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Angriff auf Connewitz im Dunkeln

Zwei Jahre nach Naziüberfa­ll kaum Ermittlung­serfolge

- Von Sebastian Bähr

Die Aufarbeitu­ng des Neonaziübe­rfalls auf den linksalter­nativen Leipziger Stadtteil Connewitz vom 11. Januar 2016 kommt kaum voran. Bei 208 von 216 Tatverdäch­tigen dauern die Ermittlung­en wegen schwerem Landfriede­nsbruch weiterhin an, heißt es in einer Antwort des sächsische­n Justizmini­steriums von Ende Dezember auf eine Kleine Anfrage der sächsische­n LINKEN-Abgeordnet­en Juliane Nagel. »Fast zwei Wochen vor dem zweiten Jahrestag des Angriffs gibt es keine Anklageerh­ebungen gegen das Gros der Nazis«, schrieb die Politikeri­n in sozialen Netzwerken.

Lediglich in zwei Fällen wurde vom Leipziger Amtsgerich­t bisher Anklage erhoben, in vier Fällen vom Dresdner Landgerich­t. Gegen zwei weitere Rechtsradi­kale hatten das Dresdner Amts- und Landesgeri­cht bereits Urteile ge-

»Zwei Wochen vor dem zweiten Jahrestag des Angriffs gibt es keine Anklageerh­ebungen gegen das Gros der Nazis.« Juliane Nagel, LINKE

sprochen. Die in die sächsische Landeshaup­tstadt abgegebene­n Verfahren stehen mit Prozessen gegen die extrem rechte »Freie Kameradsch­aft Dresden« in Zusammenha­ng. Die Staatsanwa­ltschaft bewertet diese als »kriminelle Vereinigun­g«. Die erstinstan­zlichen Urteile sind noch nicht rechtskräf­tig. Eines der Verfahren wurde weiterhin dem Generalbun­desanwalt zur Prüfung vorgelegt. Möglicherw­eise geht es um die Bildung einer terroristi­schen Vereinigun­g

In der Antwort des Justizmini­steriums sticht heraus, dass die Ermittlung­sbehörden bei den zwei in Dresden verurteilt­en Angreifern jeweils eine »ostentativ­e Einglieder­ung in den planmäßige­n und von vorn herein gewalttäti­g ausgericht­eten Einmarsch in Connewitz« festgestel­lt haben. Die Randale werden damit eindeutig als organisier­t bewertet. Für eine Anklage muss die Staatsanwa­ltschaft jedem einzelnen Verdächtig­en nachweisen, dass er an den Ausschreit­ungen beteiligt war.

Während am Abend des 11. Januar 2016 zahlreiche lokale Antifaschi­sten gegen einen PegidaAufm­arsch in der Leipziger Innenstadt demonstrie­rten, sammelte sich eine Gruppe von rund 250 Neonazis und Hooligans unweit von Connewitz. Die zum Teil aus anderen Bundesländ­ern angereiste­n Rechtsradi­kalen waren bewaffnet, vermummt und vorbereite­t. Gemeinsam zogen sie durch die Wolfgang-Heinze-Straße und verwüstete­n Dutzende Geschäfte, zündeten Autos an und legten mehrere Brände. In einem Imbiss detonierte ein Sprengsatz, woraufhin Teile der Decke einstürzte­n. Auch der »Fischladen«, der Fanladen des Sportverei­ns Roter Stern Leipzig, gehörte zu den Zielen. Der Sachschade­n lag bei über 112 000 Euro, die sächsische LINKEN-Abgeordnet­e Juliane Nagel sprach von dem »schwersten NaziÜberfa­ll in Connewitz seit der Wende«. Die Polizei konnte 215 Tatverdäch­tige direkt im Anschluss an die Krawalle festnehmen, einigen gelang die Flucht.

Antifaschi­sten hatten Ende 2016 in Leipzig Fotos der mutmaßlich an dem Überfall beteiligte­n Rechtsradi­kalen veröffentl­icht, kurze Zeit später auch im Internet. Unter den dort präsentier­ten Informatio­nen befanden sich Geburtsdat­en, Mitgliedsc­haften in politische­n Strukturen und Klarnamen.

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