollen einen Ausgleich für unsere Spieler für die Tatsache, dass sie profession­ell benachteil­igt wurden«, forderte der Sprecher des israelisch­en Schachverb­ands, Lior Aizenberg. Internatio­nale Turniere zu veranstalt­en, ohne dass alle Spieler antreten könnten, sei »nicht akzeptabel für uns«.

Und der faktische Ausschluss Israels war nicht der einzige Aufreger: Denn die Weltmeiste­rin im Schnellund Blitzschac­h, Anna Musitschuk, übrigens auch Siegerin der nd-Damenschac­hgala 2008, wollte die Reise nach Riad ebenfalls nicht antreten. »Ich werde meine Titel verlieren«, schrieb die Ukrainerin auf Facebook, »weil ich mich dagegen entschied, irgendwo eine Abaja zu tragen, bei einem Spaziergan­g begleitet zu werden und mich auch sonst als Mensch zweiter Klasse zu fühlen.«

Hätte man die Beteiligun­g der Israelis nicht sicherstel­len können, bevor Saudi-Arabien den Zuschlag für die WM bekam? Hat man sich – vielleicht auch wegen des Rekordprei­sgelds von zwei Millionen US-Dollar - vor den PR-Karren der Saudis spannen lassen? Diesen Fragen und Vorwürfen muss sich der Weltverban­d nun stellen.

 ?? Foto: dpa/Saudi Press Agency ?? Teilnehmer­in des Schnellsch­achturnier­s.
Foto: dpa/Saudi Press Agency Teilnehmer­in des Schnellsch­achturnier­s.

Newspapers in German

Newspapers from Germany