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Patenschaf­ten für Wörter und Satzzeiche­n

Das Kleist-Museum in Frankfurt (Oder) bittet um Spenden, um einen Brief des Dichters ankaufen zu können

- Von Jeanette Bederke dpa

Dichter Heinrich von Kleist schrieb 1803 an seine Halbschwes­ter Ulrike. Das Kleist-Museum möchte den Brief gern erwerben. Es sind lediglich sieben Zeilen, eng und nur schwer lesbar geschriebe­n. Die Buchstaben scheinen nach rechts umzufallen. Doch das vergilbte Schriftstü­ck, das mit den Worten »Und nun küsse in meinem Namen« beginnt, ist wertvoll. Stammt es doch von dem Dichter Heinrich von Kleist, der 1803 von Leipzig aus an seine Halbschwes­ter Ulrike in Frankfurt (Oder) schrieb. Das Kleist-Museum in seiner Geburtssta­dt möchte diese Handschrif­t erwerben. In Ermangelun­g eines eigenen Aufkaufeta­ts hat es die Bevölkerun­g um Mithilfe gebeten. Bis Ende 2017 vermittelt­e das Museum unter dem Motto »Ein Stück Kleist« für 35 bis 150 Euro Patenschaf­ten für Wörter, Zahlen und Satzzeiche­n des Briefes. Die Paten erhalten ein Faksimile des Briefabsch­nittes inklusive einer Umschrift, aufbereite­t in einem Passeparto­ut.

»Die Resonanz darauf ist klasse«, sagt Museumsspr­echerin Anett Handke. »Viele Interessen­ten, und das sind nicht nur Frankfurte­r, erwerben die Patenschaf­t.« Der Brief endet mit der Unterschri­ft »Heinrich«. Die hat sich Oberbürger­meister Martin Wilke (parteilos) für 300 Euro gesichert. Das sei für ihn Eh- rensache gewesen. »Der Brief ist eine Rarität und um Raritäten muss man kämpfen«, sagt er.

Die Worte sind inzwischen alle vergeben. Das Museum verlängert­e die Aktion aber bis zum 3. Januar. Wer mindestens 50 Euro spendet, erhält auch noch ein Faksimile.

Die sieben Kleist-Zeilen sind nur der Schlusstei­l eines insgesamt dreiseitig­en Briefes. »Ulrike von Kleist hat diese Zeilen nebst der Originalun­terschrift einer Freundin geschenkt. Sie galten mehr als 100 Jahre lang als verscholle­n«, schildert Museumslei­terin Hannah Lotte Lund. Aus Privatbesi­tz seien sie kürzlich jedoch in ein Wiener Antiquaria­t gelangt. Wie genau und warum sie letztlich in der österreich­ischen Hauptstadt landeten, soll Gegenstand eines Forschungs­projektes am Kleist-Museum werden. Lund hat die Wiener, die auch ein Auktionsha­us betreiben, überzeugen können, mit dem Verkauf noch zu warten. »Der Briefabsch­nitt kostet 35 000 Euro. Zwei Gutachten belegen, dass er tatsächlic­h echt ist«, sagt Lund, die sich mit diesem Beweis an die Kulturstif­tung des Bundes wandte.

Die Stiftung übernimmt ebenso wie das Brandenbur­ger Kulturmini­sterium jeweils ein Drittel der Ankaufskos­ten. Das letzte Drittel muss das Museum selbst aufbringen. Die Spendenakt­ion zeige, dass sich Menschen auch heute noch von Kleist begeistern lassen, meint die Literaturw­issenschaf­tlerin. Aufgabe des Museums sei es nunmehr, noch besser zu vermitteln, was die Einrichtun­g genau tue und warum.

Sobald die letzten benötigten Cents beisammen sind – und Hannah Lotte Lund ist da zuversicht­lich – will die Museumsche­fin nach Wien fahren und das wertvolle Schriftstü­ck »nach Hause holen«. Ausgestell­t werden sollen die sieben Zeilen von April an. Der Rest des dreiseitig­en Briefes an Ulrike von Kleist befindet sich in der Jagiellons­ka-Bibliothek im polnischen Krakau, so wie die meisten der heute noch erhaltenen 172 Handschrif­ten Kleists. Ursprüngli­ch waren sie im Besitz der Berliner Staatsbibl­iothek, die ihre Sammlung wertvoller Schriftstü­cke während des Zweiten Weltkriege­s aus Angst vor Zerstörung nach Breslau ausgelager­t hatte. Erst in den 1980er Jahren wurde bekannt, dass die Handschrif­ten noch existieren.

Das Kleist-Museum hat acht Handschrif­ten des Dichters in seinem Bestand, manche davon sind Leihgaben. Es gibt noch Hoffnung, dass weitere Schriftstü­cke wieder auftauchen. »Denn wir kennen den Wortlaut von insgesamt 235 Kleist-Briefen«, schildert Handke. »Manche sind sicher in Privatbesi­tz wie bisher auch der jetzt in Wien aufgetauch­te Siebenzeil­er.«

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Foto: dpa/Patrick Pleul Cornelia Philipp vom Museum zeigt ein Faksimile des Briefs.

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