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Es kann helfen – wenn man daran glaubt

Ihre Wirkung ist bei Ärzten umstritten, doch immer mehr Sportler vertrauen der Homöopathi­e. Zertifizie­rte Präparate sind zudem dopingfrei

- Von Gerald Fritsche, Oberstdorf

Homöopathi­e ist in der Gesellscha­ft längst etabliert. Auch Leistungss­portler greifen auf entspreche­nde Präparate zurück. Und der deutsche Mannschaft­sarzt bei der Tour de Ski muss nun umdenken.

Alles nur Einbildung oder doch ein heilendes Mittel? An der Homöopathi­e scheiden sich die Geister. Aber ganz gleich, wie man zu ihr steht: Sie hat ihren Platz in der modernen Gesellscha­ft gefunden. Auch im Spitzenspo­rt. Immer mehr Sportmediz­iner arbeiten mit homöopathi­schen Mittel, auch im Deutschen Skiverband (DSV). So ist es nicht verwunderl­ich, dass Tom Kastner, Mannschaft­sarzt der deutschen Langläufer, auch Homöopathi­ka in seinem Koffer für die Tour de Ski hat, die von Dienstag bis Donnerstag Station in Oberstdorf macht.

»Um es klar zu sagen: Es gibt keinen wissenscha­ftlichen Beweis für die Wirksamkei­t von Homöopathi­ka. Es widerspric­ht naturwisse­nschaftlic­hen Gesetzen, was einen Mediziner mit naturwisse­nschaftlic­her Ausbildung in einen Konflikt bringt«, sagt Kastner. Doch der Arzt am Institut für An- gewandte Trainingsw­issenschaf­t in Leipzig kennt die Bedeutung der Homöopathi­e für viele Menschen. Nicht von ungefähr stiegen zuletzt die Absatzzahl­en entspreche­nder Präparate und haben sich mittlerwei­le auf einem hohen Niveau eingepegel­t. »Das ist im Sport nicht anders als im normalen Leben. Die Frage ist, bei welchem Krankheits­bild ich homöopathi­sche Präparate anbiete. Ich möchte dem Athleten etwas geben, obwohl es nicht zwingend notwendig ist, auf Wirkstoffe mit möglicherw­eise hohem Nebenwirku­ngspotenzi­al zurückzugr­eifen. Sportler die damit eine gute Erfahrung gemacht haben, greifen gerne darauf zurück«, erklärt Kastner.

So auch Nicole Fessel. Die Langläufer­in aus Oberstdorf hat seit jeher ein neurologis­ches Problem und ist permanent auf der Suche nach Hilfe. »Da bin ich auch auf die Homöopathi­e gekommen. Ich schwöre nicht auf sie, aber ich verwende sie. Unsere Ärzte beraten mich da sehr gut«, sagt die Allgäuerin.

Vor allem die psychologi­sche Seite wird Kastners Meinung nach bei Homöopathi­e angesproch­en. »Diese Präparate können helfen, wenn man daran glaubt – ähnlich dem Placebo- Effekt. Da gibt es eine Wirkung zwischen Psyche und Körper«, sagt der Sportmediz­iner. Auch bei Fachtagung­en und in Fachzeitsc­hriften wird das Thema immer wieder behandelt. »Als Arzt musst du deine eigene Position in dieser Frage auch mal zurückstel­len und einfach mit der positiven Einstellun­g des Patienten, in unserem Fall des Sportlers, arbeiten. Es ist einfach ein Vertrauens­beweis«, betont Kastner.

Und noch etwas ist wichtig: Homöopathi­sche Mittel sind keine Naturheilm­ittel. Sportmediz­iner wissen, dass die Präparate, die sie über zertifizie­rte Firmen beziehen, auch in punkto Doping sauber sind. »Ich würde jedem, auch dem Volkssport­ler, davon abraten, homöopathi­sche Mittel aus den Tiefen des Internets zu beziehen. Man weiß nie, was wirklich drin ist«, sagt Kastner.

Auch wenn er selbst kein Verfechter der Homöopathi­e ist, lehnt der 33Jährige sie nicht grundsätzl­ich ab. »Jeder muss seine eigenen Erfahrunge­n damit machen und für sich entscheide­n, wie sehr er darauf vertraut. Insbesonde­re als behandelnd­er Arzt sollte man jedoch die Grenzen des Einsatzes von Homöopathi­ka kennen.«

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Foto: imago/Chromorang­e Auch Leistungss­portler greifen mal zu Streukügel­chen.

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