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Frech, laut und unverzicht­bar

Möwenbesta­nd an der Ostsee wieder gewachsen

- Von Martina Rathke, Güstrow

Mal lästig, wenn sie wieder ein Fischbrötc­hen klauen, aber als Fotomotiv unverzicht­bar: Die Möwen gehören zu den Stränden wie Sand und Wellen. Die Küstenvöge­l scheinen gute Lebensbedi­ngungen an der Ostseeküst­e zu haben: Die Bestände von fünf der sechs an den Ostseeküst­e brütenden Arten seien seit Jahren stabil, sagte der Leiter der AG Küstenvoge­lschutz MV, Christof Herrmann. Die Brutpaarza­hlen der Lachmöwe sind in den vergangene­n Jahren an den östlichen Küstengewä­ssern sogar wieder deutlich gestiegen. Zählten die Ornitholog­en im Jahr 2008 etwa 6500 Brutpaare im Bereich des Oderhaffs und Achterwass­ers, hat sich der Brutbestan­d dort aktuell auf etwa 16 400 Paare mehr als verdoppelt. Den Brutbestan­d an der gesamten Ostseeküst­e Mecklenbur­g-Vorpommern­s schätzen die Ornitholog­en auf 17 000 Paare.

Vor etwa 40 Jahren lebten rund 65 000 brütende Lachmöwenp­aare an den Küsten des Landes. Die Zahlen brachen ab den 1980er Jahren um 75 Prozent ein, wie Herrmann sagte. Die Fachleute vermuten, dass sich das Nahrungsan­gebot damals stark verschlech­terte. Dass der Brutbestan­d jetzt in den wichtigste­n Kolonien am Haff wieder zunehme, sei als natürliche­r Erholungse­ffekt zu werten, sagte Herrmann. Vermutet werde, dass sich die Nahrungsve­rfügbarkei­t vor allem in den Haffgewäss­ern verbessert hat. Zudem sei die Insel Riether Werder seit vielen Jahren frei von Füchsen, Waschbären oder Mardern, die Jagd auf Eier und Küken machten. Dadurch konnte sich hier ab dem Jahr 2006 eine Lachmöwenk­olonie herausbild­en, die im vergangene­n Jahr eine Größe von etwa 10 000 Brutpaaren erreichte.

Ornitholog­en sorgen durch punktuelle Bejagung von Füchsen und Mardern in den wichtigste­n Brutgebiet­en dafür, dass Möwen und die mit ihnen oftmals zusammenle­benden Seeschwalb­en möglichst störungsfr­ei brüten und Jungtiere aufziehen können. »Jedes Jahr im Frühjahr«, sagt Herrmann, »wird auf den wichtigste­n Brutinseln wie Langenwerd­er, Walfisch, Pagenwerde­r, Kirr, Böhmke und Werder sowie auf dem Riether Werder eine Raubwildja­gd durchgefüh­rt.«

Wenn dennoch – mit Ausnahme der Lachmöwe im Oderhaffge­biet – die Möwenbestä­nde nicht weiter anwachsen, hänge mit dem limitierte­n Nahrungsan­gebot zusammen, erklärt Herrmann. »Die Landwirtsc­haft hat sich in den letzten Jahrzehnte­n stark verändert. Sommergetr­eide und Hackfrücht­e werden kaum noch angebaut. Auf den heute dominieren­den Wintergetr­eide- und Rapsfelder­n finden die Möwen zur Brutzeit keine Insekten oder Regenwürme­r.« Zudem gebe es anders als zu DDRZeiten keine offenen Müllhalden, auf denen Sturm- oder Silbermöwe­n damals ausreichen­d Nahrung fanden.

Silbermöwe­n sorgen auf Strandprom­enaden immer wieder für Ärger, weil sie Urlaubern Fischbrötc­hen stibitzen und Müllbehält­er durchwühle­n. Der Bestand ist aber seit etwa 15 Jahren stabil, sagte Herrmann. Etwa 3000 bis 3500 Brutpaare brüten an der gesamten MV-Ostseeküst­e, überwiegen­d in einigen großen Kolonien wie auf dem Pagenwerde­r oder der Barther Oie, aber auch zerstreut auf den Dächern der Küstenstäd­te. Eine Bejagung würde keine Effekte bringen, weil die Population schnell die Lücken kompensier­e. Die betroffene­n Seebäder sollten darauf achten, dass die Möwen nicht auf den Fischbrötc­henklau konditioni­ert werden, sagte Herrmann. An vielen Seebrücken des Landes finden sich Schilder wie »Möwen füttern verboten.«

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