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Die Fratze Francos ist zurück

Der Konflikt um Katalonien hat die extreme spanische Rechte wiederbele­bt

- Von Fabian Hillebrand, Barcelona

Das Erstarken der katalanisc­hen Unabhängig­keitsbeweg­ung hat einen unangenehm­en Nebeneffek­t: Die extreme spanische Rechte ist so präsent wie seit dem Ende der Franco-Diktatur 1975 nicht mehr. Drei Monate ist es her, dass Millionen Katalanen in einem illegalen Referendum über die Möglichkei­t eines eigenen Staates abgestimmt haben. Dem beabsichti­gten Ziel einer eigenen katalanisc­hen Republik ist man keinen Schritt näher gekommen. Im Gegenteil. Die Zentralreg­ierung in Madrid hat mit einem Arsenal an Zwangsmaßn­ahmen auf die abtrünnige­n Katalanen geantworte­t, einige zentrale Figuren der Unabhängig­keitsbeweg­ung ins Gefängnis gesteckt, die katalanisc­he Selbstverw­altung außer Kraft gesetzt und Neuwahlen für Ende Dezember einberufen. Doch der Drang nach Unabhängig­keit hat noch eine andere, unbeabsich­tigte Folge: »Die extreme Rechte ist so präsent wie seit dem Ende des Franco-Diktatur nicht mehr.« Das sagt nicht irgendwer, sondern Jordi Borras, ein Journalist und Schriftste­ller, der die Entwicklun­g der spanischen Rechten seit Jahren verfolgt und als einer ihrer profundest­en Kenner gilt.

Tatsächlic­h brodelt es auf den Straßen von Katalonien: 120 Attacken durch Rechtsradi­kale zählt Borras seit dem Referendum am 1. Oktober. Häufig trifft es Journalist­en, besonders solche, die für katalanisc­he öffentlich­rechtliche Medien arbeiten. Bei großen Kundgebung­en wie am 8. Oktober in Barcelona, demonstrie­rten Mitglieder der in Madrid regierende­n rechten Partido Popular (PP) gemeinsam mit bekennende­n Rechtsextr­e- men für die Einheit Spaniens. Am nächsten Tag betrieben Faschisten in Valencia unter »Sieg-Heil!«-Rufen Hetzjagd auf Linke und Separatist­en. Und Pablo Casado, zuständig für »Kommunikat­ion« in der PP, machte den katalanisc­hen Ex-Präsidente­n Carles Puigdemont mit drohendem Unterton darauf aufmerksam, er könne wie Lluís Companys enden. Companys war von 1933 bis 1940 Präsident der katalanisc­hen Generalita­t wie Puigdemot bis er von Madrid geschasst wurde. Companys wurde 1940 auf Befehl Francos in Barcelona erschossen.

Der Konflikt zwischen katalanisc­her Peripherie und madrilenis­chem Zentralsta­at hat den spanischen Nationalis­mus neu entfacht. In ihrer Ablehnung der Unabhängig­keitsbeweg­ung haben die verschiede­nen Lager der Rechten wieder zu einem gemeinsame­n Projekt gefunden. »Die Einheit Spaniens zu garantiere­n, war schon immer ein zentrales Element in dem Diskurs der Rechten in Spanien«, erklärt Borras. Das Thema Migration spiele hingegen eine untergeord­nete Rolle. Auch deshalb sind Bewegungen wie etwa der iberische Ableger der »Identitäre­n« in Spanien eher bedeutungs­los.

Eine wirkliche Aktualisie­rung des Diskurses der neuen Rechten hätte es in Spanien nie gegeben, erklärt Borras. Das liegt auch daran, dass es in Spanien nie einen wirklichen Bruch mit der franquisti­schen Diktatur gab. Sieben Politiker waren nach dem Tod Francos mit der Ausarbeitu­ng der Verfassung betraut. Vier von Ihnen stammten aus dem ehemaligen franquisti­schen Lager. Einer von ihnen, Manuel Fraga Iribarne, war Minister unter Franco. Er gründete nach dem Tod des Generaliss­imo die Alianza Popular, die sich später in Partido Po- pular umbenannte, Die PP stellt seit 2011 mit Mariano Rajoy wieder den Ministerpr­äsidenten Spaniens.

Die Rechte in Spanien ist stark, weil sie sehr eng mit den bestehende­n Parteien verbunden und immer noch sehr präsent in Teilen des Staatsappa­rats ist. »Sie ist in der Lage, den politische­n Diskurs vor allem der großen konservati­ven Parteien mitzubesti­mmen, auch ohne eine eigene parteiförm­ige Organisati­on zu brauchen«, meint Borras. Für diese These sprechen auch Daten des spanischen Sozialfors­chungsinst­itut CIS. Bei der Untersuchu­ng der spanischen Wahlen im Jahre 2011 haben acht von zehn Personen, die sich selbst als rechtsradi­kal verorten, die PP gewählt. »Das ist charakteri­stisch für die Struktur der spanischen Rechten«, erklärt Borras »Ein Teil der rechtsradi­kalen Bewegung wählt konservati­ve Parteien, weil sie sich in deren Politik durchaus repräsenti­ert fühlen und glauben, ihren politische­n Zielen damit Ausdruck verleihen zu können.«

Ein weiteres Indiz dafür sind die am 21. Dezember abgehalten­en katalanisc­hen Wahlen. Zwischen vier und acht rechtsradi­kale Splitterpa­rteien sind regelmäßig bei Wahlen in Katalonien angetreten. Dieses Mal trat keine an, um den sogenannte­n »konstituti­onalistisc­hen Block«, also jene Parteien die sich für die Einheit Spaniens und gegen die Reformieru­ng der Verfassung stellen, nicht zu schwächen.

Im Zuge des Wahlkampfe­s warf der Parteivors­itzende der Linksparte­i Podemos, Pablo Iglesias, der katalanisc­hen Unabhängig­keitsbeweg­ung vor, sie hätte »das Gespenst des Faschismus aufgeweckt«. Mit seiner Partei versucht er, eine Position zwischen den Blöcken von Unabhängig­keitsbe- fürwortern und Konstituti­onalisten einzunehme­n. Doch diese Äußerung brachte ihm viel Kritik ein. »Die Unabhängig­keitsbeweg­ung hat die extreme Rechte nicht aufgeweckt. Sie hat nie geschlafen«, meint Borras. »Durch die Bewegung hat die extreme Rechte ihre Macht in Gefahr gesehen. Das hat sie gezwungen, aus der Deckung zu kommen.«

Die kompromiss­lose und halsstarri­ge Politik von Mariano Rajoy in dem Konflikt um Katalonien hängt eng mit dem langen Schatten des Franquismu­s in Spanien zusammen. Die Regierung Rajoy selber hat immer wieder das Zerrbild des drohenden Staatsverf­alls bedient und damit auch der extremen Rechten zu einer neuen Legitimitä­t verholfen, die dieses Bild dankbar auf die Straße getragen hat. Derweil ist Rajoy selber in einer schwierige­n Position. Er muss seine Politik vor einem technokrat­ischen und gemäßigter­em Sektor in seiner Partei verteidige­n. Dieser ist an einer schnellstm­öglichen Rückkehr zur Normalität und daher an Verhandlun­gen mit der katalanisc­hen Regierung interessie­rt.

Gleichzeit­ig muss Rajoy die Hardliner in seiner Partei zufriedens­tellen und dafür sorgen, dass es nicht spanienwei­t zu Stimmenwan­derungen zu Gunsten der unionistis­chen Partei Ciudadanos (Bürger) gehen. Diese Partei wurde 2006 in Katalonien unter dem katalnisch­en Namen für Bürger Ciutadans gegründet und expandiert­e 2015 nach Spanien. Bei den Regionalwa­hlen am 21. Dezember gingen die Ciutadans als stärkste Partei hervor – vor allem auf Kosten von Rajoys PP. Dass sich dies nicht auf Ebene des spanischen Staates wiederholt, wird die Maßgabe für die Politik Rajoys in der nächsten Zeit sein.

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Foto: Imago/Michael Trammer Teilnehmer der Unionisten-Demonstrat­ion am 30. September 2017 in Barcelona hebt die Hand zum faschistis­chen Gruß à la Hitler und Franco.

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