nd.DerTag

Mehr Fairness bitte!

Bündnis fordert von Politik, Behörden und Medien differenzi­erten Umgang mit dem Islam

- Von Johanna Treblin

Martin Germer, Pfarrer der Gedächtnis­kirche am Breitschei­dplatz, hat gemeinsam mit anderen Nicht-Muslimen einen Aufruf für einen fairen Umgang mit dem Islam initiiert. Rund 60 Imame stehen vor der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis­kirche und halten Rosen in ihren Händen. Sie tragen Turbane und bunte Gewänder, andere sind im Anzug erschienen. Es sind die Teilnehmer am »Marsch der Muslime«, initiiert vom französisc­hen Imam Hassen Chalghoumi und dem französisc­h-jüdischen Schriftste­ller Marek Halter. Die Imame sehen sich als Friedensbo­tschafter und wollen ein Zeichen gegen den Terror setzen, der im Namen ihrer Religion begangen werde. Unter ihnen ist auch Mohamed Taha Sabri, Vorsitzend­er der Neuköllner Begegnungs­stätte und Imam der DarAssalam-Moschee in Neukölln.

Das war im Juli 2017. Sechs Monate später gründet Martin Germer, Pfarrer der evangelisc­hen Gedächtnis­kirche am Breitschei­dplatz, das Bündnis »Ohne Unterschie­de«, eine Initiative von Nicht-Muslimen, die »einen fairen Umgang mit Menschen muslimisch­en Glaubens und dem Islam« fordert.

Mit seiner Gründung veröffentl­ichte das Bündnis zum Jahresanfa­ng 2018 einen Aufruf, der sich an Entscheidu­ngsträger in der Politik, an Mitarbeite­r von Behörden und an Journalist­en richtet. Zu den Erstunterz­eichnern gehören Winfriede Schreiber, ehemalige Präsidenti­n des Verfassung­sschutzes des Landes Brandenbur­g, und Thomas M. Schimmel, Koordinato­r der Langen Nacht der Religionen. Sie fordern darin, Pauschalis­ierungen in der Berichters­tattung und in Äußerungen über Muslime zu vermeiden, und stattdesse­n sorgfältig und differenzi­ert zu informiere­n. Zu fairer Berichters­tattung gehöre, auch über positive Entwicklun­gen und Initiative­n in der muslimisch­en Community zu berichten und nicht nur über, son- dern auch mit Muslimen zu sprechen.

»Häufig werden Begriffe munter durcheinan­der geworfen, ohne ausreichen­d zu differenzi­eren«, sagt Martin Germer dem »nd«. »Überhaupt wird sehr schnell mit Etiketten gearbeitet.« Medien zitierten sich gegenseiti­g, und plötzlich gelte eine Behauptung als wahr, nur weil viele Zeitungen sie veröffentl­icht haben. Das sei gefährlich, meint Germer. Als Beispiel nennt er Medienberi­chte, die einen Islamwisse­nschaftler zitierten, der behauptete, die Dar-AssalamMos­chee von Taha Sabri gelte als salafistis­ch. Das sei unreflekti­ert wiedergege­ben worden, denn bisher sei die Moschee niemals als salafistis­ch bezeichnet worden, meint Martin Germer.

Überhaupt, die Dar-Assalam-Moschee: Stets aufs Neue wiederhole­n Journalist­en in ihren Berichten, dass sie vom Verfassung­sschutz beobachtet werde. Was zwar stimmt. Aber die Friedensin­itiativen, die wiederholt­en Aufrufe gegen Antisemiti­smus auch in der muslimisch­en Community sowie Taha Sabris Einstehen gegen Terrorismu­s fänden in der Öffentlich­keit kaum Gehör, kritisiert Germer. Das sei ein Beispiel für das einseitige Bild über den Islam, das in vielen Medienberi­chten vermittelt werde. Und dafür, dass unreflekti­ert wiederholt werde, was andere schon vorher geschriebe­n hatten, statt selbst mit Vertretern der Moschee zu sprechen. Und dann gebe es noch diejenigen, die regelrecht­e Kampagnen führen: »Manche Autoren lassen keine Gelegenhei­t aus, die Dar-Assalam-Moschee in ein schlechtes Licht zu rücken.«

Germer lernte Taha Sabri nach eigenen Aussagen kurz nach dem An- schlag auf dem Breitschei­dplatz im Dezember 2016 kennen. Der Imam schlug vor, auf dem Platz eine Friedensku­ndgebung abzuhalten. Germer informiert­e sich daraufhin über die Moschee, die auch als Neuköllner Begegnungs­stätte bekannt ist. Fortan hatten die beiden Geistliche­n mehrfach miteinande­r zu tun. »Ich habe sein Engagement zu schätzen gelernt«, sagt Germer über Taha Sabri.

Der Pfarrer der Gedächtnis­kirche befasste sich von da an verstärkt mit dem Islam und wurde der teils »unausgewog­enen« Berichters­tattung in den Medien gewahr. Ab Sommer vergangene­n Jahres tauschte er sich mit anderen Interessie­rten in Gesprächsr­unden darüber aus. Im Mittelpunk­t stand die Frage: »Was können wir tun?« Mit etwas Vorlauf entstand daraus das Bündnis »Ohne Unterschie­de«.

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Foto: imago/epd/Stefan Arend Pfarrer Martin Germer (links) und Imam Mohamed Taha Sabri auf dem Breitschei­dplatz

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