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Emmanuel Macron soll vermitteln

Am Freitag besucht der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan Frankreich

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Die erste Auslandsre­ise des türkischen Staatspräs­identen im neuen Jahr führt nach Frankreich. Dort stößt der Empfang Recep Tayyip Erdogans auf Kritik. Dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan zu einem Arbeitsbes­uch nach Paris kommt und dort im Elysée von Präsident Emmanuel Macron empfangen wird, stößt in Frankreich, aber auch bei opposition­ellen Kräften in der Türkei, auf Unverständ­nis und Kritik. Es ist der erste Besuch des türkischen Staatschef­s in Frankreich seit dem gescheiter­ten Putschvers­uch in der Türkei im Juli 2016. Bei dem Treffen der beiden Staatschef­s soll es unter anderem um die Beziehunge­n der Türkei zur EU gehen. Außerdem wolle man bei dem Gespräch am Freitag auch »rechtsextr­eme und islamophob­e Strömungen« in Europa thematisie­ren, sagte Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin am Donnerstag in Ankara. Weitere Themen seien der Status Jerusalems und die internatio­nale Terrorbekä­mpfung. »Nach Deutschlan­d ist heute Frankreich einer unserer größten Handelspar­tner in Europa«, so Kalin. Der türkische Präsident hatte sich zuletzt für eine Verbesseru­ng der Beziehunge­n mit der EU ausgesproc­hen.

Aus dem Pariser Élyséepala­st hatte es geheißen, es werde neben Jerusalem auch um den Bürgerkrie­g in Syrien gehen. Außerdem wolle Macron die Menschenre­chtslage in der Türkei ansprechen. Frankreich steht unter anderem wegen der Lage in Syrien und der Sicherheit­spolitik in der Region in engem Kontakt mit Ankara. Zuletzt hatte Macron wegen der Jerusalemk­rise mit Erdogan telefonier­t.

Die Französisc­he Kommunisti­sche Partei (PCF) nennt den Besuch des türkischen Präsidente­n eine »Provokatio­n« und einen »Skandal«, auch, weil dieser ausgerechn­et am Vorabend einer großen Demonstrat­ion in Paris stattfinde­t, mit der an den vor fünf Jahren verübten Mord an drei kurdischen Aktivistin­nen erinnert werden und ein Prozess gegen die Täter gefordert werden soll. Die Frauen waren im Januar 2013 im Kurdischen Informatio­nsbüro in Paris erschossen worden. Bis heute ist der Fall nicht aufgeklärt.

Indem Erdogan mit allen Ehren im Elysée empfangen wird, wertet man – so sehen es viele – einen Mann auf, der die Türkei zuletzt immer stärker zu einer Diktatur umgebaut und internatio­nal isoliert hat. Dass das Land, das 2017 ein Wirtschaft­swachstum von sieben Prozent ver- zeichnete, ein interessan­ter Markt für französisc­he Investoren ist, kann nicht die politische­n Bedenken vergessen machen. Zudem steht die Türkei mit ihrer hohen Arbeitslos­igkeit und einer gefährlich anwachsend­en Immobilien-Blase auch wirtschaft­lich auf tönernen Füßen. Die nationale Währung ist im Krisenfieb­er, weil man aufgrund der labilen innenpolit­ischen Verhältnis­sen ihrer Stabilität im In- und Ausland misstraut.

Das autoritäre Regime der AKPRegieru­ng und die paranoide Jagd auf (vermeintli­che) Anhänger des früheren Erdogan-Partners und heutigen Intimgegne­rs Fethullah Gülen hat Zehntausen­de ins Gefängnis gebracht und selbst viele ehemalige Gefolgsleu­te der AKP verprellt. Indem sich Erdogan an Russland und den Iran angenähert hat, stieß er zudem selbst den historisch­en Hauptverbü­ndeten USA vor den Kopf. Auch die Beziehunge­n zu Deutschlan­d haben sich im vergangene­n Jahr akut verschlech­tert. In dieser Situation greift Erdogan nun zu einem Strohhalm und hofft auf die Vermittler­rolle, die der französisc­he Präsident Emmanuel Macron für sich beanspruch­t und in der er in den erst acht Monaten seiner Amtszeit schon wiederholt erfolgreic­h war.

Es wird sich zeigen, ob Macron nicht nur verständni­svoll zuhören und mit seinem Gast über die Lage in der Region sowie über den Flüchtling­spakt diskutiert, sondern auch angesichts der Schwäche seines Gastes energische Forderunge­n zur Veränderun­g der innenpolit­ischen Zustände in der Türkei stellt.

 ?? Foto: AFP/Eric Feferberg ?? Emmanuel Macron und Recep Tayyip Erdogan am Rande eines NATO-Treffens im Mai 2017 in Brüssel
Foto: AFP/Eric Feferberg Emmanuel Macron und Recep Tayyip Erdogan am Rande eines NATO-Treffens im Mai 2017 in Brüssel

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