Österreich: SPÖ hofft auf rotes Wunder
Sozialdemokraten suchen Platz in der Opposition / Klausur gerät zum »Selbstfindungseminar«
Österreichs Sozialdemokraten rüsten sich für Auseinandersetzungen mit der neuen ÖVP-FPÖ-Regierung. Bereits in drei Wochen steht die erste Landtagswahl des Jahres an. Die SPÖ-Granden mit Ex-Kanzler Christian Kern an der Spitze pilgerten am Donnerstag in den niederösterreichischen Wallfahrtsort Maria Taferl. Die roten Spitzen kamen zwar nicht zum Beten. Doch seit der im Eiltempo erfolgten Bildung einer Rechtsregierung von ÖVP und FPÖ machen sich bei den Genossen depressive Gefühle breit. Jetzt aber soll es wieder aufwärtsgehen.
Aber weil selbst in Maria Taferl Wunder rar gesät sind, wird die SPÖ selbst einiges zu ihrer Genesung tun müssen. Wirklich zu feiern gab es am Donnerstag nur den 52. Geburtstag von Parteichef Kern. Ansonsten lief die Klausur auf eine Art Selbstfindungsseminar hinaus. Denn so ganz abgefunden haben sich viele mit der Oppositionsrolle noch nicht. Ex-Verteidigungsminister Hans-Peter Doskozil, der sich jetzt als Finanzlandesrat im Burgenland als künftiger Landes- hauptmann aufbaut, spricht offen aus, dass er den Gang in die Opposition für falsch gehalten hat. »Ich war immer für eine Regierungsbeteiligung«, sagt der ehemalige Polizist, der schon im Wahlkampf als möglicher Querverbinder zur FPÖ galt. Eine rot-blaue Koalition wäre rechnerisch sogar aufgegangen. Doch abgesehen davon, dass sich ÖVP-Chef Sebastian Kurz schon vor der Wahl mit der FPÖ quasi verlobt hatte, hätte so ein Bündnis die Sozialdemokratie zerrissen.
Aber das ist Vergangenheit. Jetzt geht es um die Zukunft – und zwar die sehr nahe. Schon am 28. Januar steht in Niederösterreich die erste von vier Landtagswahlen in diesem Jahr an. Im größten Bundesland gilt es, der ÖVP die absolute Mehrheit abzujagen. Deshalb und weniger wegen der Wunderkräfte von Maria Taferl hat Kern sein Führungsteam in einem niederösterreichischen Dorf versammelt. Und der Ex-Kanzler legte auch gleich los als Oppositioneller, indem er einen Frontalangriff auf die neue Regierung startete. Diese würde den Sozialstaat demolieren, Menschen an den Rand drängen und ihnen alle Hoffnungen und Zukunftsperspektiven nehmen, wetterte Kern.
Tatsächlich hat Kanzler Kurz zum Jahresbeginn zwei erst vor wenigen Monaten von ÖVP und SPÖ noch gemeinsam beschlossene Maßnahmen zur Senkung der Arbeitslosigkeit abgesagt. Weil die Konjunktur so gut läuft, hält die Regierung diese Maßnahmen für verzichtbar. Arbeitslosen, Ex-SPÖ-Verteidigungsminister Hans-Peter Doskozil wollte auch eine Koalition mit der FPÖ in Betracht ziehen die trotz tatsächlich brummender Wirtschaft keinen Arbeitsplatz bekommen, ist es jedoch egal, ob eine ihnen helfende Maßnahme volkswirtschaftlich sinnvoll ist oder nicht.
Kern ortet einen »Angriff« auf die Arbeitslosen und sieht schon den nächsten. Denn Kurz plant auch ein degressives, also mit der Bezugsdauer immer geringer werdendes, Arbeitslosengeld. Die FPÖ-Sozialministerin Beate Hartinger-Klein beteuert zwar, dass es kein österreichisches Hartz IV geben werde, die geplanten Maßnahmen könnten aber in diese Richtung gehen, befürchten Sozialdemokraten und Gewerkschaften.
Im Kampf um die Gunst der in Scharen von der SPÖ zur FPÖ abgewanderten Wähler schreckt Kern auch nicht vor einem Schuss ausländerfeindlichem Populismus zurück. Die Regierung plant nämlich eine Ausweitung der Liste jener Mangelberufe, in denen kaum einheimisches Personal zu finden und freie Arbeitsplätze daher auch mit Bewerbern aus Nicht-EU-Staaten besetzt werden können. »Frisöre und Automechaniker werden in Zukunft in Konkurrenz treten zu Arbeitnehmer/innen aus Osteuropa, aus der Ukraine und Weißrussland«, warnt der SPÖ-Vorsitzende und kann sich dabei des Beifalles der Gewerkschaften sicher sein.
Der Stoff für neue Konflikte wird Kern nicht ausgehen. Denn während die SPÖ in Maria Taferl tagte, begann im steirischen Kloster Seggau eine zweitägige Regierungsklausur, nach der am Freitag wohl neue Sparpläne präsentiert werden.