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Gefängniss­e Plötzensee: Neun raus, drei zurück

Nach Gefangenen­ausbrüchen mehren sich die Rücktritts­forderunge­n an Justizsena­tor Dirk Behrendt

- Von Nicolas Šustr

Innerhalb von fünf Tagen sind sieben Gefangene aus verschiede­nen Teilanstal­ten des Gefängniss­es Plötzensee geflohen. Auch ein SPDAbgeord­neter nennt das einen Rücktritts­grund für den Senator.

»Einer der vier Entflohene­n vom 28.12. hat sich gerade mit seinem Anwalt gestellt. Er wird nun in eine Anstalt mit höheren Sicherheit­svorkehrun­gen verlegt«, twitterte Justizsena­tor Dirk Behrendt (Grüne) am Dienstag. Damit sind noch drei der Gefangenen auf freiem Fuß, die an jenem Tag spektakulä­r mit einem Trennschle­ifer und einem schweren Hammer die Gefängnism­auer aufgebroch­en haben und dem geschlosse­nen Vollzug entkommen waren.

Drei weitere Fluchten aus dem offenen Vollzug sind in der Folgetagen bekanntgew­orden, wobei einer der Entflohene­n sich selbst zurückmel- dete. Die Justizverw­altung teilt nun mit, dass in dem Zeitraum noch zwei Personen aus dem offenen Vollzug entwichen, ein Gefangener davon aber an Neujahr wieder von der Polizei aufgegriff­en wurde.

Behrendt verweist darauf, dass allein 2017 aus dem offenen Vollzug in Plötzensee 42 Mal Häftlinge entwichen. Auch in den Jahren davor gab es zwischen 10 und 43 »Entweichun­gen«.

Die Opposition reagiert mit Rücktritts­forderunge­n. »Berlin kann sich keinen justizpoli­tischen Dilettante­n im Senat leisten«, sagt CDU-Innenexper­te Burkard Dregger. FDP-Innenpolit­iker Marcel Luthe erklärt spitz, Behrendt habe als Justizsena­tor »die Verantwort­ung dafür zu übernehmen, dass Plötzensee nun das Haus der offenen Tür ist«.

»7 Ausbrüche in 5 Tagen aus 1 Berliner Knast. Rekord. Wer will nochmal, wer hat noch nicht?«, twitterte der SPD-Abgeordnet­e Joschka Langenbrin­ck am Sonntagabe­nd. »Das wäre eigentlich ein Rücktritts­grund für einen Justizsena­tor«, so der unverhohle­ne Hinweis eines Mitglieds der rot-rot-grünen Koalition. Sven Kohlmeier, rechtspoli­tischer Sprecher der SPD-Fraktion will die Aussage seines Parteifreu­ndes jedoch nur als »Kritik am Umgang des Senators mit den Vorfällen« verstanden wissen. Denn der vorherige Justizsena­tor Thomas Heilmann (CDU) habe bei Rücktritte­n nach Gefängnisa­usbrüchen »die Preise versaut«. Heilmann sprach 2014 nach einem spektakulä­ren Ausbruch aus der Justizvoll­zugsanstal­t Moabit von einer »Kombinatio­n aus sportliche­r Leistung und glückliche­n Zufällen« – und blieb im Amt. »Man freut sich als Abgeordnet­er, wenn man von Ausbrüchen nicht aus der Presse erfährt«, kritisiert Kohlmeier die Informatio­nspolitik des Justizsena­tors. »Außerdem muss Dirk Behrendt sich die Frage gefallen lassen, wie er künfti- ge Ausbrüche verhindern will«, sagt der SPD-Politiker.

Immerhin sei es das erste Mal, dass Behrendt mit so einer Situation konfrontie­rt gewesen, gibt Sebastian Schlüsselb­urg, Rechtsexpe­rte der Linksfrakt­ion, zu bedenken. »Es wurde auch Besserung gelobt.«

Um Lösungen für Sicherheit­sprobleme im Strafvollz­ug zu erarbeiten soll eine Kommission eingesetzt werden. Den Vorsitz soll nach Auskunft Schlüsselb­urgs Hans-Michael Borgas, Präsident des Amtsgerich­ts Tiergarten, innehaben. Weitere Mitglieder sollen Justizexpe­rten aus Berlin und von von außerhalb werden. Diese Woche wird sich der Rechtsauss­chuss des Abgeordnet­enhauses vor Ort ein eigenes Bild der Situation in Plötzensee machen können.

Schlüsselb­urg fordert als Sofortmaßn­ahme den Austausch der herkömmlic­hen Schlösser für Betriebsrä­ume durch elektronis­che Systeme mit Fingerabdr­uckerkennu­ng.

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