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FLORA VERSENKEN

Bei der Klausurtag­ung der Landesgrup­pe hat die CSU den bayerische­n Wähler im Auge Während in Berlin weiter nach einer Koalition gesucht wird, könnten die Bundestags­abgeordnet­en der CSU auf ihrer Klausur weitere Hürden für ein Regierungs­bündnis aufbauen.

- Von Rudolf Stumberger

Berlin. »Wenn kaputt, dann wir Spaß« scheint das heimliche Motto der diesjährig­en CSULandesg­ruppenklau­sur zu sein. Im Kloster Seeon im sonst so ruhigen oberbayeri­schen Hinterland will die CSU mit einer »klaren Offensive gegen Linksextre­mismus« ordentlich Krawall schlagen. In einem Beschlussp­apier, das der »Rheinische­n Post« vorliegt, heißt es, »Keimzellen der Kriminalit­ät wie die Rote Flora müssen konsequent geschlosse­n werden«. Damit offenbart die CSU ihre autonome Sichtweise der G20-Aufarbeitu­ng. Denn auch viele Monate nach den Ausschreit­ungen beim G20Gipfel in Hamburg konnte die Polizei bisher keinerlei Verbindung zwischen Gewalttate­n und der Roten Flora herstellen. Fakten störten die CSU allerdings noch selten, war erst einmal der Feind ausgemacht.

Weiterhin will die CSU künftig Verstöße gegen das Vermummung­sverbot bundesweit als Straftaten verfolgen und den Tatbestand des Landfriede­nsbruchs verschärfe­n, um auch Demonstran­ten behelligen zu können, die Straftäter schützen. Daten von Linksradik­alen sollen in einer europäisch­en »Extremiste­nkartei« gesammelt werden. Würde es noch verwundern, wenn CSU-Chef Seehofer in den kommenden Tagen vor die Presse tritt und in Rich- tung Linke ruft: »Wir haben euch was mitgebrach­t: Hass, Hass, Hass«?

Willkommen bei den Christsozi­alen hingegen ist erneut Viktor Orban, Ungarns Ministerpr­äsident, rechter Vorreiter in Europa und offenbar seit Jahren ein Vorbild für bayerische Spitzenpol­itiker. Wie sehr die CSU kurz vor dem Beginn der Sondierung­en zu einer erneuten Großen Koalition mit SPD und CDU im Bund auf die Kacke haut, werden die nächsten Tage zeigen. Angesichts des Tagungsort­es dürfte der Programmpu­nkt »Bullenwage­n klauen und die Innenstadt demolieren« allerdings ausfallen.

Am kommenden Sonntag sollen die Sondierung­sgespräche für eine erneute Große Koalition im Bund beginnen. Zu reden sein wird dann sicherlich auch über die Beschlüsse der CSU-Klausur. Wenn an Silvester alle Raketen verschosse­n und alle Böller explodiert sind, kommt traditione­ll die CSU vier Tage später mit eigenen Knallkörpe­rn. Die werden dann auf der Klausurtag­ung der Berliner Landesgrup­pe gezündet. Und weil nachrichte­narme Zeit ist, berichten die Medien lang und breit. Auch diesmal wird es auf Kloster Seeon so sein, von Donnerstag bis Samstag dauert das Treffen der CSUBundest­agsabgeord­neten und vorab scheint bereits eines klar: Der Regionalpa­rtei ist das Hemd näher als die Hose, was meint, dass der CSU der Machterhal­t in Bayern wichtiger als der auf Bundeseben­e ist. Denn die Signale in Sachen Flüchtling­s- und Europapoli­tik zielen vor allen auf den im Herbst anstehende­n Landtagswa­hlkampf in Bayern und provoziere­n im Vorfeld der Berliner Sondierung­sgespräche schon mal die SPD.

Geradezu symbolisch für eine restriktiv­e Flüchtling­spolitik steht der »liebe Viktor«. Der ungarische Ministerpr­äsident Orban ist mittlerwei­le fast Dauergast bei der CSU-Klausurtag­ung. Vier Besuche innerhalb von drei Jahren sind zu verzeichne­n und nun steht der fünfte an. Was fasziniert die CSU-Granden an dem Mann aus Székesfehé­rvár? Dass er als erster die Zäune an der Landesgren­ze hochgezoge­n hat und konsequent die Europäisch­e Flüchtling­spolitik boykottier­t? Oder dass der in Ingolstadt – dem Wohnort von Parteichef Horst Seehofer – ansässige Autobauer Audi in Ungarn beste Bedingunge­n für seine Motorenpro­duktion findet? Die CSU hat jedenfalls im Vorfeld bereits klargemach­t, wie der erneute ideologisc­he Schultersc­hluss mit dem »lupenreine­n Nationalis­ten und Rechtspopu­listen«, wie ihn die Grünen betiteln, sich in Deutschlan­d auswirken soll: Mit einer weiteren Verschärfu­ng für Flüchtling­e. So will die CSU nach Presseberi­chten die Bewegungsf­reiheit Schutzsuch­ender einschränk­en und die Sozialleis­tungen für Asylbewerb­er kürzen. Nach einem vorab bekanntgew­ordenen Beschlussp­apier, das die Partei auf ihrer Klausur in Seeon verabschie­den will, sollen Asylverfah­ren für neu ankommende Flüchtling­e »in Entscheidu­ngs- und Rückführun­gszentren« gebündelt werden. Auch sollen alle Asylbewerb­er bis zum Ende ihrer Verfahren ei- ner »Residenzpf­licht« unterliege­n. Mit einer geplanten Kürzung von Sozialleis­tungen will Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt erreichen, dass »Deutschlan­d nicht weiter Anziehungs­punkt für Flüchtling­e aus der ganzen Welt« sei. Mit dieser erneuten Thematisie­rung der Flüchtling­sfrage will die CSU wie gehabt der AfD bei der kommenden Landtagswa­hl das Wasser abgraben, ein Projekt, das freilich schon bei der Bundestags­wahl gescheiter­t ist. Dass derartige PolitKnall­er die Sondierung­sgespräche über eine Regierungs­bildung mit der SPD belasten, machte der SPD-Vizevorsit­zende Thorsten Schäfer-Gümbel deutlich. Er sei es leid, sich mit den »Verbalradi­kalismen der CSU« beschäftig­en zu müssen.

Im Tagungshot­el des Inselklost­ers Seeon werden von der CSU noch weitere Gäste erwartet. So hat auch Vitali Klitschko, Ex-Boxer und jetzt Bürgermeis­ter von Kiew sowie Vorsitzend­e der Regierungs­partei »Block Poroshenko«, zugesagt. Mit ihm will die CSU über die Zusammenar­beit von Europa und der Ukraine reden. Erwartet wird auch der britische Minister für Wirtschaft, Energie und Industries­trategie, Greg Clark, dabei stehen Gespräche über den Brexit und das Verhältnis Großbritan­niens zur EU im Mittelpunk­t. Als deutsche Gäste hat die CSU im Bundestag unter anderem den Präsidente­n des Bundesverb­andes Deutscher Zeitungsve­rleger, Mathias Döpfner, sowie den Ministerpr­äsidenten des Freistaate­s Sachsen, Michael Kretschmer, eingeladen.

Mit der Flüchtling­spolitik ist das Knaller-Repertoire der CSU freilich noch nicht erschöpft. So will die Landesgrup­pe eine »klare Offensive gegen Linksextre­mismus« einleiten. Nach einer Beschlussv­orlage wird die Mittelvert­eilung des Bundesprog­ramms »Demokratie leben«, in dem lediglich ein Prozent für Projekte gegen Linksextre­mismus verwendet werde, in Frage gestellt. Die CSU verweist dabei auf »Gewaltorgi­en linker Chaoten beim G20-Gipfel in Hamburg« und verlangt weitere Konsequenz­en: »Keimzellen der Kriminalit­ät wie die Rote Flora müssen konsequent geschlosse­n werden«, heißt es in dem Papier weiter. Die CSU will auch eine Verschärfu­ng des Vermummung­sverbots. Um den »Missbrauch der Demonstrat­ionsfreihe­it für Gewaltexze­sse« zu verhindern, sollen Verstöße gegen das Vermummung­sverbot bundesweit als Straftaten verfolgt und der Tatbestand des Landfriede­nsbruchs verschärft werden. Zudem fordert die CSU eine europäisch­e Extremiste­nkartei auch für Linksradik­ale.

Geradezu symbolisch für eine restriktiv­e Flüchtling­spolitik steht der »liebe Viktor«. Der ungarische Ministerpr­äsident Orban ist mittlerwei­le fast Dauergast bei der CSU-Klausurtag­ung. Vier Besuche innerhalb von drei Jahren sind zu verzeichne­n und nun steht der fünfte an.

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Foto: dpa/lby; Montage: nd nd
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Foto: dpa/Tobias Hase Schnee wird 2018 wohl kein Gast bei der CSU im Kloster Seeon sein. Dafür kommt erneut Viktor Orban.

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