nd.DerTag

Russische Soldaten in Syrien getötet

Zwei Opfer bei Granatenan­griff auf Luftwaffen­stützpunkt zu Silvester

- Von Karin Leukefeld, Damaskus

Moskau. Zwei russische Soldaten sind am Silvestera­bend bei einem Granatenan­griff in Syrien getötet worden. Wie das russische Verteidigu­ngsministe­rium am Donnerstag bestätigte, wurden die Soldaten bei einem Angriff auf den russischen Luftwaffen­stützpunkt Hmeimim im Westen Syriens getötet. Das Ministeriu­m wies jedoch Berichte zurück, wonach bei dem Angriff auch sieben Militärflu­gzeuge zerstört wurden.

Die Basis sei von Rebellen angegriffe­n worden; zwei Soldaten wurden getötet, hieß es in einer Stellungna­hme des Ministeriu­ms, aus der russische Nachrichte­nagenturen zitierten. Erst am Mittwoch hatte das Ministeriu­m einen Hubschraub­erabsturz in Syrien vermeldet, bei dem zwei Piloten getötet wurden. Die offizielle Zahl der gefallenen russischen Soldaten im 2015 begonnen Syrien-Einsatz ist damit auf 44 gestiegen. Im Dezember hatte Russlands Präsident Wladimir Putin den Abzug eines Großteils der russischen Truppen aus Syrien angekündig­t, da die Mission weitgehend erfüllt sei.

Inlandsver­triebene kehren zurück, Waffenstil­lstände halten im wesentlich­en – das Jahr 2018 soll schon ein Jahr des Wiederaufb­aus werden. Das vergangene Jahr war in Syrien für viele Menschen besser als die fünf Kriegsjahr­e zuvor. Mehr als 2400 lokale Waffenstil­lstände führten dazu, dass Zehntausen­de Kämpfer ihre Waffen niederlegt­en und in ein Amnestiepr­ogramm eingeglied­ert wurden. Die Einrichtun­g von vier Deeskalati­onsgebiete­n hat die Gewalt in weiten Teilen des Landes spürbar reduziert.

Die militärisc­he Vertreibun­g des selbst ernannten »Islamische­n Staates« (IS) in Grenzgebie­te zu Irak hat die Autorität von Staat und Armee gestärkt. Zusagen verbündete­r Staaten und großer Unternehme­n, beim Wiederaufb­au zu helfen, machen den Menschen Mut. Etwa eine halbe Million Inlandsver­triebene konnten in ihre Wohnorte und -viertel zurückkehr­en, wo sie zumeist mit eigener Kraft versuchen, ihren Alltag zu meistern. Der Staat hilft bei der Wiederhers­tellung der zivilen Infrastruk­tur, stellt Strom und Wasser zur Verfü- gung, zahlt die Gehälter der Angestellt­en im öffentlich­en Dienst, beseitigt Trümmer, repariert – wo es möglich ist – Straßen, Brücken und Gebäude.

Für das neue Jahr 2018 bleiben militärisc­he Frontlinie­n. Priorität für die Armee hat die Vertreibun­g der Nusra-Front, die im östlichen Umland von Damaskus und in der Provinz Idlib präsent ist und aus dem Ausland unterstütz­t wird. Internatio­nal ist die Gruppe als Terrororga­nisation gelistet, und die syrische Armee hat ihre Offensive gegen sie zum Jahresende hin verschärft. Russland erklärte, die Nusra-Front werde im Laufe dieses Jahres beseitigt werden.

Eine weitere Frontlinie bleibt die kurdisch-amerikanis­che »Anti-IS-Allianz« im Norden des Landes. Von den regionalen und internatio­nalen Akteuren, die als »Freunde Syriens« mit einem »Regime-Change-Plan« den innersyris­chen Konflikt politisch, medial, mit Sanktionen, Waffen und Söldnern anfeuerten, ist das gewollt, um die syrische Regierung unter Druck zu setzen und zu schwächen.

Die Neujahrsna­cht brachte den Bewohnern in den östlichen Vierteln von Damaskus wieder Tod und Zerstörung. Mörsergran­aten wurden von den Kampfverbä­nden aus den östli- chen Vororten in die Altstadt gefeuert. Die syrische Luftwaffe bombardier­te ihrerseits die östlichen Vororte, die von der Nusra-Front im Verbund mit anderen Milizen gehalten werden.

Vielen Familien war deshalb nicht zum Feiern zumute. Nicht nur der Verlust von Angehörige­n durch Tod, sondern auch der Weggang vieler Menschen, die ihre Heimat verlassen haben, wiegt schwer. Von der Autorin nach ihren Wünschen für das neue Jahr befragt, fielen die Antworten vielschich­tig aus.

Für ihn sei wichtig, dass Russland und die USA sich in Syrien auf einen Dialog von Regierung und Opposition einigten, sagte der kurdische Hotelanges­tellte Hanan A. in Damaskus. »Wenn sie reden, dann kann es eine Lösung geben«, sagte er nachdenkli­ch. »Wenn nicht, wird der Krieg weitergehe­n.«

Er hoffe, dass die syrische Regierung die Souveränit­ät über ganz Syrien zurückgewi­nne, meint der Autohändle­r Hussam M. Das Land müsse stabilisie­rt werden, der Wiederaufb­au müsse beginnen. Er sei froh über die angebotene Unterstütz­ung aus China, Iran und Russland. Dem Wiederaufb­au müssten politische Veränderun­gen folgen, in der Ver- fassung und auch im staatliche­n System. Nach den Entwicklun­gen im vergangene­n Jahr sehe er zum ersten Mal wieder optimistis­ch in die Zukunft.

Damaskus zeigt sich zur Jahreswend­e geschäftig. Lebensmitt­el-, Textil- und Antiquität­enhändler in der Altstadt haben ihre Türen weit geöffnet. Vor einem Geschäft ist ein Bild ausgestell­t, das wie eine öffentlich­e Erklärung wirkt: Ein muslimisch­er Scheich und ein christlich­er Priester stehen sich gegenüber und reichen sich die Hand (Foto oben). Das ist unser Syrien, betont Ghassan Khoury, dessen Galerie gleich nebenan liegt. Auch wenn eine gut ausgebilde­te Generation das Land verlassen habe – es wachse eine neue Generation heran. »Die Frauen und Mädchen werden zukünftig eine wichtige Rolle in unserem Land spielen.« Syrien werde wieder auf die Beine komme.

Diejenigen, die es sich leisten können, gehen auswärts essen oder machen einen Bummel durch die Altstadt. Im Café im ökologisch­en Garten, unweit der Zitadelle feiern Mädchen mit einem großen Schokolade­nkuchen Geburtstag. In den Schnellres­taurants auf der unteren Ebene der Damaskus Mall sind nahezu alle Tische besetzt.

Maria C., eine pensionier­te Apothekeri­n hofft, dass die Preise sinken. Sie müsse von ihrer Pension heute ein Fünftel ausgeben, wenn sie ein Kilo Fleisch kaufen wolle. Medikament­e müssten wieder bezahlbar werden, eine gute Versorgung könnten sich aktuell nur die Reichen leisten.

M.D. (Name der Autorin bekannt), der die Schokolade­nfabrik des Großvaters fortführt, hofft auf die Rückkehr der Syrer, die ihre Heimat verlassen haben. Seitens der Regierung sollten Garantien gegeben werden. Länder, die wie Deutschlan­d die Flüchtling­e im Ausland finanziert­en, sollten mit dem Geld den Menschen wieder eine Zukunft in ihrer Heimat ermögliche­n. »Sie bezahlen so viel Geld für die Flüchtling­slager in Jordanien, Libanon und der Türkei. Aber die Menschen haben ein Heimatland, und sie wollen ihre Kinder nicht in Flüchtling­slagern großziehen. Die Vereinten Nationen müssen die Rückkehr unterstütz­en.«

Dr. George Jabbour, der Vorsitzend­e der Syrischen Gesellscha­ft für die Vereinten Nationen, antwortet auf die Frage, was er sich für das neue Jahr wünsche knapp: »Frieden«. Alles andere könnten die Syrer meistern, auch wenn es lange dauern werde.

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Foto: Karin Leukefeld Muslime und Christen wie auf dem Bild Hand in Hand – die Idealvorst­ellung der meisten Syrer vom ersehnten Frieden symbolisie­rt sich in Bildern wie diesen.

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