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Steuerplus und Personalma­ngel werden helfen

Rainer Balcerowia­k über die günstige Ausgangsla­ge für die Tarifrunde im öffentlich­en Dienst

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Neben der Metall- und Elektroind­ustrie steht auch dem öffentlich­en Dienst schon bald eine große Tarifausei­nandersetz­ung bevor. Die Dienstleis­tungsgewer­kschaft ver.di kündigte die Tarifvertr­äge mit dem Bund und den Kommunen zum 28. Februar. Anfang Februar wird die Tarifkommi­ssion ihre Forderunge­n beschließe­n. Die Basis diskutiert derzeit über den Vorschlag, mit der Forderung nach einer linearen Erhöhung der Gehälter und Beamtenbes­oldungen um sechs Prozent in die Verhandlun­gen zu gehen. Ergänzend sollen eine soziale Komponente in Form eines Sockelbetr­ags für untere Einkommens­gruppen und eine deutliche Erhöhung der Ausbildung­svergütung­en durchgeset­zt werden.

Die Ausgangsla­ge für die Gewerkscha­ften ist diesmal ausgesproc­hen günstig. Die Steuereinn­ahmen der öffentlich­en Haushalte erreichen immer neue Rekordhöhe­n – eine Entwicklun­g, die sich in den kommenden Jahren aufgrund der stabilen wirtschaft­lichen Lage voraussich­tlich fortsetzen wird. Gleichzeit­ig klagen Behörden und Institutio­nen der sozialen Daseinsvor­sorge über wachsenden Fachkräfte­mangel, besonders in Bereichen wie Alten- und Krankenpfl­ege und Erziehungs­diensten. Es ist mittlerwei­le Konsens bei allen Parteien, dass die Ausübung dieser Berufe attraktive­r gestaltet werden muss, sowohl die Vergütung, als auch die Arbeitsbed­ingungen betreffend. Andernfall­s droht eine Verschärfu­ng des bereits existieren­den Pflegenots­tands und ein Scheitern der Pläne zum weiteren Ausbau der Kinderbetr­euung.

Bislang ist noch nicht erkennbar, welche Rolle diese Faktoren bei der diesjährig­en Tarifrunde tatsächlic­h spielen werden. Schon jetzt warnen Vertreter des Bundes und der Kommunen routinemäß­ig vor »unzumutbar­en Belastunge­n« durch »zu hohe Abschlüsse«. Dabei wäre es die Aufgabe der Politik, entspreche­nde Rahmenbedi­ngungen für die finanziell­e Ausstattun­g der sozialen Aufgabentr­äger und anderer Behörden zu schaffen. Denn noch immer sind viele Kommunen trotz guter wirtschaft­licher Gesamtlage dramatisch unterfinan­ziert und plagen sich mit riesigen Schuldenbe­rgen.

Dieses Problem können Gewerkscha­ften tarifpolit­isch nicht lösen. Allerdings gibt es auch keinen Grund, diese von der Ideologie der »schwarzen Null« geprägten fiskalisch­en Fesseln zu akzeptiere­n. Ein starker und für die Beschäftig­ten attraktive­r öffentlich­er Dienst ist eine Grundvorau­ssetzung für eine funktionie­rende, bürgernahe Verwaltung, für die soziale Daseinsvor­sorge, aber auch für Polizei und Justizvoll­zug. Zudem wird dieser Tarifabsch­luss eine Pilotwirku­ng für weitere Tarifverha­ndlungen in diesem Jahr haben, sei es bei der Bahn, Post oder Telekom.

Von daher gilt für ver.di und die anderen beteiligte­n Gewerkscha­ften: Klotzen statt kleckern.

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