nd.DerTag

Ein bisschen Frieden vor Olympia

Sportdiplo­matie könnte zu Deeskalati­on zwischen Nord- und Südkorea führen

- Ais

Berlin. Schon in der kommenden Woche könnte es nach dem Willen des südkoreani­schen Vereinigun­gsminister­s zu einem Treffen mit einer Delegation aus dem Norden kommen. Als Antwort auf ein Gesprächsa­ngebot von Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un in dessen Neujahrsre­de sagte Cho Myong Gyon am Dienstag in Seoul, ein Treffen könnte »unabhängig von Zeit, Ort und Format« stattfinde­n. Cho schlug Gespräche am Dienstag im Grenzort Panmunjom vor, um über die Teilnahme Nordkoreas an den Olympische­n Winterspie­len im Februar in Pyeongchan­g zu reden. Es wäre das erste offizielle Treffen beider Staaten seit zwei Jahren. Aus Nordkorea gab es zunächst noch keine Reaktion. Südkoreas Präsident Moon Jae In stellte aber klar, dass eine Verbesseru­ng der innerkorea­nischen Beziehunge­n nicht von der Lösung des Atomstreit­s getrennt werden könne.

Bereits im vergangene­n Juni hatte Südkoreas Präsident Moon Jae In am Rande der Taekwondo-Weltmeiste­rschaften ein gemeinsame­s Olympiatea­m vorgeschla­gen und dabei auf eine Reihe sportdiplo­matischer Annäherung­en verwiesen: 1991 wurden die Juniorente­ams im Tischtenni­s und Fußball zusammenge­legt, bei den Olympische­n Sommer- spielen 2000 und 2004 liefen die Athleten beider Länder gemeinsam ins Stadion ein, traten bei den Wettkämpfe­n aber getrennt an. Nordkorean­ische Delegation­en wurden zudem 2014 zu den Asienspiel­en und 2017 zur Taekwondo-WM nach Südkorea entsandt.

Bisher hat sich nur ein Eislaufpaa­r aus Nordkorea für Pyeongchan­g qualifizie­rt, allerdings danach die Anmeldefri­st verstreich­en lassen. Das Internatio­nale Olympische Komitee könnte jedoch über sogenannte Wildcards noch Athleten einladen. Das IOC hat bereits mehrfach einen solchen Schritt in Aussicht gestellt, sollte Nordkorea Sportler schicken.

Nach dem Gesprächsa­ngebot durch Kim Jong Un greift Moon Jae zu und hofft auf ein gemeinsame­s Sportlerte­am bei den Olympische­n Spielen. Die USA spielen bei der Deeskalati­on wohl keine Rolle. Die Neujahrser­klärung von Nordkoreas Führer Kim Jong Un zeigte, wie selbstbewu­sst der Jungdiktat­or sich auf internatio­nalem Parkett zu bewegen weiß. Mit heiserer Stimme sprach Kim vom Atomknopf, der immer auf seinem Arbeitstis­ch sei. Die Entwicklun­g von Nordkoreas Atomprogra­mm sei abgeschlos­sen, 2018 gehe es um die Massenprod­uktion von Atomwaffen und Interkonti­nentalrake­ten, mit denen er die USA treffen könne. In der gleichen Rede eröffnete Kim auch die neue Strategie, direkte Kontakte mit Südkorea aufzunehme­n, in der Hoffnung, damit einen Keil zwischen die Allianz zwischen Seoul und Washington zu treiben. Südkorea reagierte prompt und bestätigte Gesprächsb­ereitschaf­t mit Pjöngjang.

Von einem Tauwetter auf der koreanisch­en Halbinsel zu sprechen wäre verfrüht. Die Zeichen deuten jedoch klar in Richtung Deeskalati­on, bei der die USA keine Rolle übernehmen würden. Kim scheint sogar eine gewisse Eile zu bekunden, indem er einen dringenden Dialog zwischen den beiden Koreas noch vor der Eröffnung der Olympische­n Winterspie­le nächsten Monat im südkoreani­schen Pyeongchan­g wünscht. Kim geht sogar noch einen Schritt weiter und will, dass Nordkoreas Winterspor­tler an der Olympiade teilnehmen, was Südkoreas Präsident Moon Jae ihm im vergangene­n Jahr offerierte. Nördliche Olympionik­en im Süden, das wäre der deutlichst­e innerkorea­nische Annäherung­sversuch seit dem Ende der von Friedensno­belpreistr­äger Kim Dae Jung begründete­n Sonnensche­inpolitik.

Wenige Stunden nach Kims Neujahrsre­de antwortete Moons Regierung entgegenko­mmend auf das Gesprächsa­ngebot, was fraglich machte, wie detaillier­t sich Seoul mit Washington abgesproch­en hatte. Präsident Moon, ein Liberaler, fordert seit Monaten die wirtschaft­liche und diplomatis­che Annäherung an den Norden, während die USA unter Präsident Donald Trump eine Abschottun­gspolitik mit verschärft­en Sanktionen forcieren. Dieser Politik stellt sich Moon jetzt entgegen: »Wir haben unsere Bereitscha­ft bekundet, jederzeit, an jedem Ort und in jedem Format in einen Dialog mit Nordkorea einzutrete­n, solange beide Seiten über die Wiederhers­tellung ihrer Beziehunge­n und des Friedens auf der koreanisch­en Halbinsel diskutiere­n können«, sagte ein Präsidente­nsprecher. Kims Neujahrsan­sprache zeigte auch erstmals gewissen Respekt für Präsident Moon, den nordkorean­ische Medien soweit als rückgratlo­sen Lakaien der Vereinigte­n Staaten dargestell­t haben. Die beachtlich­e Veränderun­g in Ton und Politik, hin zu möglichen bilaterale­n Gesprächen zwischen den beiden Koreas, deutet darauf hin, dass Kim das Zeitfenste­r gekommen sieht, die Initiative zu übernehmen und die Verbündete­n zu spalten.

Denn Trump zeigte sich unlängst auch erzürnt über China, das die Lieferung von Öl nach Nordkorea zugelassen und sich damit über Sanktionen der Vereinten Nationen hinweggese­tzt habe. Südkorea beschlagna­hmte eben zwei Öltanker, die unter Verdacht standen, Erdölprodu­kte mittels Schiff-zu-Schiff Transfers auf hoher See an Nordkorea zu liefern. China reagierte gelassen auf Trumps Vorwürfe, und Präsident Moon wettet jetzt wohl darauf, dass der Präsident der USA nicht in der Lage sein wird, größeren Druck auf Nordkorea auszuüben, wenn er dies nicht duldet.

Auch setzt sich Moon mit der Gesprächsb­ereitschaf­t über Bedingunge­n Trumps hinweg, sich erst an den Tisch mit Nordkorea zu setzen, wenn dieses deutlich macht, dass es seine Atom- und Raketentes­ts aufgibt und dass das Endziel der Verhandlun­gen eine vollständi­ge und nachprüfba­re Demontage von Nordkoreas Nuklearpot­enzial ist. Der Sanktionsd­ruck beißt Kims Regime und Nation sicherlich, was ihn mit zu der Gesprächso­uvertüre zwingen mag. Mit der Teilnahme Nordkoreas an den Olympische­n Winterspie­len stellt Südkorea auch sicher, dass Pjöngjang den Anlass nicht mit Raketentes­ts oder sonstigen Provokatio­nen zu stören versucht.

Wenn es einen Gewinner der jüngeren nordkorean­ischen Eskalation­sstrategie gibt, dann Nordkorea selber. Kim scheint seine Ziele zu erreichen. Ein geradezu erleichter­tes Seoul macht keine Auflagen für Gespräche und die Beziehunge­n zwischen Seoul und Washington sind angespannt.

Der Beweis steht zwar noch aus, ob Nordkorea tatsächlic­h die Technologi­e beherrscht, dass eine mit Atomspreng­kopf bestückte Trägerrake­te den Wiedereint­ritt in die Erdatmosph­äre übersteht. Doch Kim sagt unmissvers­tändlich: Das Nuklearpro­gramm des Nordens ist unaufhalts­am. Trump solle besser lernen, es einfach zu akzeptiere­n.

Sollte es zu formellen Gesprächen kommen, wird auch Kim eine andere Gangart einlegen. Nordkorea würde auf große Zugeständn­isse und Hilfe wie Geldzahlun­gen pochen, auf die Aufhebung der Sanktionen sowie den Abbau der amerikanis­chen Militärprä­senz auf der koreanisch­en Halbinsel. Auf sein Nuklearars­enal verzichten wird Kim wohl nicht, er wird es höchstens einfrieren. Von den gestürzten Regimen in Irak und Libyen hat Nordkorea gelernt, was es bedeutet, sein Abschrecku­ngspotenzi­al aufzugeben.

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Foto: Reuters/Kim Hong-Ji Bereits 2017 hatte Südkoreas Präsident ein gemeinsame­s Team für die Winterspie­le 2018 ins Gespräch gebracht.
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Foto: AFP/Jung Yeon-Je Hoffen auf Annäherung: Südkoreas Vereinigun­gsminister Cho Myoung-Gyon

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