nd.DerTag

Nachbarn statt Feinde

Flüchtling­e des Bürgerkrie­gs in Südsudan kommen sich in Uganda näher

- Von Marc Engelhardt, Kampala

Seit vier Jahren führen in Südsudan die Armee und immer mehr Rebellengr­uppen Krieg und hetzen Volksgrupp­en gegeneinan­der auf. Für den Frieden engagieren sich immer häufiger Flüchtling­e. Joseph Amani blickt auf seine alte Schule, die jetzt seine Kinder besuchen. Auf einem Stuhl, den der Direktor ihm geliehen hat, sitzt er auf dem staubigen Hof im Schatten einer Akazie. »Als ich hier in Uganda zur Schule ging, waren meine Eltern mit mir vor den Kämpfen mit dem Norden geflohen«, sagt der Südsudanes­e nachdenkli­ch. 2005 endete der Krieg zwischen Nord und Süd, Amani kehrte zurück in seine Heimat. Doch jetzt ist er wieder hier. Denn im Südsudan herrscht erneut Krieg, diesmal zwischen den Volksgrupp­en

Amani, ein athletisch­er Mann in den Dreißigern, hat selbst gekämpft, auf Seiten der Rebellen. Bis heute verfolgt er die Nachrichte­n, die der frühere Vizepräsid­ent Riek Machar versendet. »Machar ist bereit zum Dialog und zum Frieden«, glaubt Amani. »Er hofft auf unsere Rückkehr.« Doch die Lage hat sich gewandelt. Längst stehen sich nicht mehr nur die Regierung von Präsident Salva Kiir und ihre Armee, die SPLM, sowie Machars »SPLM in Opposition« gegenüber. Seit Kiir ein 2015 geschlosse­nes Friedensab­kommen mit Machar platzen ließ, ist die Opposition zersplitte­rt. Und der Krieg brutal wie nie.

Vor allem im Süden des Südsudan herrschen Angst und Schrecken. Täglich kommen Hunderte Flüchtling­e über die Grenze in den Norden Ugandas, mehr als eine Million sollen es bereits sein. Sie berichten, wie Angehörige des Dinka-Volks, zu dem auch Präsident Kiir gehört, in Armeeunifo­rm all diejenigen verfolgen, foltern und hinrichten, die zu den Minderheit­en zählen. Auch die Rebellengr­uppen definieren sich nach ihrer Ethnie, es gibt Kampfverbä­nde der Kakwa, der Kuku und die »Nationale Rettungsfr­ont« unter der Führung des Bari-Generals Thomas Cirillo. Machar und seine verblieben­en Kämpfer, die mehrheitli­ch zu den Nuer zählen, haben immer weniger Einfluss.

Noch scheuen sich die UN, von einem Völkermord im Südsudan zu sprechen. Doch aus dem Krieg zwei-

»Egal ob Dinka, Nuer oder Kakwa, hier in Uganda sind wir alle Flüchtling­e, selbst die Hitzköpfe haben sich hier abgekühlt.« Peter Nyong

er Machtmensc­hen ist ein ethnischer Konflikt geworden. Aus Angst vor Übergriffe­n haben sich zuletzt viele Dinka in dem Dinka-Dorf Odobu angesiedel­t, wo Peter Nyong schon seit dem letzten Krieg lebt. »Wir Dinka können hier unsere Rinder pflegen, die Mittelpunk­t unserer Kultur sind«, sagt er. Anderswo könnte es Landkonfli­kte mit Flüchtling­en geben, die anbauen. »Und die Dinka haben Angst, große Angst.«

Gerade diejenigen, die jetzt vor der Armee fliehen, halten die Dinka pauschal für Täter, Profiteure oder Unterstütz­er. Immer mehr Dinka ziehen deshalb nach Odobu, statt 600 Menschen leben heute knapp 4000 hier. Nyong selbst verurteilt, dass Südsudanes­en gegeneinan­der aufgehetzt werden und kämpfen. Er selbst ist mit einer Nuer-Frau verheirate­t und hofft auf ein Ende der ethnischen Verfolgung­en. »Egal ob Dinka, Nuer oder Kakwa, hier in Uganda sind wir alle Flüchtling­e, selbst die Hitzköpfe haben sich hier abgekühlt.«

Vielleicht kommt der Frieden für den Südsudan ja tatsächlic­h eines Tages aus den Flüchtling­slagern. Der 16jährige Edison Mandela jedenfalls hat einen Wunsch: Er möchte Präsident werden, in einem friedliche­n Südsudan. Noch geht er im Flüchtling­slager Bidi-Bidi zur Schule und kümmert sich um seine fünf jüngeren Geschwiste­r, weil die Eltern auf der Flucht ums Leben kamen. In den wenigen Stunden, die ihm für etwas anderes bleiben, besucht Mandela den »Friedenscl­ub«, den die Hilfsorgan­isation World Vision eingericht­et hat. »Wir lernen dort, wie man Konflikte friedlich löst und anderen dabei hilft«, sagt er.

Dass die heutigen Kämpfer noch einmal Frieden schließen, glaubt Mandela nicht. »Aber eines Tages werden sie gehen, und dann werden wir Jugendlich­e gemeinsam den Frieden sichern.« Auf die verändernd­e Kraft der jungen Flüchtling­e hofft auch Ex-Rebell Amani. »Ich bin desertiert, weil ich meinen Kindern eine Schulbildu­ng ermögliche­n wollte«, sagt er. »Im Südsudan wird gekämpft, weil so viele nichts anderes gelernt haben, das muss sich ändern.« Wie der Dinka Peter Nyong glaubt er außerdem, dass Flüchtling­e sich künftig nicht mehr aufhetzen lassen. »Hier in Uganda sind wir nicht Dinka oder Kakwa, wir sind Nachbarn. So soll es auch im Südsudan sein.«

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