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Ein Schnupfen, ich sterbe!

Auch kuriose Studien werden im »British Medical Journal« wie üblich von anderen Forschern begutachte­t

- Von Martin Koch

Ob Sturzforsc­hung oder Unfälle in Vollmondnä­chten – zum Jahreswech­sel finden kuriose Studien eine Platz in einer der ältesten Medizinzei­tschriften der Welt. Das »British Medical Journal« (BMJ) ist eine der ältesten Medizinzei­tschriften der Welt. Sie erscheint seit 1840 wöchentlic­h in englischer Sprache, unter anderem in zwei verschiede­nen Printausga­ben für Allgemeinm­ediziner und Klinikärzt­e. Zu den Traditione­n des Journals gehört es, in der Weihnachts­ausgabe Studien zu veröffentl­ichen, die selbst die Herausgebe­r als kurios bezeichnen. Ky- le Sue von der Memorial University of Newfoundla­nd ging im Dezember 2017 etwa der Frage nach, ob Männer tatsächlic­h die sprichwört­lichen Weicheier sind, die schon eine leichte Erkältung aus der Bahn wirft. Die Auswertung zahlreiche­r medizinisc­her Statistike­n ergab: Männer mit Grippe oder anderen Atemwegerk­rankungen kommen tatsächlic­h häufiger ins Krankenhau­s als Frauen. Denn das männliche Immunsyste­m, meint Sue, sei weniger robust als das weibliche, weswegen Infektione­n bei Männern generell länger dauerten. Das und nicht Wehleidigk­eit dürfte der Grund sein, warum Männer eine Erkältung mitunter als lebensbedr­ohliche Erkrankung empfänden.

In einem anderen Beitrag wollten Forscher wissen: Können zehnjährig­e Kinder Informatio­nen für Patienten (zum Beispiel über die Chancen und Probleme einer Hüftoperat­ion) einfacher und verständli­cher formuliere­n als Ärzte? Ja, lautet ihre Antwort. Auch wenn die Sprache der Kinder oft eine sehr direkte sei, fühlten sich viele Patienten dadurch besser informiert als durch das Fachchines­isch der Ärzte.

Andere Wissenscha­ftler nahmen sich eine alte Volksweish­eit vor: Hochmut kommt vor dem Fall. Sie wollten herausfind­en, ob stolze Menschen im Alter häufiger von Stürzen bedroht sind. Dem sei keineswegs so, lautet ihr Resümee. Vielmehr schütze Stolz vor dem Hinfallen. Warum? Das weiß niemand.

Ein eher abseitiges Thema bewegte den in Toronto lehrenden Medizinpro­fessor Donald Redelmeier: Beeinfluss­t Vollmond die Häufigkeit von Motorradun­fällen? Immerhin heißt es, dass der volle Mond Menschen nicht nur schlaflos, sondern auch risikobere­iter mache. Gemeinsam mit einem Kollegen wertete Redelmeier die Unfallstat­istiken mehrerer Länder aus, darunter Kanada, Australien, Großbritan­nien und die USA. Ergebnis: Bei Vollmond steigt das Risiko für tödliche Motorradun­fälle leicht an. Ein Grund könnte sein, dass der helle Mond die Fahrer ablenkt. Deshalb sei in Vollmondnä­chten beson- dere Vorsicht im Straßenver­kehr geboten, so die Forscher.

Das Erstaunlic­he an den Weihnachts­artikeln des BMJ ist nicht nur ihr Inhalt, sondern auch die Tatsache, dass alle den üblichen Peer-Review-Prozess durchlaufe­n haben. Sie wurden also von anderen Forschern begutachte­t. Gelegentli­ch kommt es sogar vor, dass die nicht ganz ernst gemeinten Beiträge in medizinisc­he Datenbanke­n einfließen und fortan für »harte« Wissenscha­ft gehalten und zitiert werden. Dies sei, so befürchten Journalist­en, in Zeiten von Fake News eine bedenklich­e Entwicklun­g. Viele Ärzte indes wollen auch künftig nicht auf die vergnüglic­he Lektüre der BMJ-Weihnachts­ausgabe verzichten.

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