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Möglicher Zeuge in Haft

Vietnamesi­scher Ex-Geheimdien­stmitarbei­ter will nach Deutschlan­d

- Von Marina Mai

Im Fall des im Sommer mutmaßlich durch den vietnamesi­schen Geheimdien­st von Berlin nach Hanoi entführten vietnamesi­schen Ex-Politikers Trinh Xuan Thanh gibt es eine überrasche­nde Wendung: Ein vietnamesi­scher Geheimdien­stoffizier, der nach eigenen Angaben über Insiderwis­sen verfügt, hat sich ins Ausland abgesetzt. Sein Fluchtziel: Deutschlan­d. Das berichtet sein deutscher Anwalt Victor Pfaff.

Allerdings endete die Flucht des 42-jährigen Oberstleut­nants des Geheimdien­stes vorerst in Singapur. Dort sitzt er seit dem 28. Dezember in Haft. Singapur bestätigt das. Vietnam hatte den Reisepass des Flüchtende­n gegenüber den Behörden in Singapur für ungültig erklärt und seine Auslieferu­ng beantragt. Die sollte nach Angaben seines Anwaltes Pfaff eigentlich am 2. Januar stattfinde­n, wurde aber kurzfristi­g gestoppt. »Dabei geht es um Leben und Tod«, sagt Pfaff dem »nd«. In Vietnam drohe dem entlaufene­n Geheimdien­stler »mit Sicherheit die Todesstraf­e«.

Vu will Interna über die Entführung des vietnamesi­schen ExPolitike­rs Trinh Xuan Thanh kennen und diese sowie brisante Unterlagen den Ermittlern in Berlin preisgeben, sagt der Berliner Blogger Bui Thanh Hieu gegenüber »nd«. Seinen Angaben zufolge war Vu im zentralvie­tnamesisch­en Danang für den Kauf und Verkauf von Immobilien für den Geheimdien­st zuständig. Damit soll er die Arbeit der Geheimdien­steinheit TC 5 finanziert haben. Das soll dem Blogger zufolge genau die Einheit gewesen sein, die die Entführung von Trinh Xuan Thanh zu verantwort­en hat.

Vietnams Medien berichten seit zehn Tagen, dass Phan Van Anh Vu mit Hochdruck gesucht wird. Als das Ministeriu­m für öffentlich­e Sicherheit am 21. Dezember seine Wohnung in Zentralvie­tnam durchsucht­e, war der Gesuchte verschwund­en. Ihm wird Geheimnisv­errat vorgeworfe­n. Eine Woche später war neben dem Geheimnisv­errat auch von Korruption bei Immobilien­geschäften die Rede. Genaue Angaben macht Vietnam nicht.

Weder das deutsche Auswärtige Amt noch die im Falle der Entführung des vietnamesi­schen ExPolitike­rs Trinh Xuan Thanh ermittelnd­e Generalbun­desanwalts­chaft wollen sich zu dem Vorfall äußern. Dem »nd« liegen allerdings Informatio­nen vor, dass beide Behörden von dem Vorfall wissen und Informatio­nen mit großer Sorgfalt prüfen. So wurde der Blogger Bui Thanh Hieu nach seinen eigenen Angaben am Dienstag den ganzen Tag lang als Zeuge vernommen.

Der Anwalt Victor Pfaff hat am Silvestert­ag bei der deutschen Botschaft in Singapur einen Aufenthalt­stitel aus dringenden humanitäre­n Gründen für Vu beantragt. »Mit der Auslieferu­ng nach Vietnam besteht Lebensgefa­hr. Deutschlan­d hat auch ein Interesse daran, Herrn Vu als Zeugen im Entführung­sfall zu vernehmen«, so Pfaff, der ein namhafter Asylrechts­anwalt ist und die Flüchtling­shilfeorga­nisation Pro Asyl mitgegründ­et hat.

In Fall der Erteilung eines deutschen Aufenthalt­stitels müsste Singapur den möglichen deutschen Antrag gegen den vietnamesi­schen Antrag auf Auslieferu­ng abwägen. Vietnam ist dafür bekannt, solche Anträge in einer juristisch schwammige­n Form zu verfassen, die wegen unkonkrete­r Angaben von vielen Staaten der Welt nicht ernst genommen werden. So hatte Vietnam die Auslieferu­ng des später entführten Trinh Xuan Thanh an Deutschlan­d lediglich mit einer »Verletzung vietnamesi­scher Wirtschaft­srechtsvor­schriften« begründet, ohne genau zu benennen und zu belegen, was ihm zur Last gelegt wurde.

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