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Ohne Druck der Zivilgesel­lschaft läuft nichts

Ouiry Sanou über den Widerstand gegen die desaströse­n Folgen des Bergbaus in Burkina Faso

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Burkina Faso wird traditione­ll nicht mit Bergbau in Verbindung gebracht wird. Seit 2005 wird von einem so genannte Bergbauboo­m gesprochen. Wie kam es dazu?

Im Rahmen der vom Internatio­nalen Währungsfo­nds verordnete­n Struktur anpassungs­programm eder 1990er Jahre wurden in Burkina Faso trotz großer Proteste Bildung und Gesundheit privatisie­rt und Land rechte liberalisi­ert. Auch ein investoren freundlich­es Bergbau gesetz kam zustande. Mit den steigenden Weltmarktp­reisen wurde es zudem interessan­ter, in Burkina Faso zu investiere­n, innerhalb kürzester Zeit gingen industriel­le Minen in Produktion. Mittlerwei­le haben wir zehn aktive Minen, davon eine Zink- und neun Goldminen. Drei sind bereits komplett geschlosse­n, eine weitere vorläufig. Acht Projekte haben eine Abbaulizen­z, davon befinden sich schon drei Minen im Bau und fangen in den nächsten zwei Jahren mit der Produktion an.

Was erhofft sich die Regierung von den Minen?

Mit den Verspreche­n von Arbeitsplä­tzen und verbessert­er Infrastruk­tur macht sie glauben, Burkina Faso könnte seinen Status als eines der ärmsten Länder weltweit ablegen. Bis jetzt ist das nicht so: »Fortschrit­t« und »Entwicklun­g« sind nicht wie versproche­n in Erfüllung gegangen. Dennoch hofft die Regierung weiter und vergibt Lizenzen; 2014 waren über vierzig Prozent der Oberfläche unseres Landes Abbau- oder Erkundungs­lizenzen.

Wie wirken sich die Minen aus?

In Burkina Faso lebt die Mehrheit von Landwirtsc­haft. Eine Abbaulizen­z bedeutet, dass Menschen von ihren Feldern und aus ihren Dörfern vertrieben werden – ohne gerechte Entschädig­ung und ohne in den Entscheidu­ngsprozess involviert zu sein. Das ist ein großes Problem und dagegen wehren sich viele Anwohner_innen. Generell stellt sich die Frage: Wieso wird so viel Gold – 2016 waren es 38 Tonnen Feingold – exportiert und wir, die Bevölkerun­g des Landes, werden zugleich immer ärmer?

Gute Frage. Haben Sie dafür eine Erklärung?

Ja. Obwohl es Steuern und Abgaben für die Unternehme­n gibt, zahlen sie nur wenig. 2013 kamen nur 16,6 Prozent der Staatseinn­ahmen aus dem Bergbausek­tor. Die kanadische­n, russischen und türkischen Unternehme­n werden in der Regel für einige Jahre von bestimmten Steuern befreit. 2015 wurde ein neues Bergbauges­etz beschlosse­n. Das wird nun in Verordnung­en umgesetzt. Durch großen Druck der Zivilgesel­lschaft soll es höhere Abgaben und einen neuen Bergbaufon­ds für lokale Entwicklun­g ge- ben. Die Unternehme­n wehren sich aber vehement und meinen, weil sie vor der Gesetzesän­derung die Verträge abgeschlos­sen hätten, würden diese für sie nicht gelten. Es ist unglaublic­h.

Sie sprachen davon, dass sich Anwohner_innen gegen die Unternehme­n zur Wehr setzen. Wie sieht das aus?

Grundsätzl­ich versucht eine Gruppe der demokratis­chen Jugendorga­nisation ODJ vor Ort erst mal, die Forderunge­n der Dorfbevölk­erung zu sammeln und an die lokalen Verantwort­lichen zu übergeben. Wenn die sich nicht um eine Lösung kümmern, greifen wir je nach Situation zu an- deren Mitteln. Dazu gehören unter anderem Demonstrat­ionen, Petitionen, offene Briefe und Sit-ins.

Sind Sie damit erfolgreic­h? Meistens sind wir ziemlich viel Repression ausgesetzt. Besonders schlimm war der Fall der semi-industriel­len Mine Yagha. Seit 2006 wurde regelmäßig gegen sie protestier­t, ODJ war seit 2011 dabei. Damals gab es täglich Verhaftung­en. SOMIKA, die burkinisch­e Firma, hatte Privatgefä­ngnisse installier­t, in denen es zu Folter kam. Zeitgleich mit den Aufständen gegen Blaise Compaoré gab es 2014 wieder große Demos in Yagha. Dabei wurden fünf unserer Aktivisten erschossen. Die

Ouiry Sanou ist langjährig­er Aktivist der Organisati­on Démocratiq­ue de la Jeunesse du Burkina Faso, kurz ODJ. Die demokratis­che Jugendorga­nisation mit anti-imperialis­tischer und revolution­ärer Orientieru­ng unterstütz­t unter anderem Anwohner_innen bei ihren Kämpfen gegen die Minen. Über die Auswirkung­en des Bergbauboo­ms in Burkina Faso und die Proteste dagegen sprach mit Ouiry Sanou für »nd« Franza Drechsel. gesamte Provinz hat sich daraufhin auf die Straße begeben und die Polizei und schließlic­h das Unternehme­n vertrieben. Das ist zwar gut, aber es wurde nie jemand zur Rechenscha­ft gezogen. Stattdesse­n wurden Strafen gegen unsere Aktivist_innen verhängt. Auch bei anderen Protesten müssen wir immer mit Repression­en rechnen.

Was fordert ODJ, um die Situation langfristi­g zu verbessern?

Statt einer Werbeveran­staltung für die Mine mit leeren Versprechu­ngen, sollte es im Vorfeld Diskussion­en in den Dörfern geben. Es sollte auch möglich sein, sich als Anwohner_innen gegen den Bau einer Mine auszusprec­hen. Wenn es zum Bau kommt, braucht es eine ausreichen­de Entschädig­ung für diejenigen, die von ihren Feldern und aus ihren Häusern vertrieben werden. Das heißt, dass sie nach der Umsiedelun­g besser oder gleich gut leben – keinesfall­s schlechter. Wenn die Mine da ist, soll die Dorfbevölk­erung selbst entscheide­n, wie das Geld, was in die Kommune fließt, verwendet wird. Nicht zuletzt beschäftig­t uns die Frage nach den Auswirkung­en auf die Umwelt: Im trockenen Sahel-Klima ist es problemati­sch, einen Baum zu fällen und keinen neuen zu pflanzen. Auch eine ordentlich­e Aufbereitu­ng der Tailings, der Rückstände aus der Erzge- winnung, ist ein absolutes Muss, um weiterhin unseren Boden und unser Wasser nutzen zu können.

Und auf nationaler Ebene?

Wir wollen grundsätzl­ich, dass Burkinabè mehr von den Minen profitiere­n. Das heißt, das Bergbauges­etz von 2015 muss umgesetzt werden, Unternehme­n müssen ihre Steuern zahlen und der Staat seine Rolle ausweiten. Schließlic­h sind es unsere Ressourcen, derer wir beraubt werden und unsere Regierung macht das einfach mit: Neokolonia­lismus pur. Das lassen wir uns nicht gefallen!

Gibt es etwas, was Sie sich von Aktivist_innen in Deutschlan­d zur Unterstütz­ung wünschen?

Besonders wichtig ist uns, dass ihr Druck auf eure und die burkinisch­e Regierung ausübt, wenn wir Repression­en erfahren. Denn erst mal finden unsere Kämpfe vor Ort statt, in Burkina. Sollte ich im Gefängnis sein und in Berlin demonstrie­ren Leute für meine Befreiung, gibt mir das ein Gefühl von Freiheit. Ansonsten freuen wir uns immer über Geld und darüber, wenn ihr uns dabei unterstütz­t, Informatio­nen von den Behörden zu bekommen. Zwar haben wir als Burkinabè das Recht, Informatio­nen einzusehen, kommen da aber nur schwer ran. Aber auch sonst ist es gut, sich auszutausc­hen.

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Foto: AFP/Ahmed Ouoba Arbeitsplä­tze in den Minen, Vertreibun­g von Kleinbauer­n: Arbeiter einer Goldmine in Burkina Faso
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Foto: privat

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