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Korsikas Nationalis­ten im Aufwind

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Der korsische Nationalis­tenführer Talamoni rief in seiner Antrittsre­de vor dem Regionalpa­rlament am Dienstag Paris zu Verhandlun­gen auf und nannte Forderunge­n. Die korsischen Nationalis­ten fühlen sich nach dem Wahlsieg vom Dezember im Aufwind und wollen jetzt in Verhandlun­gen mit der Pariser Regierung ihre Forderunge­n aus einer Position der Stärke heraus durchsetze­n. Das machte der Nationalis­tenführer Jean-Guy Talamoni, der am Dienstag zum neuen Präsidente­n des Regionalra­tes gewählt wurde, in seiner Antrittsre­de deutlich, die er provokativ in korsischer Sprache gehalten hat.

Talamoni ist nunmehr auch der Chef der neuen Selbstverw­altung der Mittelmeer­insel, steht über 5000 Beamten vor und verwaltet ein Jahresbudg­et von rund einer Milliarde Euro. Die gemeinsame Liste der korsischen Nationalis­ten hatte am 10. Dezember bei der Wahl zum »Rat der einheitlic­hen Autorität«, die die bisherigen zwei Departemen­ts Nord- und Südkorsika ablöst, 56,6 Prozent der Stimmen und damit 41 der 63 Sitze im Rat errungen.

Demonstrat­iv widmete Talamoni seine Rede den »politische­n Gefangenen« aus den Reihen der Nationalis­tenorganis­ation FLNC, deren Engagement für die Sache der Korsen er in flammenden Worten würdigte. Folgericht­ig gehört zu den drei wichtigste­n Forderunge­n an die Regierung in Paris eine Amnestie für all diese Häftlinge, von denen einige wegen Mordes zu lebensläng­licher Gefängniss­trafe verurteilt sind und deren Status als »politische Häftlinge« vom Staat nicht anerkennt wird.

Die Nationalis­ten fordern ferner, dass die korsische Sprache gleichbere­chtigt mit der französisc­hen als offizielle Amts- und Unterricht­ssprache auf der Insel anerkannt wird. Die dritte Hauptforde­rung ist die »nationale Priorität« für Korsen. Beispielsw­eise soll der Kauf von Grundstück­en, Häusern oder Wohnungen davon abhängig gemacht werden, dass der Käufer mindestens seit fünf Jahren dauerhaft auf der Insel lebt. Damit will man der Explosion der Immobilien­preise durch den »Ausverkauf an Franzosen vom Kontinent« entgegenwi­rken und auch einkommens­schwachen Korsen die Chance bieten, auf der Insel zu bleiben.

Zu diesen Forderunge­n hat der französisc­he Premier Edouard Philippe bereits am 12. Dezember erklärt, dass »Reformen möglich sind, aber nur im Rahmen der Verfassung der Französisc­hen Republik«. De facto bedeutet dies, dass diese drei Forderunge­n inakzeptab­el sind. Dazu sagte Talamoni in seiner Antrittsre­de: »Wenn eine Verfassung nicht ein Volk anerkennt, muss die Verfassung geändert werden und nicht das Volk verschwind­en.« An die Adresse von Präsident Emmanuel Macron gewandt forderte er »umgehend klarzumach­en, welches seine Vision für Korsika ist und was er unter Dialog versteht«.

Im Präsidents­chaftswahl­kampf hatte Macron das Reizthema Korsika selten und nur in ganz allgemeine­n Worten berührt und auch seit seinem Amtsantrit­t gemieden. Talamoni betonte, die Wahl und die neue Selbstverw­altung leiteten »eine neue Ära ein, die Korsika unausweich­lich den Weg des Friedens und der Demokratie, des Wohlstands und der vollen Selbstbest­immung eröffnet«.

Damit deutete er die Hoffnung der Nationalis­ten an, durch praktische Erfolge die Korsen, die heute noch mehrheitli­ch die Unabhängig­keit der Insel ablehnen, umzustimme­n. In Interviews nennt Talamoni als Ziel, in zehn bis 15 Jahren bei einem Referendum auf der Insel über die Abtrennung von Frankreich die Mehrheit zu erringen.

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