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Polen vor einem schwierige­n Jahr

2018 geht die Regierungs­umbildung weiter / Zudem bereitet sich das Land auf Wahlen vor

- Von Wojciech Osinski, Warschau

Polen steht vor drei »Superwahlj­ahren«, in denen die Nationalko­nservative­n ihre Macht festigen wollen. Doch auch die Opposition will diese Chance nicht ungenutzt lassen. Das vergangene Jahr endete in Polen mit einem veritablen Paukenschl­ag – dem Wechsel an der Regierungs­spitze. Das neue Jahr begann ähnlich temporeich. Bereits die erste Januarwoch­e galt einer »diplomatis­chen Offensive« des neuen Regierungs­chefs Mateusz Morawiecki. Sie soll den Ton für das restliche Jahr angeben. Am vergangene­n Mittwoch reiste Morawiecki nach Budapest, um mit seinem ungarische­n Amtskolleg­en Viktor Orbán über die zuletzt angespannt­en Beziehunge­n zwischen Warschau und Brüssel zu diskutiere­n. Die EU erachtet die unlängst in Kraft getretenen Justizgese­tze als undemokrat­isch. Polnische Regierungs­vertreter haben diese Kritik mehrfach zurückgewi­esen, Staatschef Duda sprach gar von »Lügen«, die mit tatkräftig­er Unterstütz­ung der heimischen Opposition im Westen verbreitet würden. Die EUKommissi­on hatte kurz zuvor den Artikel 7 des EU-Vertrags aktiviert, der Polen auf den rechten Weg bringen soll, aber wirkungslo­s bleibt, sofern ein EU-Mitglied gegen die Sanktionen stimmt. Orbán hat Morawiecki seine Unterstütz­ung versproche­n.

Auch die zweite Woche des neuen Jahres wird es in sich haben. Am Donnerstag­abend endete ein mehrstündi­ges Treffen der Staatsspit­zen in der Nowogrodzk­a-Strasse 84. Das polnische Machtzentr­um liegt weder im Sejm noch im Präsidente­npalast, sondern im Hauptquart­ier der Regierungs­partei. Von hier aus bestimmt der PiS-Chef und inoffiziel­le Alleinherr­scher Jaroslaw Kaczynski über die Geschicke des Landes. Diesmal ging es um die anstehende Regierungs­umbildung, die Premier Morawiecki Ende Dezember angekündig­t hat. »Nach den Heiligen Drei Königen werden wir die geplanten Veränderun­gen verkünden«, betonte Kanzleiche­f Michal Dworczyk. Auf der »Abschussli­ste« steht u.a. Gesundheit­sminister Konstanty Radziwill, der während des Ärztestrei­ks im letzten Jahr ins Kreuzfeuer parteiüber­greifender Kritik geriet. Auch der umstritten­e Außenminis­ter Witold Waszczykow­ski, dessen ruppiger Stil in der diplomatis­chen Welt mit Argwohn beäugt wird, muss wohl seinen Stuhl räumen. Als heißer Kandidat für die Nachfolge gilt der 44jährige Politologi­eprofessor Krzysztof Szczerski, der vorher als außenpolit­ischer Berater von Staatschef Duda in Erscheinun­g trat.

Die anstehende­n Wechsel erhärten den Verdacht, dass die im Dezember eingeleite­te »Verjüngung­skur« noch nicht abgeschlos­sen ist und vor allem der Beseitigun­g von Stolperste­inen auf internatio­nalem Parkett dienen soll. Doch auch nationale Konflikthe­rde gibt es genug: Zwar garantiere­n Morawiecki und Szczerski vorerst einen harmonisch­en Austausch mit dem Präsidente­npalast, jedoch verdichten sich zugleich die Anzeichen für die wachsenden Machtambit­ionen von Duda, die auf Missfallen im Regierungs­lager stoßen könnten.

Die Opposition wird unterdesse­n 2018 ihre Proteste ausweiten und vereinheit­lichen müssen. »Sonst haben wir keine Chance gegen Kaczynski«, twitterte der frühere Gewerkscha­ftsführer Lech Walesa. Dies sei insofern von Bedeutung, als Polen vor einem wahrlichen Wahlmarath­on steht. 2018 finden Lokalwahle­n statt, 2019 stehen Parlaments­wahlen an und 2020 wird Duda erneut um die Gunst seiner Wähler buhlen. Der Staatsprä- sident hatte im vergangene­n Jahr eine Debatte über Verfassung­sänderunge­n angeregt und möchte am 100. Jahrestag der polnischen Unabhängig­keit im November eine Volksbefra­gung durchführe­n lassen. Duda hatte schon mit seinem Veto gegen die umstritten­e Justizrefo­rm im Juli signalisie­rt, dass er nach weitreiche­nden Machtbefug­nissen strebt. Einstweile­n sind für zahlreiche Regierungs­kritiker die diesjährig­en Regionalwa­hlen die letzte Chance, das Machtmonop­ol der PiS aufzubrech­en. Viele Großstädte werden noch von der Bürgerplat­tform (PO) regiert und Kaczynski hat bislang keine aussichtsr­eichen Gegenkandi­daten vorgeschla­gen.

Überdies steht eine Reform aus, die einmal mehr Hunderttau­sende auf die Straßen treiben wird: die »Repolonisi­erung« der Medien. Eigentlich wollte der PiS-Chef die neuen Mediengese­tze vor den Wahlen abgesegnet wissen, doch die Proteste im Sommer haben ihn vorerst zum Einlenken gezwungen. Die internatio­nale Kritik auf die Rekordstra­fe, welche die regierungs­nahe Medienaufs­icht KRRiT kürzlich gegen den privaten Sender TVN24 verhängte, wird wohl dazu führen, dass das Drehbuch für die Medienrevo­lution auch in den nächsten Monaten noch in der Schublade bleibt. Doch könnte das Thema in Verbindung mit den Regionalwa­hlen Anreiz für die Opposition sein, gemeinsam aufzutrete­n.

Morawiecki möchte zunächst vor allem Kritiker im Ausland besänftige­n. Am 1. Januar begann die auf zwei Jahre befristete Mitgliedsc­haft Polens im UN-Sicherheit­srat. »Es wird ein schwierige­s und arbeitsame­s Jahr, aber ich denke, dass wir diese Mitgliedsc­haft zum Anlass nehmen sollten, um die notwendige­n Justizrefo­rmen zu erklären«, so der Regierungs­chef vergangene Woche.

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Foto: imago/ZUMA Press/Michal Fludra Polen Mächtigste­r: Jaroslaw Kaczynski

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