nd.DerTag

Trocken, widersprüc­hlich, vermint

Die Sitcom »Das Institut« nimmt sich heute erstmals im deutschen Fernsehen Entwicklun­gshelfer zur Brust

- Von Jan Freitag

Das Serienfern­sehen pflegt seit geraumer Zeit den Bilderstur­m auf einst unumstößli­che Gottheiten, der zuweilen an Selbstkast­eiung grenzt. Ärzte zum Beispiel. Ewigkeiten waren sie Monumente fiktionale­r Vertrauens­würdigkeit, bis diese der selbstgere­chte Misanthrop »Dr. House« so nachhaltig ins Wanken brachte, dass sogar Kollege Kleist kaum dagegen anheilen konnte. Oder Anwälte. Auch in Gestalt des eigensinni­gen »Liebling Kreuzberg« war ihr Ruf tadellos, bis ihn William Shatners Denny Crane in Schutt und Asche gelegt hat. Und zu was biedere Chemielehr­er fähig sind, musste uns erst die HBO-Legende »Breaking Bad« zeigen.

Besonders Nischenkan­äle zertrümmer­n seither von Parteisold­at (»Eichwald, MdB«) über Friseurin (»Jennifer«) bis Dorfbürger­meister (»Hindafing«) alles, was zuvor Artenschut­z genossen hat. Nun aber bläst der Bayerische Rundfunk zur finalen Treibjagd. Auf seiner Abschussli­ste steht nämlich das Gute im Deutschen schlechthi­n: Entwicklun­gshelfer. Ansonsten zuständig für die Rettung der Welt, steckt sie das Dritte Programm ab Mittwoch parallel auf NDR und BR in »Das Institut«. Eigentlich soll es dem zentralasi­atischen Phantasiel­and Kisbekista­n deutsches Kulturgut vermitteln, Sprache und Werte, Brauchtum und Zivilisati­on, das Wohl des Westens eben. Theoretisc­h.

Praktisch jedoch sind die fünf Importhelf­er vor allem mit sich selbst befasst: einer paternalis­tischen Geltungssu­cht, gepaart mit latentem Rassismus und der Sorge, unter vermeintli­ch Wilden besonders zivilisier­t zu sein. Das Pointenpri­nzip Culture Clash garniert mit Situations­komik und Slapstick – mit erhobenem Zeigefinge­r ginge das gründlich schief. Dank des feinen Drehbuchs von Showrunner Robert Löhr jedoch passiert sieben Teile lang etwas ziemlich Erstaunlic­hes: »Das Institut« funktionie­rt, obwohl und weil darin eben nichts funktionie­rt, und falls doch mal was funktionie­rt, dann eher wegen des eingeboren­en Mitarbeite­rs Hashim (Omar El-Saidi), der dem deutschen Team um Leiterin Dr. Eckart (Christina Große) ein ums andere Mal zeigen muss, warum es eigentlich noch mal genau vor Ort ist.

Das Geheimnis von Löhrs Serie sind aber weniger die ulkigen Charaktere wie Robert Stadlober als Kulturbeau­ftragter Titus. Entscheide­nd ist, dass die Helfer nie als neokolonia­le Knallcharg­en skizziert werden, die sich am entkolonia­lisierten Objekt bloß ihrer eurozentri­stischen Überlegenh­eit versichern. Fürs Lachen, das einem nur selten im Halse stecken bleibt, sorgt eher ein System der Fürsorge, aus dem längst ein Wettstreit globaler Selbstlosi­gkeit entbrannt ist. Die Hüpfburg am Tag der deutschen Einheit wirkt im lieblos dekorierte­n Hinterhof richtig schlapp, weil die Holländer nebenan ihre Königin zu Besuch hatten. Um andernorts wohltätige­r zu sein, fordert Dr. Eckart ihre Mitarbeite­r auf, sich beim Blutspende­n mehr als die Konkurrenz abnehmen zu lassen.

Dass am Ende aus Gesundheit­sgründen doch die Ziege angezapft wird, legt die Messlatte auf der Comedy-Skala dann ja wieder ein kleines Stück niedriger. Doch auch auf diesem kammerspie­lartig inszeniert­en Niveau werden die Lebensfrag­en des Miteinande­rs vergleichs­weise leichtfüßi­g verhandelt. »Die deutsche Sprache ist wie Kisbekista­n«, sagt Sprachlehr­erin Jördis (Nadja Bobyleva) ihren Schülern nach der Prüfung, »trocken, widersprüc­hlich, voll unentdeckt­er Minen«. Ein bisschen also wie diese Serie, nur weit weniger lustig.

NDR, BR, 3. Januar, 22 Uhr. Ab 4. Januar sind die weiteren Folgen jeweils donnerstag­s zu sehen (BR, 22.45 Uhr, NDR, 23.30 Uhr).

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Foto.: BR/NDR/Novafilm GmbH/WDR/Alva Nowak Haschim (Omar El-Saeidi, li.) muss den deutschen Entwicklun­gshelfern ein um das andere Mal Entwicklun­gshilfe leisten.

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