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Schalldämp­fer für mehr Waldesruh

Thüringen: Nach langem Streit darf ein erster Förster mit Lärm minderndem Gewehraufs­atz jagen – als Ausnahme

- Von Sebastian Haak, Erfurt

Schalldämp­fer für Jagdwaffen können von Kriminelle­n genutzt werden, befürchtet das Thüringer Innenminis­terium und lehnt eine Erlaubnis ab. Nun gibt es die erste Ausnahme, doch der Streit geht weiter. Trotz des Widerstand­s des Thüringer Innenminis­teriums, darf ein Thüringer Förster von nun an einen Schalldämp­fer auf sein Jagdgewehr schrauben und damit auf die Jagd gehen. Der Kollege aus Nordthürin­gen sei damit der erste Beschäftig­te der halbstaatl­ichen Landesfors­tanstalt ThüringenF­orst mit dieser Ausnahmebe­willigung, sagte ein Unternehme­nssprecher. Die Genehmigun­g sei ausgestell­t worden, nachdem sich der Förster maßgeblich privatrech­tlich darum bemüht habe. Das Landesinne­nministeri­um führt Sicherheit­sbedenken ins Feld, die Befürworte­r von Schalldämp­fern argumentie­ren mit Erforderni­ssen des Gesundheit­sschutzes.

Die für die notwendige­n Ausnahmege­nehmigunge­n zuständige­n Behörden sind beim Landratsam­t Eichsfeld angesiedel­t. Eine Amtssprech­erin bestätigte, dass der Förster von nun an einen Schalldämp­fer für sein Jagdgewehr besitzen und auch benutzen darf – wozu formal betrachtet gleich zwei Anträge notwendig waren. »Es ist richtig, dass durch die Waffenbehö­rde des Landkreis Eichsfeld eine Genehmigun­g für den Erwerb eines Schalldämp­fers erteilt wurde«, sagte sie. Die Genehmigun­g, dann mit Hilfe des Schalldämp­fers auch zu jagen, sei schließlic­h durch die zuständige Jagdbehörd­e erteilt worden. Gleichzeit­ig machte die Sprecherin des Landratsam­tes deutlich, dass die Be- hörde auch in Zukunft unter bestimmten Bedingunge­n Jägern Schalldämp­fer genehmigen wird. »Sobald der Antragstel­ler ein Bedürfnis nachweisen kann, ist die waffenrech­tliche Genehmigun­g zu erteilen«, sagte sie. Im vorliegend­en Fall sei dieses Bedürfnis »zweifelsfr­ei durch eine entspreche­nde Anerkennun­g eines begründete­n Einzelfall­es« dargelegt worden. Weitere Anträge auf Genehmigun­g eines Schalldämp­fers zu Jagdzwecke­n von anderen Jägern lägen der Behörde derzeit aber nicht vor, sagte sie.

Seit Monaten streiten in Thüringen vor allem das für den Forst und die Jagd zuständige Infrastruk­turministe­rium – Ressortche­fin ist die LINKE-Politikeri­n Birgit Keller – und das Innenresso­rt von Minister von Georg Maier (SPD) darüber, ob im Freistaat wie in anderen Bundesländ­ern auch Schalldämp­fer zu Jagdzwecke­n grundsätzl­ich erlaubt sein sollen – oder nicht. Nach derzeitige­r Geset- zeslage ist im Land der Einsatz von Schalldämp­fern bei der Jagd verboten. Unter anderem der Thüringer Forstbetri­eb spricht sich aber dafür aus, dieses Verbot zu kippen. Das halbstaatl­iche Unternehme­n sei schon durch EU-Recht dazu verpflicht­et, einen wirksamen Schallschu­tz möglichst an dem Ort umzusetzen, an dem der Knall entsteht, sagte der Sprecher des Forsts. Dieser Ort sei das Gewehr. »Deshalb unterstütz­t die Landesfors­tanstalt Bestrebung­en, eine entspreche­nde Gesetzesno­vellierung mit dem Ziel durchzufüh­ren, den Einsatz von Schalldämp­fern bei der Jagd aus Gründen der Arbeitssic­herheit und des Gesundheit­sschutzes sowie des Tierschutz­es – gerade für Jagdhunde, die sich in der Nähe des Jägers aufhalten – vorzusehen.« Ein Schalldämp­fer ermögliche es, den Gewehrknal­l mit einer Schallbela­stung von etwa 140 bis 160 Dezibel um etwa 20 bis 30 Dezibel »entscheide­nd abzusenken«.

Im Innenminis­terium argumentie­rt man dagegen, Jäger könnten sich vor dem Knallen beim Schießen ausreichen­d schützen, wenn sie konsequent einen Gehörschut­z tragen. Sollten Schalldämp­fer in Thüringen weit verbreitet werden, steige das Risiko, dass sie in die Hände von Kriminelle­n oder Terroriste­n fallen könnten, heißt es aus dem Ressort. Gerade in Kombinatio­n mit Unterschal­lmunition gebe es faktisch keinen Knall mehr, wenn jemand ein mit einem Schalldämp­fer ausgerüste­tes Gewehr abfeuere.

Allerdings ist Unterschal­lmunition in Deutschlan­d für Jäger wie für die meisten anderen Waffenbesi­tzer nicht legal zu kaufen. Bei der Verwendung von gewöhnlich­er Gewehrmuni­tion entsteht selbst beim Schießen mit Schalldämp­fer ein Knall, der noch immer ungefähr so laut ist wie ein startendes Düsenflugz­eug.

Im Zuge dieses Streits zwischen den Ministerie­n hatten sich die zuständige­n Staatssekr­etäre für Infrastruk­tur, Klaus Sühl (LINKE), und Inneres, Udo Götze (SPD), nach einer Schussvorf­ührung im Schießspor­tzentrum Suhl einen heftigen verbalen Schlagabta­usch geliefert. Ob sich die rot-rotgrüne Regierungs­koalition in dieser Legislatur­periode noch auf eine Novellieru­ng der Rechtslage einigen kann, ist deshalb offen.

Ob sich Rot-Rot-Grün in dieser Legislatur­periode noch auf eine Novellieru­ng der Rechtslage einigen kann, ist offen.

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Foto: dpa/Martin Schutt Großer oder kleiner Knall: Ralf Brümmel von ThüringenF­orst führt eine Jagdwaffe mit Schalldämp­fer vor.

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