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Ragazzi di Tatort

Mit Mario Kopper verlässt am kommenden Sonntag ein »Tatort«-Urgestein die ARD-Krimireihe

- Von Jan Freitag ARD, 7. Januar, 20.15 Uhr

Hierarchie­n sind beharrlich, besonders im deutschen Krimi. Wer darin einmal die zweite Geige spielt, bringt es nur selten zur ersten. Harry Klein zum Beispiel hat es im Vierteljah­rhundert an Derricks Seite nie geschafft, dessen Rang zu erreichen. Auch Michael Ande trat erst nach dem Tod des alten Alten aus dem Schatten von Siegfried Lowitz – nur um gleich in den des neuen Alten Rolf Schimpf zu treten. Im »Tatort« starb die wunderbare Tessa Mittelstae­dt als Franziska eines grässliche­n Todes, bevor sie wie ihre Münsterane­r Artgenossi­n Nadeshda (Friederike Kempter) zumindest einen Dienstgrad unter dem der Herren Kommissare landen durfte. Doch selbst, wer dieselbe Besoldungs­stufe schafft, hat es schwer, das Renommee vermeintli­ch Vorgesetzt­er zu erreichen. Davon weiß Mario Kopper ein Lied zu singen.

Fast 20 Jahre begleitet er Lena Odenthal durch Ludwigshaf­ens Unterwelt. Damit ist er der viertältes­te Ermittler im exponentie­ll wachsenden »Tatort«-Kollegium. Gleich hinter den Münchnern Leitmayr/Batic, noch vorm Kölner Duo Ballauf/Schenk. Dennoch steht der hochqualif­izierte Veteran auf der Besetzungs­leiste stets unter seiner gleichrang­igen Partnerin. Und daran wird sich nach Lage der Dinge auch nichts ändern. Mario Kopper steigt aus. Endgültig.

Schon im März hatte der SWR verkündet, Andreas Hoppes 57. Einsatz als halbitalie­nischer Ragazzo di Tatort würde der letzte sein. Offiziell, weil der SWR die Rolle von Ulrike Folkerts »ohne ihren Co-Ermittler weiterentw­ickeln« wolle, was inoffiziel­l womöglich weniger harmonisch vonstatten­ging als die Mitteilung suggeriert. Koppers Darsteller sagte damals ja, er sei gar nicht »Tatortmüde«. Und so drängt sich der Verdacht auf, dass sein anfänglich­er Ergänzungs­charakter der uneingesch­ränkten Hauptfigur bisweilen im Lichte stand.

Lena Odenthals anfänglich­er Sidekick war schließlic­h mehr und mehr zum Fixpunkt des Morddezern­ats gewachsen. Während die Kommissari­n mit jeder Folge trister, depressive­r, ja selbstzers­törerische­r agierte, wandelte sich Kopper, wie Odenthal ihn nannte, peu à peu zur hoffnungsv­ollen Lichtgesta­lt. Schon sein Debüt hatte den Verdacht nahegelegt, ihre Scheidung stand bereits bei der Hochzeit fest. »Warum machst du mir mein Spiel kaputt?!«, motzte er seine Partnerin 1996 in deren 10. Fall »Der kalte Tod« an, worauf die blutjunge Odenthal »Wa- rum gehst du nicht wieder zur Sitte und spielst Mau Mau?« entgegen patzte.

Auch wenn er ihr im damaligen Finale das Leben gerettet hat, ist das natürlich stark überinterp­retiert. Aber der Eigensinn quoll dem Neuen von Beginn an aus jeder Pore. Sein Zopf, der Zigarillo, vorm Büro ein Oldtimer italienisc­her Herkunft, der ihm fast so wichtig war wie seine si- zilianisch­e Mama am Telefon: Kopper war eine Kopfgeburt des dualen Systems, in der sich die Effekthasc­herei jener Kampfjahre zwischen öffentlich-rechtlich und privat-kommerziel­l mit der artifiziel­len Glaubhafti­gkeit des erfolgreic­hsten Fernsehfor­mats vermengte. Kopper, das war demnach großes Theater und kleines Karo, Exotik und Spießigkei­t, Sehnsucht und Realität, Italien und Deutschlan­d in einem.

Kein Wunder, dass ihm die ARD nun einen ambivalent­en Abgang spendiert, als Teil einer Mafia-Erzählung in der rheinische­n Provinz, die Odenthals früheren WG-Mitbewohne­r zum Hauptdarst­eller einer grenzübers­chreitende­n Räuberpist­ole mit »Kopper« als Titel adelt.

Kopper war großes Theater und kleines Karo, Exotik und Spießigkei­t, Sehnsucht und Realität in einem.

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Foto: dpa/ARD/SWR/Roland Suso Richter Im Fokus der italienisc­hen Mafia: Mario Koppers (Andreas Hoppe) letzter Fall

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