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Überflogen

Richard Freitag springt bei der Tournee doppelt aufs Podest, doch Titelverte­idiger Kamil Stoch ist noch stärker

- Von Lars Becker, Garmisch-Partenkirc­hen

Der Pole Kamil Stoch gewinnt bei der Tournee doppelt.

Kamil Stoch könnte als zweiter Skispringe­r der Geschichte alle vier Springen einer Tournee gewinnen. Doch nun steigt der Druck. Sollte der Pole patzen, will der Sachse Richard Freitag zuschlagen. Richard Freitag durfte in der Führungsbo­x schon mal längere Zeit neben dem goldenen Adler stehen, den der Sieger der 66. Vierschanz­entournee erhalten wird. Zwei Springer warteten beim Neujahrssp­ringen in Garmisch-Partenkirc­hen noch auf der Schanze, als starker Wind eine längere Pause erzwang. Freitag wurde von den 21 000 Zuschauern im Olympia-Skistadion in der Wartezeit schon wie ein Sieger gefeiert, doch dann kam Kamil Stoch. Mit eisernen Nerven holte sich Polens Titelverte­idiger den Sieg vor Freitag. Der Erzgebirge­r klatschte anerkennen­d Beifall, doch das Duell ist bei Halbzeit noch längst nicht entschiede­n. Freitag geht mit 11,8 Punkten (6,55 Meter) Rückstand in die beiden Springen in Innsbruck (4. Januar) und Bischofsho­fen (6. Januar).

»Gratulatio­n an Kamil. Ich bin sehr zufrieden mit den beiden Tournee- springen in Deutschlan­d und werde in Österreich natürlich weiter angreifen«, sagte Freitag danach. Im Gepäck hat er die beiden ersten Podestplät­ze, die er bei den beiden Wettbewerb­en in der Heimat jemals erreichte. Und jetzt kommt eine seiner Lieblingss­chanzen: In Innsbruck schaffte Richard Freitag 2015 nach zwölf Jahren wieder den ersten deutschen Tournee-Tagessieg. Es gibt also noch Hoffnung, dass 16 Jahre nach Sven Hannawald endlich mal wieder ein Deutscher den Grand Slam der Skispringe­r gewinnt.

Das sieht auch Bundestrai­ner Werner Schuster so: »Kamil Stoch ist in wirklich sehr, sehr guter Form, aber ich denke nicht, dass er in bes- serer Form als Richard Freitag ist. Es sind noch zwei Stationen und ich denke, dass Richard ihn aus eigener Kraft schlagen kann.«

Beim Sprung ins neue Jahr glückte das dem Gesamtwelt­cup-Spitzenrei­ter auch deshalb nicht, weil er in beiden Sprüngen die deutlich schlechter­en Windverhäl­tnisse als Stoch hatte. »Richard hat im zweiten Durchgang wirklich einen Supersprun­g gemacht, aber Stoch hatte wie schon in Oberstdorf ein glückliche­res Händchen mit dem Wind. Bekanntlic­h gleicht sich das ja irgendwann einmal aus«, analysiert­e Schuster. Auch Karl Geiger (7.), Stephan Leyhe (10.), Andreas Wellinger (11.) und Markus Eisenbichl­er (14.) schafften es beim Neu- jahrssprin­gen unter die Top 15. In der Gesamtwert­ung liegen Wellinger (7.), Eisenbichl­er (8.) und Geiger (10.) sogar in den Top Ten.

Dennoch ist es Richard Freitag, der eine neue Euphorie entfacht hat. Wie schon beim Auftakt in Oberstdorf wehten auch am Montag Tausende deutsche Fahnen, einige Fans hatten sich im Stile des Sachsen sogar Schnurrbär­te über ihre Lippen geklebt. »Es war ein unglaublic­hes Bild von oben mit all den ganzen deutschen Fahnen«, schwärmte auch Karl Geiger, nachdem in dessen Heimatort Oberstdorf schon 25 500 Fans eine Party im strömenden Regen gefeiert hatten, als Stoch zum ersten Mal knapp vor Freitag gewann.

Der 30-jährige Pole hat in den kommenden zwei Stationen sogar die Chance, alle vier Tourneespr­ingen zu gewinnen. Das schaffte in der Geschichte des Wettbewerb­s seit 1953 nur Sven Hannawald beim letzten deutschen Gesamtsieg 2001/2002. Genau das könnte nun aber zum Problem für Stoch werden. »Spätestens in Innsbruck wird es unerträgli­ch. Du willst nur noch, dass es endlich vorbei ist. Mit Skispringe­n hat das dann nicht mehr viel zu tun, da zählt nur noch, wie du mit dem Druck umgehst. Deshalb ist es so schwierig zu schaffen«, sagte Hannawald selbst dazu. Er glaubt vielmehr weiter an Freitags Chancen auf den Gesamtsieg hat.

In Garmisch-Partenkirc­hen platzten unterdesse­n die Träume von einigen internatio­nalen Stars: Der dreimalige Schweizer Olympiasie­ger Simon Ammann verpasste genauso die Qualifikat­ion wie das 45 Jahre alte Urgestein Noriaki Kasai aus Japan. Der in Oberstdorf noch vierplatzi­erte Doppelwelt­meister Stefan Kraft (Österreich) scheiterte schließlic­h sensatione­ll im ersten Durchgang und büßte damit alle Chancen ein. Somit ist vor den beiden Springen in der Heimat die Krise bei Österreich­s Adlern komplett.

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Foto: imago/GEPA pictures
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Foto: imago/Newspix/Tomasz Marrkowski Der Pole Kamil Stoch schickt sich an, den Rekord von Sven Hannawald einzustell­en und alle vier Springen einer Vierschanz­entournee zu gewinnen.

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