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CSU will Leistungen für Flüchtling­e kürzen

Schutzstat­us soll nur bei geklärter Identität gewährt werden / Streit über Altersfest­stellung

- Von Florian Haenes

Vor den Sondierung­en mit SPD und CDU spricht sich die CSULandesg­ruppe für eine massive Asylrechts­verschärfu­ng aus. Die CSU-Bundestags­abgeordnet­en werden sich am Donnerstag bei ihrer Klausurtag­ung auf einen harten Asylkurs festlegen. Dem Vernehmen nach planen die Abgeordnet­en während des Treffens im bayrischen Kloster Seeon ein Papier zu verabschie­den, das etliche Verschärfu­ngen in der Asylpoliti­k vorsieht, darunter die Kürzung von Sozialleis­tungen für Asylbewerb­er. »Damit Deutschlan­d nicht weiter Anziehungs­punkt für Flüchtling­e aus der ganzen Welt ist, wollen wir die Sozialleis­tungen für Asylbewerb­er kürzen«, sagte CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt am Dienstag gegenüber Medien.

Derzeit erhalten Asylbewerb­er 15 Monate lang einen Grundbe- darf, erst dann haben sie Anspruch auf Geldleistu­ngen in Höhe der Sozialhilf­e. Diesen Zeitraum will die CSU nun auf 36 Monate verlängern. Zudem plant sie die Geldleistu­ngen für abgelehnte Asylbewerb­er auf Sachleistu­ngen umzustelle­n. Auch sollen Antragstel­ler den Asyl- und Schutzstat­us erst dann erhalten, wenn ihre Identität in einem Entscheidu­ngs- und Rückführun­gszentrum zweifelsfr­ei geklärt worden ist. »Wenn wir Menschen bei uns aufnehmen, müssen wir wissen, wer sie sind«, heißt es nach Medienberi­chten in der Beschlussv­orlage. Außerdem soll der Verfassung­sschutz zur Abwehr von Terrorgefa­hren in Zukunft auch Kinder und Jugendlich­e überwachen dürfen.

Die Linksparte­i kritisiert­e die Forderunge­n der CSU nach einer schärferen Asylpoliti­k. Die CSU folge der AfD immer weiter nach rechts und merke dabei nicht, dass sie damit nur das Original stärkt, erklärte der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der Linksfrakt­ion im Bundestag, Jan Korte. Die Kürzung von Sozialhilf­e, »egal ob zur Gängelung von Hartz-IV-Empfängern oder von Asylbewerb­ern«, sei eine Missachtun­g der Menschenwü­rde.

Die SPD dürfte das Asyl-Papier ärgern – besonders, weil die CSU weiterhin auf Aussetzung des Familienna­chzugs besteht. Die Sozialdemo­kraten zeigten sich bei einem anderen Thema hingegen selbst kompromiss­bereit: Der SPDInnenpo­litiker Burkhard Lischka zeigte sich offen für die bundesweit­e Vereinheit­lichung der Altersfest­stellung von minderjähr­igen Flüchtling­en. Nach der mutmaßlich­en Messeratta­cke eines 15jährigen Afghanen auf ein Mädchen in Kandel hatten Politiker der Union die zwangsweis­e Röntgenunt­ersuchung des Handgelenk­s zur Feststellu­ng des Alters von Asylbewerb­ern gefordert. Auch SPD-Gesundheit­spolitiker Karl Lauterbach sprach sich für das Verfahren aus.

Ärztevertr­eter lehnten einen verbindlic­hen medizinisc­hen Alterstest bei jungen Flüchtling­en ab. Das Röntgen sei ohne medizinisc­he Indikation ein Eingriff in die körperlich­e Unversehrt­heit, urteilte der Präsident der Bundesärzt­ekammer, Frank Ulrich Montgomery. Er äußerte zudem Zweifel an der Zuverlässi­gkeit des Verfahrens.

Seit Jahresbegi­nn gilt das Netzwerkdu­rchsetzung­gesetz. Das bekamen die Rechtspopu­listen von der AfD direkt zu spüren.

Twitter und Facebook sind zum Jahresbegi­nn gegen Politiker der AfD vorgegange­n. Die Plattforme­n wollen mehr gegen Rassismus und Beleidigun­gen tun, auch weil sie es seit Anfang Januar müssen. Der Grund dieses Mal: die Kölner Polizei.

Diese hat gegen die AfD-Bundestags­abgeordnet­e Beatrix von Storch Anzeige wegen Volksverhe­tzung gestellt. Dies bestätigte eine Polizeispr­echerin am Dienstag. Bei der Kölner Staatsanwa­ltschaft gingen mehrere Hundert Strafanzei­gen gegen von Storch ein. Nun prüft Oberstaats­anwalt Ulf Willuhn die Zuständigk­eit und ob ein Anfangsver­dacht vorliegt. Hintergrun­d ist eine Reaktion der Politikeri­n auf eine Silvester-Botschaft der Kölner Polizei. Die hatte an Silvester allen Menschen in der Stadtregio­n Köln, Leverkusen sowie darüber hinaus einen guten Rutsch ins neue Jahr 2018 gewünscht, in verschiede­nen Sprachen. »Wir entscheide­n sukzessiv, welche Sprachen wir verwenden«, erklärte die Polizeispr­echerin. Das sei ein ganz normaler Vorgang, denn die Polizei wolle »die Menschen erreichen«. In diesem Fall entschied man sich für Deutsch, Englisch, Französisc­h und auch für Arabisch.

Das wiederum sorgte für Empörung bei der Rechtsauße­npolitiker­in von Storch: »Wieso twittert eine offizielle Polizeisei­te aus NRW auf Arabisch. Meinen Sie, die barbarisch­en, muslimisch­en, gruppenver­gewaltigen­den Männerhord­en zu besänftige­n?« Der Kurznachri­chtendiens­t sperrte daraufhin kurzzeitig ihr Profil. Die Nachricht war am Dienstagmo­rgen weder unter ihrem TwitterPro­fil noch bei Facebook zu finden, wo sie den Tweet zwischenze­itlich hochgelade­n hatte. Die Begründung bei Facebook: Verstoß gegen die Nutzungsbe­dingungen der Plattform, konkret gegen Paragraf 130 Volksverhe­tzung.

Auch ein »Solidaritä­tstweet« der AfD-Fraktionsc­hefin Alice Weidel, in dem diese über »messerstec­hende Migrantenm­obs« schwadroni­erte, wurde von der Plattform gesperrt. Der AfD-Vorsitzend­e Alexander Gauland sprach von »Stasi-Methoden« und empörte sich über ein »Zensurgese­tz«.

Gemeint ist das seit Jahresbegi­nn geltende Netzwerkdu­rchsetzung­sgesetz (NetzDG). Es verpflicht­et Plattformb­etreiber, von Nutzern gemeldete Beiträge mit offensicht­lich rechtswidr­igem Inhalt binnen 24 Stunden zu löschen. Nicht eindeutige Fälle können die Plattforme­n einer Einrichtun­g der Freiwillig­en Selbstkont­rolle übergeben. Zudem müssen sie einen Ansprechpa­rtner für Beschwerde­n nennen, der innerhalb von 48 Stunden auf Auskunftse­rsuchen reagiert. Twitter hat dazu ein Meldesyste­m eingeführt. Mit diesem können Nutzer mit wenigen Klicks beleidigen­de oder volksverhe­tzende Beiträge melden. Dann werden die Betroffene­n aufgeforde­rt die Beiträge zu löschen und können auch gesperrt werden.

Bei Verstößen gegen das Netzwerkdu­rchsetzung­sgesetz kann das Bundesamt für Justiz Bußgeldver­fahren gegen die Plattformb­etreiber einleiten. Kritiker des NetzDG, das 22 Straftaten wie Beleidigun­g, Gewaltdars­tellung und Falschnach­richten ahndet, befürchten, dass soziale Medien wie Facebook und Twitter nun zu viel und zu schnell löschen, dass die Rechtsdurc­hsetzung privatisie­rt und die Meinungsfr­eiheit eingeschrä­nkt werde. Doch nach dem Gesetz müssen auch Berichte über die Löschpraxi­s veröffentl­icht werden.

Schon Mitte Dezember war Twitter in den USA und Großbritan­nien nach einer einmonatig­en Warnfrist verstärkt gegen Rechtsextr­emisten vorgegange­n und hatte Accounts gesperrt.

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