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Wühlen im Müll zu Jerichow

Sachsen-Anhalt: Die Prozesse in Sachen Tongruben Möckern und Vehlitz ziehen sich hin

- Von Simon Ribnitzky, Stendal

Mehrere Hunderttau­send Tonnen Müll landeten illegal in Tongruben im Jerichower Land. Gegen die mutmaßlich Verantwort­lichen laufen zwei Prozesse, teils seit Jahren. Ein Ende ist nicht absehbar. Es ist einer der größten Umweltskan­dale Sachsen-Anhalts: Hunderttau­sende Tonnen Müll landeten illegal in Tongruben im Jerichower Land. Es entstanden Gifte, die durch Regenwasse­r in Boden und Grundwasse­r gespült wurden. Die Sanierung der Tongruben ist bis heute nicht abgeschlos­sen, das Land hat bereits zweistelli­ge Millionenb­eträge dafür ausgegeben.

Gegen die mutmaßlich Verantwort­lichen laufen zwei Prozesse am Landgerich­t Stendal. Doch die Verfahren ziehen sich hin, ein Ende ist nicht absehbar. Genaue Prognosen seien nicht möglich, sagt Gerichtssp­recher Michael Steenbuck. Der Prozess zur Tongrube Möckern läuft bereits seit 2015, wegen der Tongrube in Vehlitz wird seit Februar 2017 verhandelt. Zusammen gab es bereits mehr als 110 Verhandlun­gstage. Steenbuck schätzt, dass Möckern im kommenden Jahr, Vehlitz 2020 abgeschlos­sen werden könnte.

Probleme machten im Fall Möckern derzeit vor allem Krankheits­fälle auf der Richterban­k und bei einem Sachverstä­ndigen, berichtet Steenbuck. Außerdem kostet der Einsatz von Schriftdol­metschern Zeit. Sie sind nötig, weil einer der Hauptangek­lagten schlecht hört. Die Dolmetsche­r verschrift­lichen alles, was in der Sitzung gesagt wird, damit der Angeklagte auf seinem Laptop mitlesen kann. In beiden Prozessen sind die beiden Hauptangek­lagten dieselben. Die Staatsanwa­ltschaft wirft ihnen Gewinnsuch­t vor. Um Geld zu sparen, sollen die Entscheide­r einer Entsorgung­sfirma den Müll illegal abgelagert haben. So hätten sie niedrigere Preise anbieten können, um sich einen Vorteil vor Wettbewerb­ern zu sichern. Der Anklage zufolge haben die Angeklagte­n allein im Fall Vehlitz rund 74 Millionen Euro gespart und etwa 18 Millionen Euro Gewinn gemacht. Bis Mitte Dezember wurden im Fall Möckern 79 Zeugen gehört, im Fall Vehlitz 44. Meist seien es Mitarbeite­r von Entsorgung­sunternehm­en gewesen, sagt Steenbuck. Zudem habe die Befragung von Sachverstä­ndigen breiten Raum eingenomme­n. Rund 900 000 Tonnen Müll wurden in Vehlitz zwischen 2005 und 2008 ohne Genehmigun­g entsorgt. In Möckern ist von 170 000 Tonnen die Rede. Eigentlich hätten nur Abfälle aus überwiegen­d mineralisc­hen Stoffen eingelager­t werden dürfen – also etwa Müll von Baustellen aus Sand und Steinen. Stattdesse­n war vermehrt organische­r Abfall verklappt worden, sogenannte­r hausmüllar­tiger Gewerbeabf­all, darunter Kunststoff­e.

Das Problem: Bei der Lagerung dieser Stoffe bildeten sich durch chemische Prozesse giftige Gase wie Schwefelwa­sserstoff, Methan oder auch Kohlendiox­id. Durch eindringen­den Regen gelangten diese Gifte in Boden und Grundwasse­r. Die Methankonz­entration sei sogar explosions­fähig gewesen, hieß es in der Anklage.

Bei der illegalen Entsorgung gab es offenbar einen guten Draht zu den Behörden. Vor jeder Kontrolle sei der Abfall in der Tongrube mit einer Schicht aus mineralisc­hem Müll überdeckt worden, heißt es in der Anklage. Die Kontrolleu­re konnten so nicht sehen, was da eigentlich eingelager­t worden war.

Nach Angaben des Landesamte­s für Geologie und Bergwesen hat die Sanierung der beiden Tongruben bislang etwa 21,2 Millionen Euro gekostet. Mit weiteren zwölf Millionen Euro bis 2019/2020 sei zu rechnen. Zudem werden über Jahre Nachsorgem­aßnahmen nötig sein. Die Kosten dafür beziffert die Behörde auf rund 150 000 Euro pro Jahr für einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren.

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Foto: dpa/Jens Wolf Die Tongrube Vehlitz im Jahr 2008: Zu diesem Zeitpunkt war dort bereits viel Müll verkippt worden.

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