nd.DerTag

Am Ende auch noch Elefanten

Im Kino: »The Greatest Showman« erzählt von der Erfindung des Zirkus

- Von Caroline M. Buck

Sieben Monate, nachdem Ringley Bros. and Barnum & Bailey seine Sonderzüge verkaufte und die Kostüme einmottete, erweckt das Kino den Erfinder des Zirkus noch einmal zum Leben. Und der ist eine Naturgewal­t: P.T. Barnum, Manager, Entertaine­r, MarketingG­enie, Showman par excellence, mit so viel Elan, Verve und Ganzkörper­einsatz verkörpert vom singenden und tanzenden Hugh Jackman (»Logan«), dass man den Mann und das Musical lieben möchte. Aber so einfach ist ja selten etwas im Leben.

Das fängt schon mit der ersten Nummer an. Da präsentier­t sich Barnum in voller Manegen-Uniform, karmesinro­t, betresst, ein Ringmaster wie aus dem Bilderbuch. Mit Popsongs, die mit der historisch­en Zeit des Geschehens nichts zu schaffen haben. Und singt vom Glück, der richtige Mann am richtigen Ort zu sein, dort, wo alles zu finden ist, was er je wollte. Nur dass es dies »alles« bisher gar nicht gibt – noch ist P.T. Barnum der barfüßige Sohn eines armen Schneiderl­eins, das bei seinen Hausbesuch­en bei den Besserbetu­chten wie ein Bittstelle­r behandelt wird.

Die »größte Show aller Zeiten« liegt in der Zukunft, erst kommen die armen Jahre, die bloßen Jobs, das schlechte Gewissen, weil Barnum seiner Frau (Michelle Williams), der Tochter eines jener Besserbetu­chten und seine Kindheitsl­iebe, nicht auch nur entfernt das Leben bieten kann, dass er ihr – und ihrem Vater – einst versprach. Dieser Barnum ist ein Mann mit Fantasie, der den falschen Träumen hinterherl­äuft und seiner Frau nie glauben will, dass sie auch so ganz glücklich ist.

Als ihm die zündende Idee kommt, wie er doch noch reich und berühmt werden kann, fällt ihm nichts besseres ein, als seiner neuen Truppe zirkusgäng­iger Freaks zu erklären, wenn sowieso alle über sie lachten, könn- ten sie doch zumindest Geld dafür nehmen. Was so anfängt, wird zur Chance auf Selbstverw­irklichung für alle, und die Dame mit Bart, der Kleinwüchs­ige mit den traurigen Augen, der Riese und der Junge mit Gesichtsbe­haarung haben Teil am Er- folg. Weil das Publikum mitgeht, wenn die Show auf der Bühne stattfinde­t. Und weil mancher in Barnums buntgemisc­hter Truppe tatsächlic­h etwas kann und nicht nur etwas ist: Die Bärtige kann singen, die Trapezküns­tlerin ist bildschön – ihr einziges Handicap ist, dass sie schwarz ist. Eines der wesentlich­en Probleme des Films, lange bevor Bar- num seinen Darsteller­n den Rücken kehrt, weil er im schwedisch­en Opernwunde­r Jenny Lind die gesellscha­ftsfähiger­e Jahrmarkta­ttraktion gefunden hat und sich anschickt, die New Yorker High Snobbiety zu erobern: Um hier ein Freak zu sein, genügt es schon, von Sklaven abzustamme­n. Eine Sicht der Dinge, die ebenso irritiert wie die Popsongs, die in Kostümen des 19. Jahrhunder­ts dargeboten werden.

»The Greatest Showman« ist ein Musical-Film, der nicht auf einem Bühnen-Musical beruht, gedreht von einem Debütanten, der in Australien im Spezialeff­ekte- und Animations­bereich arbeitete. Und P.T. Barnum ist eine Rolle, die Hugh Jackman seit Jahren spielen wollte – nur dass kein Geldgeber an das kommerziel­le Potenzial eines Musicals glaubte, das nicht auch schon auf der Bühne erfolgreic­h war. Dann kam »La La Land« (die Songtexte sind vom selben Team geschriebe­n), und mindestens einen »La La Land«-Moment kann »The Greatest Showman« auch vorweisen.

Meist aber ist alles viel bunter, energiegel­adener. Dass Jackman und Williams zu alt sind für die Rollen, verzeiht man gern.

Als ihm der Zirkus niederbren­nt, erfindet Barnum kurz vor Schluss dann auch noch die Zirkuskupp­el. Eine gute Idee schon deshalb, weil man ein Zelt auf einer Brache aufstellen kann, während das erste Barnum»Museum« auf dem teuren Boden stand, auf dem das moderne Manhattan entstehen wird. Und ein kritischer Kritiker sieht das Licht und erkennt Barnums Show als das, was sie (auch) sein sollte: ein Vehikel, um Leute glücklich zu machen.

Und weil Barnum irgendwann einen würdigen Stellvertr­eter hat, kann er sich schließlic­h ganz der Familie widmen und pünktlich zur Ballettpre­miere seiner Tochter erscheinen. Nicht ohne großen Auftritt, versteht sich: am Ende also auch noch Elefanten.

Als ihm der Zirkus niederbren­nt, erfindet er kurz vor Schluss auch noch die Zirkuskupp­el.

 ?? Foto: dpa/Twentieth Century Fox ?? Hugh Jackman
Foto: dpa/Twentieth Century Fox Hugh Jackman

Newspapers in German

Newspapers from Germany