Wenn der Abgeordnetensohn ein Geschäft ausraubt
Der Spross des ukrainischen Parlamentsabgeordneten Ihor Popow hat in Kiew einen Raubüberfall begangen
Der 14-jährige Sohn eines prominenten Parlamentsabgeordneten hat ein Lebensmittelgeschäft in der ukrainischen Hauptstadt Kiew aus geraubt. Der Vorfall sorgte für heftige öffentliche Reaktionen.
Es war eine ganz bemerkenswerte Szene, die sich Ende November in einem Lebensmittelgeschäft im Kiewer Obolon-Bezirk abspielte. Um 20 Uhr stürmten zwei maskierte junge Männer, die eine Pistole bei sich hatten, in den Laden. Während der eine mit der Waffe Verkäufer und Besucher anvisierte, nahm der andere das Geld – umgerechnet fast 100 Euro – aus der Kasse. Vor der Tür wurde das Räuberpaar jedoch von zwei Besuchern festgehalten, bis die Polizei zum Tat- ort kam. Die beiden Täter wurden sofort festgenommen.
So traurig diese Szene war, wäre sie im Normallfall als ganz typischer Raubüberfall schnell vergessen worden. Stattdessen diskutiert auch Wochen danach die ukrainische Zivilgesellschaft über den Fall. Der Grund: Einer der beiden Täter ist der 14-jährge Sohn eines prominenten Politikers, des Parlamentsabgeordneten der Radikalen Partei Ihor Popow. Zudem ist Popow nicht irgendein unbedeutender Funktionär, sondern die Nummer sechs der Parteiliste.
Dass der Sohn eines bekannten Rada-Abgeordneten überhaupt auf die Idee kommt, ein Lebensmittelgeschäft auszurauben, ist an sich schon ungewöhnlich. Noch bemerkenswerter ist, dass Popows Sohn zusammen mit seinem Mittäter höchstwahrscheinlich noch in fünf ähnliche Fällen verwickelt ist. Sie sollen im November fünf weitere Geschäfte, meist ebenfalls im Bezirk Obolon, überfallen haben.
Wegen der großen Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit blieb Ihor Popow nichts anderes übrig, als die Schuld seines Sohnes einfach zuzugeben. »Meine Familie hat ein Problem«, schrieb der Abgeordnete auf seiner Facebook-Seite. »Mein Sohn lernte falsche Leute kennen und nahm an einer ernsthaften Straftat teil. Es ist meine Schuld, dass ich nicht genug Zeit seiner Erziehung widmete. Ich will bei allen um Entschuldigung bitten.«
Dieses Statement sicherte Popow einige Sympathien, obwohl seine Radikale Partei als One-Man-Show des Politclowns Oleh Ljaschko gilt und daher gerade in der Zivilgesellschaft kein gutes Ansehen genießt.
Interessanterweise fordert gerade die Radikale Partei trotz ihrer fragwürdigen Reputation, dass Popow sein Abgeordnetenmandat lieber zurückgeben sollte. »Für Ihor sollte seine Tätigkeit als Parlamentsabgeordneter keine Rolle mehr spielen«, sagte der Parteivorsitzende Ljaschko. »Seine wichtigste Aufgabe ist, die Erziehung seines Sohnes voranzubringen. Von Ihor erwarte ich eine schwere, aber verantwortliche politische Entscheidung.«
Diese Position sorgte allerdings für Meinungsverschiedenheiten außerhalb und innerhalb der Partei. »Solche Fachleute wie Ihor sollen im Parlament bleiben und weiterhin gute Sachen für die Ukraine machen«, be- tonte unter anderem Artur Palatnyj, der der Präsidentenfraktion Block Poroschenko angehört.
Wie es mit der politischen Karriere von Ihor Popow weitergeht, ist bis heute immer noch unklar. Sein Sohn befindet sich aber vorerst unter ganztägigem Hausarrest. Am Rande der ersten Gerichtssitzung zum Fall versuchte der Abgeordnete, die Tat des Sohnes zu erklären: »Er hat mit den anderen gewettet, dass er das machen wird. Es ging um Selbstbestimmung in den Augen der anderen. Er hat einen großen Fehler gemacht, aber er wird daraus lernen«, so Popow.
Klar ist jedenfalls: Es sind Fälle wie die von Popows Nachwuchs, die die politische und wirtschaftliche Elite der Ukraine bei der Normalbevölkerung extrem unbeliebt machen.