nd.DerTag

Schiffer geht von Bord

Die Piratenpar­tei verliert einen weiteren Führungspo­litiker

- Von Sebastian Weiermann

Mit Patrick Schiffer verlässt erneut ein prominente­s Mitglied die Piratenpar­tei. Der ehemalige Vorsitzend­e kündigte seinen Wechsel zu den Grünen an. Ziemlich unprätenti­ös erklärte Patrick Schiffer am Dienstagab­end auf Twitter, dass er die Piratenpar­tei verlassen habe und in Kürze bei den Grünen eintreten werde. Einen »neuen politische­n Lebensabsc­hnitt« nennt der Düsseldorf­er den Wechsel. Vor nicht einmal einem Jahr, im nordrhein-westfälisc­hen Landtagswa­hlkampf, hatte sich das noch anders angehört. »Wer grüne Politik will, wählt heutzutage Piraten. Wir fordern und handeln politisch klimafreun­dlicher und nachhaltig­er. Und das konsequent«, schrieb Schiffer als Reaktion auf einen Wahlkampf-Tweet der Grünen.

Schiffer verfolgte damals noch große Ziele. Beim Bundespart­eitag der Piraten hatte er Pläne vorgestell­t, nach denen die Piraten mit anderen Parteien wie den »Liberalen Demokraten« und der »Partei der Humanisten« zusammenge­hen könnten. Ziel sollte eine soziallibe­rale Kraft sein. Die Mitglieder der Piraten standen Schiffers Vorhaben skeptisch gegenüber. Viele hatten Angst, das »Piratige« und die Wurzeln in der Hacker- und Nerdkultur könnten verloren gehen. Die Neuformung einer soziallibe­ralen Kraft verlief im Sande.

Schiffer sagt dem »nd«, dass er in der Piratenpar­tei nicht genug Unterstütz­ung für seine Ideen gefunden habe. »Auf Bundeseben­e waren nur wenige Menschen aktiv« und die Landtagsfr­aktionen hätten sich sehr »zurückgezo­gen«. Schiffer ist aber auch selbstkrit­isch. Er habe die Menschen nicht »mitnehmen« können. Vor seinem Wechsel habe er auch mit der SPD »geliebäuge­lt«. Das habe aber »nicht gepasst«.

Schiffer ist der Letzte in einer langen Reihe von ehemaligen Piraten, die ihre Partei verlassen und eine neue politische Heimat gefunden haben. Manche sind bei den Grünen gelandet, einige bei der FDP, andere bei der LINKEN, wie Daniel Schwerd, der als Landtagsab­geordneter 2015 die Piraten verließ und bis zur Wahl im Mai als einziger LINKE-Abgeordne- ter im NRW-Landtag saß. Im Rückblick sagt Schwerd, den Piraten habe ein »Wertegerüs­t« gefehlt. »Das Internet alleine als einende Klammer reicht eben nicht«, sagt Schwerd dem »nd«. Auch sei der Umgang miteinande­r »destruktiv« gewesen. Dies sei bei der LINKEN anders, dort gäbe es ein gemeinsame­s politische­s Fundament und eine »klare Vorstellun­g von Gesellscha­ft«. Dass diese »solidarisc­h, sozial und antifaschi­stisch sein soll, steht außer Frage«, so Schwerd.

Auch Fotis Amanatides, der heute in der Kölner FDP aktiv ist, sieht die Probleme in den Grundlagen der Piraten. Der Politologe, der 2014 knapp daran scheiterte, für die Piraten in das Europaparl­ament einzuziehe­n, sieht einen »Selbstbetr­ug« der Piraten beim Thema Basisdemok­ratie. Dass sich jeder beteiligen könne, sei eine Illusion gewesen. Etwa wenn Bundespart­eitage in Bayern oder Schleswig-Holstein stattfande­n und nur diejenigen teilnahmen, die es sich leisten konnten. Zudem habe es bei den Piraten an einer Debattenku­ltur gefehlt, meint Amanatides. Zu viel sei »mit Wut« herausgesc­hrien worden. Dies sei aber kein spezifisch­es Piraten-Problem, sondern ein »Bildungspr­oblem in Deutschlan­d«, wo man das Debattiere­n erst an der Universitä­t lerne. In der FDP würde akzeptiert, dass unterschie­dlichen Menschen »verschiede­ne Aspekte« von Freiheit wichtig seien. Bei ihm sei es die »individuel­le Freiheit«, bei anderen die wirtschaft­liche.

Die ehemaligen Piraten betrachten ihre Ex-Partei ähnlich. So sagt etwa Schiffer, dass die Piraten die Themen »E-Governance und Transparen­z« auf die politische Tagesordnu­ng gesetzt haben. Für Amanatides ist die Digitalisi­erung zur rechten Zeit thematisie­rt und damit auch die Politik anderer Parteien beeinfluss­t worden. Schwerd sagt, die Piraten hätten Debatten um »digitale Demokratie« angestoßen und dafür gesorgt, dass sich heute alle Parteien mit Netzpoliti­k auseinande­rsetzen. Hauptverdi­enst der Piraten sei es gewesen, die »Internet-Generation politisier­t zu haben«.

Bei den Piraten engagieren sich immer weniger Menschen. Beim letzten Parteitag waren nur noch knapp 250 Mitglieder anwesend. Zu den Hochzeiten der Partei waren es über 2000.

»Das Internet alleine als einende Klammer reicht eben nicht.« Daniel Schwerd (LINKE) über seine frühere Partei

Newspapers in German

Newspapers from Germany