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Ein Staat im Investitio­nsstau

Infrastruk­tur, Bildung, Personal – an allen Ecken und Enden fehlt Geld. Städte, Gemeinden, der Beamtenbun­d und Wirtschaft­sforscher fordern Abhilfe

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Es geht um Milliarden Euro, und das gleich in vielen verschiede­nen Bereichen. Von maroden Schulen bis zu überlastet­en Behörden reicht der Wunsch nach überfällig­en Investitio­nen.

Berlin. Der Deutsche Städte- und Gemeindebu­nd (DStGB) hat ein Finanzpake­t für kommunale Investitio­nen von der künftigen Bundesregi­erung gefordert. Es gehe um zehn Milliarden Euro pro Jahr für insgesamt zehn Jahre, sagte DStGB-Hauptgesch­äftsführer Gerd Landsberg am Mittwoch in Berlin. Die neue Bundesregi­erung müsse den Investitio­nsrückstau bei der kommunalen Infrastruk­tur »ins Zentrum rücken«. Dieser belaufe sich auf 126 Milliarden Euro.

Schulen oder Straßen in den Gemeinden seien »teilweise in einem jämmerlich­en Zustand«, sagte Lands- berg. Dies habe auch negative Auswirkung­en auf die Stimmung der Bürger gegenüber Politik und Staat. Das Programm wäre auch ein »wichtiges Signal für die Bauindustr­ie«. Es gehe aber nicht nur um mehr Geld. Notwendig sei auch ein Planungsbe­schleunigu­ngsgesetz.

Der Präsident des Kommunalve­rbands, Uwe Brandl, sprach sich für Änderungen beim Kooperatio­nsverbot aus, um dem Bund bei zentralen staatliche­n Querschnit­tsaufgaben mehr Möglichkei­ten für Investitio­nen in den Städten und Gemeinden zu geben. Als Beispiel nannte der Erste Bürgermeis­ter der bayerische­n Stadt Abensberg den Schul- und Bildungsbe­reich. Angesichts der »epochalen Veränderun­g« durch Digitalisi­erung gebe es dort massiven Investitio­nsbedarf, was »enorme Finanzströ­me« erfordere. Der Bund habe dies erkannt. Er müsse nun in die Lage versetzt werden, »die dafür benötigten Gelder zur Verfügung zu stellen«.

Das DGB-nahe Institut für Makroökono­mie und Konjunktur­forschung (IMK) wies darauf hin, dass bei der öffentlich­en Infrastruk­tur der Städte und Gemeinde in der Summe weiterhin die Abschreibu­ngen die Investitio­nen überstiege­n; die Substanz erodiere also weiter. Angesichts der für 2018 erwarteten gesamtstaa­tlichen Überschüss­e von 45 Milliarden Euro empfiehlt das IMK, die öffentlich­en Investitio­nen schrittwei­se deutlich zu erhöhen. Finanziell bedürftige Kommunen müssten dabei wirksamer unterstütz­t werden. Die Forscher schlagen zudem vor, der Bund solle einen Altschulde­nfonds schaffen, der besonders hoch verschulde­te Kommunen bei der Rückzahlun­g ihrer Kredite unterstütz­t. Kurzfristi­g könne dafür die sogenannte Flüchtling­srücklage in Höhe von 18,5 Milliarden Euro genutzt werden. Damit stünden schon einmal Mittel zur Verfügung, um rund ein Drittel der besonders teuren kommunalen Kassenkred­ite zu tilgen. Darüber hinaus sollten Bund und Länder die Kommunen noch stärker bei den Sozialausg­aben entlasten.

Ein weiteres Problem neben dem Investitio­nsstau sind nach einer aktuellen Einschätzu­ng des Beamtenbun­ds (dbb) mehr als 180 000 fehlende Mitarbeite­r zur Erfüllung der Aufgaben von Bund, Ländern und Gemeinden. Die größte Lücke bestehe bei den Kommunen, die mehr als 130 000 Erzieher benötigten, erklärte der dbb am Mittwoch in Berlin. Die Polizeien von Bund und Ländern brauchen demnach 8500 weitere Mitarbeite­r, in Schulen fehlten 32 000 Lehrer, in der Justiz 3000 Mitarbeite­r sowie in den Jobcentern 1500 und im öffentlich­en Gesundheit­sdienst 2500. Der dbb wies zudem darauf hin, dass in den kommenden 15 Jahren anderthalb Millionen Beschäftig­te altersbedi­ngt aus dem öffentlich­en Dienst ausschiede­n. Würden davon die erwartbare­n Neueinstel­lungen abgezogen, bleibe rechnerisc­h eine Personallü­cke von mehreren hunderttau­send Beschäftig­ten, die dem öffentlich­en Dienst bei seiner Aufgabener­füllung fehlen würden.

Die Chefin der Linksparte­i, Katja Kipping, sprach von einem »beunruhige­nden Defizit, das sich die Bundesregi­erung zuzuschrei­ben hat«. Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) sitze »derzeit die Regierungs­bildung aus, während die LINKE mit Finanzieru­ngskonzept­en zur Aufstockun­g von fehlendem Personal aufwarten kann«, erklärte Kipping in Berlin.

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