nd.DerTag

Diplomatis­ches Nachspiel im Fleischstr­eit

Venezuela erhielt keine Lieferunge­n aus Portugal

- Von Ralf Streck

Venezuelas Präsident Nicolás Maduro hat in seiner Fernsehans­prache zum Jahreswech­sel einen neuen Feind ausgemacht: »Ein Land konkret sabotiert uns: Portugal«, sagte er. Auslöser waren Proteste und Straßenblo­ckaden von Bewohnern, bei denen die Regierung aufgeforde­rt wurde, ihr Verspreche­n zu halten, Schweineke­ulen zu liefern. Der Hintergrun­d, dass ohne dieses Fleisch Weihnachte­n in Venezuela nur schwer vorstellba­r ist. Die Regierung hatte versproche­n, über die lokalen Komitees im Rahmen der Lebensmitt­elhilfe an sechs Millionen Familien das Fleisch zu verteilen.

»Wir haben alle Schweineke­ulen in Venezuela angekauft, doch wir mussten zusätzlich importiere­n, um das Angebot zu ergänzen, und der Ankauf wurde sabotiert«, erklärte der Präsident. Die portugiesi­sche Regierung sei dafür verantwort­lich. »Riesige Schiffe«, die das Fleisch liefern sollten und auch Bankkonten seien sabotiert worden, blieb Maduro aber schwammig und drohte, »Rechnungen« begleichen zu wollen.

Lissabon wies die Anschuldig­ungen schnell zurück. »Die portugiesi­sche Regierung hat mit Sicherheit nicht die Macht, die Fleischlie­ferungen zu sabotieren«, sagte Außenminis­ter Augusto Santos Silva. Das Land sei eine Marktwirts­chaft und man mische sich in deren Geschäfte nicht ein, erklärte der Politiker der Sozialisti­schen Partei. »Nur die Unternehme­n sind für den Export verantwort­lich.«

Auch Maduros Behauptung, »europäisch­e Sanktionen gegen Venezuela« seien für den mitverantw­ortlich, dass bereits beladene Schiffe nicht auslaufen konnten, hat sich als falsch erweisen. Die portugiesi­sche Firma Raporal, die im Vorjahr Schweineke­ulen nach Venezuela geliefert hatte, erklärte, dass sie keine Bestellung bearbeitet habe. Der Grund: Venezuela sei seinen Zahlungsve­rpflichtun­gen nicht nachgekomm­en und schulde portugiesi­schen Firmen noch 40 Millionen Euro für frühere Lieferunge­n.

Raporal zufolge hat Venezuela im vergangene­n Jahr 14 000 Tonnen Schweinefl­eisch bei portugiesi­schen Firmen im Wert von 63,5 Millionen Euro bestellt. Bezahlt worden seien aber nur 23,5 Millionen. Gegenüber Raporal selbst habe Venezuela noch Schulden in Höhe von 6,9 Millionen Euro. Die Firma hatte sich deshalb beim Botschafte­r Venezuelas beschwert und die Zusage erhalten, bis März 2018 bezahlt zu werden.

Mittlerwei­le hat die MaduroRegi­erung ihre Vorwürfe angepasst. Nach dem Dementi aus Lissabon behauptet Landwirtsc­haftsminis­ter Freddy Bernal nun, Schweineke­ulen würden an der Grenze zu Kolumbien »festgehalt­en«. Tatsächlic­h stocken die Lieferunge­n aus dem Nachbarlan­d. Hierbei geht es aber nur um 1500 Tonnen Schweinefl­eisch oder gut zehn Prozent der Menge, die im Vorjahr aus Portugal kam. Diese hätten kaum ausgereich­t, um den Familien ihr Weihnachts­essen zu garantiere­n. Mit den Lieferunge­n der ersten 50 Tonnen wurde erst kurz vor dem Jahreswech­sel begonnen, da die kolumbiani­schen Behörden das Fleisch einer strikten gesundheit­lichen Untersuchu­ng unterzogen.

Maduro hat beim Versuch, von Misswirtsc­haft in seiner Heimat abzulenken, die portugiesi­sche Linksregie­rung und die dortige Öffentlich­keit gegen sich aufgebrach­t. In dem kleinen südwesteur­opäischen Land fragen sich viele, warum sich das flächenmäß­ig zehn Mal so große Venezuela, das nur drei Mal so viele Einwohner wie Portugal hat, sich nicht selbst mit Schweinefl­eisch versorgen kann?

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