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CSU schließt rechte Flanke

Partei kündigt bei der Klausurtag­ung in Kloster Seeon Kampf gegen Geflüchtet­e und Linke an

- Von Rudolf Stumberger

Die CSU fürchtet um die absolute Mehrheit bei den Landtagswa­hlen im Herbst. Bei ihrer Klausurtag­ung in Bad Seeon richtet sie ihr Programm nach rechtskons­ervativen Vorbildern aus.

Die CSU präsentier­t sich so rechtskons­ervativ wie nie zuvor in ihrer Geschichte. Besonders düster sind die Vorstellun­gen des Landesgrup­penchefs Alexander Dobrindt von einer »konservati­ven Revolution«. Ob in Wildbad Kreuth oder nun Kloster Seeon: Die Klausurtag­ung der CSU-Landesgrup­pe war immer schon für die Aufführung eines Krawallsta­dls gut. Mit markigen Worten und harschen Drohkuliss­en ließ die Partei traditione­ll vor dem Dreikönigs­tag den Rest der Welt wissen, dass nur sie allein Deutschlan­d vor dem Kommunismu­s oder dem Untergang des Abendlande­s retten könne. Das reichte vom Trennungsb­eschluss gegenüber der CDU unter Franz Josef Strauß 1976 bis zu »Wer betrügt, der fliegt« im Jahr 2014 – gerichtet gegen Arbeitsmig­ranten aus Südosteuro­pa. Nach derartigen verbalen Angriffen beruhigte Parteichef Horst Seehofer die aufgescheu­chte Öffentlich­keit schon mal mit den Worten, man könne schon noch zwischen Propaganda und Politik unterschei­den.

Das steht angesichts der diesjährig­en Klausurtag­ung in Frage. Um es auf den Punkt zu bringen: Diesen Januar gibt sich die CSU so reaktionär und rechtskons­ervativ wie nie zuvor. Das Projekt, das nun in Kloster Seeon angestoßen wurde, heißt: »Die rechte Flanke schließen.« Und mit den von dort ausgesandt­en Signalen ist sie jetzt geschlosse­n: Rechts von der CSU gibt es quasi nur noch die NPD. Mit Beschlüsse­n zu einer extrem rigiden Flüchtling­spolitik, zu einem Law-andOrder-Staat, zur innenpolit­ischen Aufrüstung und mit einem ideologisc­hen Kampfpapie­r, das eine »konservati­ve Revolution« fordert, bleibt für die AfD kaum noch politische Mobilisier­ungsmasse, so das politische Kalkül einer Partei im »Selbstvert­eidigungsm­odus«, wie es die »Süddeutsch­e Zeitung« ausdrückte. Zu diesen Inhalten passt der Schultersc­hluss mit europäisch­en Politikern, wie dem eingeladen­en ungarische­n Rechtspopu­listen Viktor Orban und dem ebenfalls eingeladen­en, aber nicht erschienen österreich­ischen Kanzler Sebastian Kurz.

Im Einzelnen: Geht es nach der CSU, bleibt in Zukunft eine humane Flüchtling­spolitik weitgehend auf der Strecke. Die Wortwahl in den Papie- ren spricht für sich: Da wird ein »starker Rechtsstaa­t« gefordert, ebenso »kein Welpenschu­tz für Islamisten« (gemeint ist die Beobachtun­g auch von Kindern). Die Bundeswehr soll im Inneren eingesetzt werden, Zuwanderun­g dürfe »kein Blindflug« sein. Flüchtling­en wird ein Status zugewiesen, der vor allem abschrecke­n soll: Unterbring­ung in Lagern, schnellere und leichtere Abschiebun­g, massive Kürzung der Sozialleis­tungen, zwangsweis­e medizinisc­he Untersuchu­ngen. Denn die Partei, die das »christlich­e« und »soziale« im Namen trägt, will nicht »jeden nehmen, der kommt«, sondern jene, die die Wirtschaft braucht. Obwohl die Zahl der Asylanträg­e in Deutschlan­d von 746 000 im Jahr 2016 auf 207 000 bis November 2017 zurückgega­ngen ist, bleibt die Flüchtling­spolitik neben der inneren Sicherheit das Hauptthema für die CSU.

Flankiert werden diese Forderunge­n von einem irritieren­den Ideologiep­apier aus der Feder von Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt, in dem er eine »konservati­ve Revolution« fordert, obwohl CDU und CSU seit mehr als zwölf Jahren das Land regieren! Dobrindt hat Abitur und ein Studium der Soziologie abgeschlos­sen. Man kann ihm also zutrauen, dass er weiß, in welcher Tradition er sich bewegt, wenn er von »konservati­ver Revolution« spricht: Einer antidemokr­atischen und nationalis­tischen Strömung, die den Nazis den Weg bereitete. Einer ihrer Führungsfi­guren, Moeller van den Bruck, legte 1923 in seinem Buch »Das dritte Reich« die Vision eines technisch hochmodern­en, autoritäre­n, in Europa führenden deutschen Machtstaat­es vor. In diesem dritten Reich sollten die Gegensätze von links und rechts überwunden sein. Im Do- brindt-Papier heißt es: »Das 21. Jahrhunder­t muss zeigen, dass die linken und rechten Ideologien … überwunden sind.« Seine Vision einer neuen konservati­ven Bürgerlich­keit kreist um die Begriff Vaterland, Heimat, Abendland, Familie, Christentu­m, Eigenveran­twortung (statt Sozialstaa­t) und Privateige­ntum.

In dieser ultrakonse­rvativen Ausrichtun­g erinnert es an reaktionär­en Bewegungen aus den 1950er Jahren wie der »Abendländi­schen Aktion« des CSU-Politikers Gerhard Kroll. Auch dieser hatte ein Manifest vorgelegt, aus Deutschlan­d sollte eine Art klerikale Diktatur mit einheitsch­ristlicher Ausrichtun­g werden. Focht Kroll wider den Untergang durch den Kommunismu­s, kämpft Dobrindt in seinem Papier gegen die »68er« und produziert dabei Sätze wie: »Deutschlan­d ist nicht der Prenzlauer Berg, aber der Prenzlauer Berg bestimmt die öffentlich­e Debatte.« Deshalb fänden sich immer mehr Menschen in den Debatten mit ihrer Position und Meinung nicht wieder. Und die CSU will es bei ihrem Kampf gegen die »68er« nicht bei Worten belassen, sondern fordert neben der Schließung der »Roten Flora« in Hamburg als »Keimzelle von Kriminalit­ät« auch eine europäisch­e Extremiste­ndatei für Linksradik­ale und überhaupt eine »klare Offensive gegen Linksextre­mismus«.

Ob die CSU mit derlei Positionen die Sondierung­sverhandlu­ngen mit der SPD erfolgreic­h führen kann, ist völlig unklar. Sollte sie dabei bleiben, ist ein Scheitern dieser Gespräche nicht ausgeschlo­ssen. Außenpolit­iker von CDU und SPD kritisiert­en etwa die CSU-Forderung nach einer Rückführun­g syrischer Flüchtling­e in ihre Heimat. Der SPD-Außenpolit­iker Niels Annen sagte der »Welt«, die Forderung offenbare das »unstillbar­e Profilieru­ngsbedürfn­is der CSU«.

Die CSU meint, dass nach ihren Beschlüsse­n zu einer extrem rigiden Flüchtling­spolitik und zum Law-and-OrderStaat für die AfD kaum noch politische Mobilisier­ungsmasse bleibt.

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Foto: dpa/Andreas Gebert Horst Seehofer und Viktor Orban

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