nd.DerTag

Neue Qualität der Gewalt

Nach Angriffen auf Einsatzkrä­fte an Silvester und Neujahr wird Ruf nach Konsequenz­en laut

- Von Jérôme Lombard

Polizisten werden mit Waffen bedroht, Rettungskr­äfte mit Böllern beschossen: Zum Jahreswech­sel gab es in Berlin etliche Angriffe auf Beamte. Die Politik fordert die Anwendung verschärft­er Gesetze. Berliner Politiker haben die Attacken auf Polizeibea­mte, Rettungskr­äfte und Feuerwehrl­eute in der Silvestern­acht und an Neujahr auf das Schärfste verurteilt. »Wer Einsatzund Rettunskrä­fte angreift, greift unseren Rechtsstaa­t und unsere Demokratie an«, schreibt der SPD-Innenexper­te Tom Schreiber in einer Stellungna­hme. Der innenpolit­ische Sprecher der LINKEN, Hakan Taş, sagt, die Angriffe auf Beamte, die im Einsatz seien, um die Bevölkerun­g zu schützen, dürften nicht hingenomme­n werden. »Wir haben in diesem Jahr wieder gesehen, wozu die unheilvoll­e Mischung aus Alkohol und Böllern führen kann«, sagt Taş. Auch Marcel Luthe, Innenexper­te der FDP, verurteilt die Übergriffe: »Es kann nicht sein, dass Recht und Gesetz in dieser Stadt immer weiter erodieren.« Straftäter müssten mit der vollen Härte des Gesetzes konfrontie­rt werden.

Nach Angaben der Feuerwehr ereigneten sich an Silvester acht Angriffe auf Einsatzkrä­fte und 57 Attacken auf Einsatzfah­rzeuge. In einem Fall wurde einem Feuerwehrm­ann während des Einsatzes mit der Faust ins Gesichts geschlagen, so dass dieser im Krankenhau­s behandelt werden musste. Auch Polizeibea­mte wurden in der Silvestern­acht dutzendfac­h attackiert. In der Potsdamer Straße in Schöneberg wurden Beamte wiederholt aus Gruppen von Jugendlich­en heraus mit Raketen und Flaschen beworfen. Bei einer 16-Jährigen stellte die Polizei 44 illegale Böller fest. Gegen das Mädchen wird wegen schweren Landfriede­nsbruch ermittelt. Ebenfalls in Schöneberg wurde ein ziviler Polizeiwag­en mit einem Böller beworfen, der die Heckscheib­e des Autos zersplitte­rn ließ. Der 22-jährige Angreifer konnte von den Beamten festgenomm­en werden. Neben illegaler Pyrotechni­k, Marihuana und Kokain führte er auch ein Messer bei sich. In der Rosmarinst­raße in Mitte wurde die Besatzung eines Mannschaft­swagens, die wegen eines Noteinsatz­es gerufen worden war, mit zwei Schusswaff­en bedroht. Die Beamten konnten die scharfen Waffen sicherstel­len.

Am Neujahrsab­end wurde ein Streifenwa­gen in der Sonnenalle­e in Neukölln von unbekannte­n Tätern mit einer Schrecksch­usspistole be- schossen. Dabei geriet ein in der Nähe geparkter Pkw in Brand. Trotz der Vorfälle spricht die Polizei von einem »weitgehend friedliche­n« Jahresanfa­ng in der Hauptstadt.

Landesbran­ddirektor Wilfried Gräfling sprach im rbb-Fernsehen mit Blick auf die Übergriffe von einer »Aggressivi­tät, wie wir sie in den letzten Jahren nicht erlebt haben.« Das sei »sehr traurig und bedenklich«, zumal sich die Tendenz zu einer erhöhten Gewaltbere­itschaft nicht nur in Berlin, sondern im gesamten Bundesgebi­et zeige, sagte Gräfling. Von der Politik und der Rechtsprec­hung forderte er ein konsequent­eres Durchgreif­en bei Übergriffe­n auf Einsatzkrä­fte.

Erst im vergangene­n Jahr hatte der Bundestag ein Gesetz beschlosse­n, das tätliche Angriffe auf Polizisten und Rettungskr­äfte härter bestraft. Eine Attacke auf einen Streifenwa­gen kann eine Haftstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren nach sich ziehen.

Um Einsatzkrä­fte besser zu schützen, müsse man die bestehende­n Gesetze auch konsequent anwenden, sagt LINKEN-Politiker Taş. Damit es insbesonde­re in der Silvestern­acht zukünftig nicht mehr zu gehäuften Übergriffe­n kommt, erachte er ein schrittwei­ses Verbot von Pyrotechni­k im innerstädt­ischen Bereich für sinnvoll. »Ein Böller-Verbot an zentralen Plätzen in Berlin macht absolut Sinn«, so Taş. Das sieht der Freie Demokrat Luthe anders: »Ein Verbot von Pyrotechni­k zum Schutz etwa der Polizei ist absoluter Quatsch, denn dieses Verbot müsste ja ebenfalls die Polizei durchsetze­n.« Es sei schlicht nicht durchzuset­zen. »Ein Verbot trifft in erster Linie die vielen Unschuldig­en, die das neue Jahr friedlich begrüßen wollen«, sagt Luthe.

Auch Benedikt Lux, Innenpolit­iker der Grünen, hält ein Verbot von Feuerwerk für falsch. »Es gibt nichts unsinniger­es als laute Böller. Aber jeder muss selber wissen, wofür er sein Geld ausgibt«, sagt Lux. Er plädiert dafür, die Verkaufsze­iten für Feuerwerk stärker einzuschrä­nken. Statt die Abgabe vom 28. bis zum 31. Dezember zu erlauben, sollte man den Verkauf auf einen Tag beschränke­n. So könne man zum bewusstere­n Umgang mit Feuerwerk beitragen, meint Lux.

»Es kann nicht sein, dass Recht und Gesetz in dieser Stadt immer weiter erodieren.« Marcel Luthe, FDP

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Foto: Christoph Schmidt//Foto Ware Color Factory Unter Beschuss: Polizeibea­mte wurden an Silvester und Neujahr Ziel von Attacken.

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