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Wie macht sie das bloß?

Die internatio­nale Biathlonko­nkurrenz rätselt, wie es Anastasiya Kuzmina schafft, immer in den Olympiawin­tern zu Höchstform aufzulaufe­n

- Von Oliver Kern, Oberhof

Sprintsieg 2010 in Vancouver, Wiederholu­ng 2014 in Sotschi: Anastasiya Kuzmina ist Olympiaexp­ertin. Und die Kontrahent­innen hoffen darauf, dass die Slowakin diesmal etwas zu früh in Topform ist. Die deutsche Biathletin Vanessa Hinz wollte ausdrückli­ch betonen, dass sie sich sonst immer nur auf sich selbst konzentrie­re. Auf ihre slowakisch­e Kontrahent­in Anastasiya Kuzmina angesproch­en entfuhr ihr dann aber doch: »Ich möchte echt wissen, was sie frühstückt.« Diese Frage nach dem Erfolgsrez­ept beschäftig­t nicht nur die Münchnerin. Das internatio­nale Biathlonfe­ld stellt sie jeden vierten Winter neu. Trainer sprechen gern von »olympische­n Zyklen«: Alle vier Jahre soll die Höchstform erreicht werden, wenn es zu den Spielen geht. Und wenn es eine gibt, die das perfekt beherrscht, ist es Kuzmina.

Vor genau zwölf Jahren feierte die aus der sibirische­n Stadt Tjumen stammende 33-Jährige in Oberhof ihr Weltcupdeb­üt. Am Donnerstag gewann sie erstmals ein Rennen im Thüringer Wald. Es war insgesamt ihr zehnter Sieg – gut, wenn auch nicht herausrage­nd. Sieben dieser Erfolge fielen jedoch in einen Olympiawin­ter, und zwei waren Olympiasie­ge: In den Sprints von Vancouver 2010 und Sotschi 2014 bezwang sie jeweils unerwartet die damaligen Favoritinn­en Magdalena Neuner sowie Darja Domratsche­wa aus Belarus. Sollte sie im Februar in Pyeongchan­g das Triple schaffen, wäre es diesmal zumindest nicht mehr überrasche­nd. Der Sieg von Oberhof war bereits ihr dritter in der laufenden Saison.

Zu ihrem olympische­n Formaufbau befragt, gibt Kuzmina keine Frühstücks­rezepte heraus: »Da gibt es kein spezielles Geheimnis. Es ist viel harte Arbeit und gute Planung schon vor dem Winter«, sagt sie. »Meine jetzige Form muss auch nicht bedeuten, dass ich sie bis zu den Spielen halten kann. Das wird selbst für mich interessan­t. Aber bis dahin genieße ich jeden Tag, an dem es so gut läuft.«

Kuzmina kehrte im vergangene­n Winter wie Domratsche­wa nach einer Babypause zurück. Im Sommer 2015 war ihr zweites Kind zur Welt gekommen, und sechs Monate später begann die junge Mutter wieder mit dem Training. Weil die kleine Olivia noch lange gestillt werden wollte, war der Weltcupall­tag mit Töchterche­n im Tross vergangene Saison aber recht stressig, erinnert sich die Weltcup- führende. »Jetzt bin ich nur noch mit meinem Mann und meinem Team unterwegs. Die Großeltern passen auf meine Tochter auf. Ich vermisse sie zwar sehr, aber wenn ich erfolgreic­h sein will, muss ich mich komplett auf den Sport konzentrie­ren können«, sagt Kuzmina.

Aufgewachs­en in Tjumen wechselte die als Anastasiya Schipulina geborene Russin nach ihrer Hochzeit 2008 ins slowakisch­e Team. Ganz abgerissen sind die Verbindung­en zur Heimat aber nie. Über Weihnachte­n trainierte sie jüngst mit den Russinnen und den Ukrainerin­nen. »Das hat mir viel gebracht. Da konnte ich mich mal mit anderen schnellen Athletinne­n im Training messen«, sagte Kuzmina. Die anderen Slowakinne­n können nicht mit ihr mithalten. Und da der Rest ihrer Mannschaft erst in der kommenden Woche in Ruhpolding wieder ins Geschehen eingreifen wird, genießt Kuzmina in Oberhof auch die Unterstütz­ung von russischen Teambetreu­ern. Selbst den kleinen Halterieme­n am linken Oberarm, der die Stabilität des Gewehrs beim Liegendsch­ießen erhöht, schmückt nicht etwa die slowakisch­e sondern die russische Fahne. Ihre ehemaligen Teamkolle- ginnen würden sicher auch gern das Erfolgsrez­ept Kuzminas kennen. Die beste Russin am Donnerstag, Jekaterina Jurlowa, wurde 15. Keine andere kam unter die Top 30. Beste Deutsche war übrigens Franziska Hildebrand als Vierte.

Was auch immer die Schwester von Anton Schipulin nun frühstückt, die Konkurrent­innen können ihr nicht folgen. Im Sprint von Oberhof war sie die Schnellste in der Loipe, auch wenn der großen Athletin der tiefe Schnee eigentlich nicht zugute kommt. »Meine Ski waren sehr schnell«, versuchte sich Kuzmina an einer Erklärung. Sie schießt aber auch schneller und sicherer als andere starke Läuferinne­n. Diesmal verfehlte Kuzmina nur ein Ziel und siegte so mit 35 Sekunden vor der Finnin Kaisa Mäkäräinen, die sich in die Schar der Ratlosen einreihte. »Sie war stark in Vancouver, sie war stark in Sotschi. Und jetzt ist sie wieder stark. Keine Ahnung, wie sie das macht. Sie ist eine schnelle Schützin, und wenn sie dann auch noch so gut läuft, ist es schwer, sie zu schlagen. Ich versuche es trotzdem weiter«, so Mäkäräinen.

Bei dem großen Vorsprung scheint Kuzminas nächster Sieg am Sonn- abend in der Verfolgung aber programmie­rt. »Den großen Rückstand kann ich unmöglich nur durch schnelles Laufen aufholen«, prognostiz­ierte Mäkäräinen, die also auf Schießfehl­er der Konkurrent­in hoffen muss. Das ist bei den böigen Windbeding­ungen in Oberhof zwar immer möglich, doch anfälliger für Fehler sind in solchen Fällen eher Mäkäräinen und Co. Es droht also ein eher langweilig­es Rennen an der Spitze. Und der Konkurrenz bleibt nur die Hoffnung darauf, dass Kuzminas Olympiafor­m diesmal doch etwas zu früh kam.

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Foto: imago/VIADATA Mit ihrem Sprintsieg in Oberhof verteidigt­e die Slowakin Anastasiya Kuzmina eindrucksv­oll ihre Führung im Gesamtwelt­cup.

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