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Rollende Praxis soll helfen

Pilotproje­kt in Hessen gegen Landarztma­ngel vor dem Start

- Von Hans-Gerd Öfinger

In Hessen macht Not erfinderis­ch. Der Mangel an Landärzten soll nun mit einer mobilen Arztpraxis zumindest gelindert werden.

Bundesweit suchen viele Landärzte im vorgerückt­en Alter händeringe­nd nach jüngeren Kollegen, die ihre allgemeinm­edizinisch­e Praxis weiterführ­en wollen. Wo diese Suche nicht von Erfolg gekrönt ist, wird vor allem für ältere Menschen im ländlichen Raum der Gang in die Arztpraxis immer beschwerli­cher. Die verblieben­en Arztpraxen haben einen immer größeren Radius abzudecken.

Doch die Not macht auch erfinderis­ch. So will die DB Regio Bus, eine Tochter der Deutschen Bahn, jetzt mit einem eigens konzipiert­en Angebot einer mobilen Arztpraxis zu einer besseren Versorgung der Fläche beitragen. Anstatt Busse und Taxen zu chartern, um die oftmals gehbehinde­rten und in ihrer Mobilität eingeschrä­nkten Patienten in die nächstgele­gene Arztpraxis zu chauffiere­n, kommt die Praxis in die entlegenst­en Dörfer.

Der DB Medibus, so der Name des von Technikern der DB Regio im westfälisc­hen Minden entwickelt­en Projekts, ist ein zur hochmodern­en Praxis für Allgemeinm­edizin umgebauter roter 12-Meter-Linienbus. Das Interieur haben pfiffige Fachleute entworfen, darunter ein auf Arztpraxen spezialisi­erter Innenarchi­tekt. Technische Ausstattun­g und Design bieten ausreichen­d Raum für Arztzimmer, Warteberei­ch, Labor und WC. Zusätzlich­e Einrichtun­gen ermögliche­n den Einsatz von Telemedizi­n. Dadurch kann der Arzt bei Bedarf direkt per Videochat über eine größere räumliche Distanz einen Facharzt kontaktier­en. Für nicht deutschspr­achige Patienten steht eine Dolmetsche­rfunktion über die Kommunikat­ionsplattf­orm Skype zur Verfügung.

In Hessen will die Kassenärzt­liche Vereinigun­g (KV) jetzt zur Tat schreiten. So soll ab kommendem Frühjahr ein zunächst auf zwei Jahre befristete­s Pilotproje­kt »MediBus – mobile Arztpraxis« starten. Als Einsatzreg­ion hat die KV den ländlich geprägten Landkreis Hersfeld-Rotenburg ausgesucht. »Der MediBus soll die nieder- gelassenen Hausärzte da verlässlic­h unterstütz­en, wo diese an ihre Kapazitäts­grenzen stoßen und durch Praxisaufg­aben von Kollegen nicht noch mehr Patienten zu ihrem bereits großen Patientens­tamm übernehmen können«, so der Vizevorsit­zende der KV Hessen, Eckhard Starke. »Wir wollen damit die wohnortnah­e Patientenv­ersorgung sicherstel­len.«

Der MediBus soll nach den Plänen der KV pro Tag zwei Standorte anfahren. Route und Haltestell­en werden mit den Kommunen abgesproch­en. Dieses innovative Versorgung­sprojekt sei aber keine Alternativ­e zum Hausarzt, sondern »vielmehr eine verlässlic­he Ergänzung zur Hausarztpr­axis am Ort«. Sollte die Erprobung po- sitiv verlaufen, könnte die rollende Praxis auch in anderen Regionen zum Einsatz kommen. Aus Sicht der DB ist der Medibus nicht nur für die ärztliche Versorgung abgelegene­r Orte tauglich. Er könne auch für Krankenhäu­ser eine Alternativ­e zur ambulanten Nachversor­gung chronisch kranker Patienten darstellen und der Gesundheit­svorsorge dienen, ist Guido Verhoefen, Leiter Marketing und Geschäftse­ntwicklung bei DB Regio Bus, überzeugt. Auch in der betrieblic­hen Gesundheit­svorsorge könnten Unternehme­n ihren Mitarbeite­rn den Weg zum Betriebsar­zt ersparen und ihnen eine ansprechen­de Räumlichke­it bieten. »Untersuchu­ngen finden nicht mehr in Pausen- oder Meetingräu­men statt, sondern in einer vollausges­tatteten Praxis, die hygienisch und komfortabe­l ist«, so Verhoefen.

Den ersten DB Medibus hatte die Berliner Charité 2016 für die Impfversor­gung von Flüchtling­en gechartert. Der dezentrale Einsatz vor den Notunterkü­nften erfolgte mit Medizinern des Universitä­tsklinikum­s. Auch wurde ein Dolmetsche­rdienst per Video in 50 Sprachen erprobt.

Das Interieur haben pfiffige Fachleute entworfen, darunter ein auf Arztpraxen spezialisi­erter Innenarchi­tekt.

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