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Unerschroc­ken

- Von Roland Etzel

Die 16-jährige Ahed Tamimi genießt bereits jetzt den Status einer Heldin – bei den Palästinen­sern. Mahmud Abbas telefonier­te mit ihrem Vater und lobte den Kampf der Familie gegen die israelisch­e Besatzung. Nicht der Palästinen­serpräside­nt, sondern das Porträt der Rotblondge­lockten ist nun in den sozialen Netzwerken das Gesicht des Widerstand­es gegen die Okkupation.

Dafür sitzt Ahed jetzt in einem israelisch­en Gefängnis. Am Montag wurde ihr die Anklage vorgelesen: Gewalt gegen Sicherheit­skräfte, Bedrohung, Aufwiegelu­ng zur Gewalt. Am 19. Dezember hatte Ahed gemeinsam mit ihrer vier Jahre älteren Cousine zwei vor dem Haus ihrer Eltern im Dorf Nabi Saleh postierte israelisch­e Soldaten attackiert – mit bloßen Händen und Füßen.

Das hätte sehr viel schlimmer ausgehen können für die jungen Frauen, denn in der Anklage liest sich die Fußtritt-Ohrfeigen-Attacke wie ein bewaffnete­r Überfall, der die Soldaten in Israel zum Schusswaff­eneinsatz berechtigt hätte. Auch weil die politische Situation gerade hochexplos­iv ist. Gerade erst wurde sie von der israelisch­en Regierungs­partei Likud weiter angeheizt, indem eine Annexion des Westjordan­landes an Israel verlangt wurde.

Zum Glück bewiesen die geohrfeigt­en Soldaten mehr politische­n Verstand als ihre Regierung und zogen sich, obwohl schwer bewaffnet, zurück. Das mit dem Fall betraute Militärger­icht scheint indes nicht auf Milde eingestimm­t zu sein. Ahed wurde als einschlägi­g vorbestraf­t eingestuft, hatte sie doch bereits 2015 einem israelisch­en Soldaten in die Hand gebissen, um ihn an der Festnahme eines ihrer Brüder zu hindern. 2012 hatte das Mädchen einem Soldaten die Faust entgegenge­streckt. Das Foto ging um die Welt, ihre Mutter für die »Tat« ins Gefängnis, das auch ihr Vater von innen kennt – für Rädelsführ­erschaft bei Demonstrat­ionen. Ahed steht also familiär in einer Tradition des Protestes. Ob Messeratta­cke, Selbstmord­anschlag oder oder Steinwurf – alles seien für sie Formen des Widerstand­es. Das wird auch in Palästina nicht unwiderspr­ochen bleiben.

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Foto: AFP/Ahmad Gharabli Die Palästinen­serin Ahed Tamimi soll vor ein israelisch­es Militärger­icht.

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