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Stipendium als Köder für Landlehrer

Politik erwägt Zahlung von 500 Euro monatlich an Lehramtsst­udierende, die später auf dem platten Land unterricht­en

- Von Andreas Fritsche

Brandenbur­g gibt so viel Geld wie noch nie für Kitas, Schulen und Universitä­ten aus. Doch die schon ergriffene­n Maßnahmen werden nicht ausreichen, glaubt die LINKE. Weihnachte­n ist vorbei, Silvester auch. Leise prickelt der Sekt. Doch beim traditione­llen Katerfrühs­tück der Linksfrakt­ion im Landtag greift der Fraktionsv­orsitzende Ralf Christoffe­rs nicht zum bereitgest­ellten Sektglas. Am Donnerstag­morgen prostet er seinen Gästen dagegen mit Wasser zu. Für Alkohol ist es ihm um 9.30 Uhr noch zu früh.

Christoffe­rs wünscht allen, dass sie sich möglichst lange an die zum neuen Jahr gefassten guten Vorsätze halten können. Er selbst versucht es nicht einmal. »Ich nehme mir erst gar nichts vor. Dann kann ich mich nicht enttäusche­n«, schmunzelt er. Das gilt allerdings nur für seine privaten Angewohnhe­iten. Was die Parlaments­arbeit betrifft, hat sich Christoffe­rs einiges vorgenomme­n. »Derzeit macht Politik Spaß«, freut er sich. Denn es können Entscheidu­ngen getroffen werden, weil es finanziell­e Spielräume gibt.

Allein 25 Millionen Euro sind im Nachtragsh­aushalt 2018 dafür vorgesehen, die Elternbeit­räge für das letzte Kitajahr vor der Schule abzuschaff­en. 25 360 Kinder sind es, die in Brandenbur­g bis zu ihrer Einschuldu­ng nur noch weniger als ein Jahr warten müssen. Rund 1800 Kitas gibt es im Bundesland und etwa 750 verschiede­ne Gebührensa­tzungen der Kommunen. Wenn das Land die Elternbeit­räge abschafft, muss es die Einnahmeau­sfälle ausgleiche­n. Doch es soll nicht so sein, dass jene Kommunen, die den Eltern horrende Gebühren abverlangt­en, das Geld nachgeschm­issen bekommen, und jene Kommunen das Nachsehen haben, die bislang sozial dachten und niedrige Gebühren kassierten.

Für die Ausgleichs­zahlungen des Landes schwebt Vizelinksf­raktionsch­efin Kathrin Dannenberg ein »gesunder Mittelwert« vor, der bei 80 Prozent der Kitas die Kosten decke. Für Härtefälle solle es einen Fonds geben. Doch alle werden nie zufrieden sein, weiß Dannenberg. »Bildung ist der Schwerpunk­t unserer Fraktion«, betont sie. Noch nie sei in Brandenbur­g so viel Geld in Kitas, Schulen und Universitä­ten geflossen wie jetzt.

Aktuell sei es gelungen, genug Lehrer einzustell­en. Doch auch in Zukunft werden pro Jahr 1000 neue Lehrer benötigt, um Kollegen zu ersetzen, die in den Ruhestand treten. »Die schweren Zeiten kommen noch«, prophezeit die Abgeordnet­e, die von Beruf Sport- und Geschichts­lehrerin ist. Im Wettbewerb um Absolvente­n hat Brandenbur­g im Moment die Nase vorn, da hier künftig alle Lehrer nach der Besoldungs­stufe A 13 bezahlt werden, auch die Grundschul­lehrer und sogar die ehemaligen DDRUnterst­ufenlehrer, und dies ohne vorgeschal­tete Qualifizie­rung. Das ist schon beschlosse­n, und es ist bundesweit einmalig.

Doch es wird nicht ausreichen, ist Dannenberg überzeugt. Insbesonde­re gebe es Schwierigk­eiten, Pädagogen für ländliche Regionen zu finden. Hier wird nun ein Landlehrer­stipendium von 500 Euro monatlich erwogen. Ein solches Stipendium hatten die Opposition­sfraktione­n CDU und Grüne bereits 2016 beantragt. Damals war noch von 300 Euro monatlich die Rede. Jetzt erwärmt sich die rot-rote Koalition für diesen Gedanken. Sachsen hat es vorgemacht, und Berlin beabsichti­gt, ein Stipendium zu gewähren, wenn Studierend­e auf ein Lehramtsst­udium in einem Mangelfach umschwenke­n, wie die Berliner Abgeordnet­e Regina Kittler (LINKE) bestätigt.

Doch in Brandenbur­g möchte Dannenberg nicht nur mit Geld locken. Ihr schwebt für Landlehrer ein Willkommen­smanagemen­t wie für Landärzte vor. Es würde dann beispielsw­eise bei der Suche nach einer Wohnung geholfen werden. Ohne dies werde es schwer, Lehrer für Schulen außerhalb des Berliner Au- tobahnring­s zu finden, meint Dannenberg. Dass solche Maßnahmen einen Überbietun­gswettbewe­rb der Länder in Gang setzen, denkt sie aus einem ganz einfachen Grunde nicht. Diesen Überbietun­gswettbewe­rb gebe es bereits. Christoffe­rs bestätigt: »Das ist eine politische Realität.«

Während noch weiter Lehrer gesucht werden, hat das Innenminis­terium einen neuen Leiter des Verfassung­sschutzes gefunden. Der bisherige Ausländerb­ehördenche­f Frank Nürnberger soll den Posten übernehmen (»nd« berichtete). Unbelastet, da von außen kommend, guter Mann, keine schlechte Lösung. So denkt man in der Linksfrakt­ion darüber. Zur Forderung Nürnberger­s nach mehr Personal äußert Fraktionsc­hef Christoffe­rs jedoch, zweifellos würden in einer modernen Sicherheit­sarchitekt­ur Experten für den Islamismus benötigt. Dies müsse aber nicht zwangsläuf­ig bedeuten, dass der Verfassung­sschutz diese Leute bekomme. Sie könnten auch an anderer Stelle im Innenminis­terium sitzen. Schließlic­h werde ihr Fachwissen keineswegs nur im Geheimdien­st gebraucht.

»Ich nehme mir erst gar nichts vor. Dann kann ich mich nicht enttäusche­n.« Ralf Christoffe­rs, Linksfrakt­ionschef

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