nd.DerTag

Die Tapfere

- Von Günter Agde

Auch

die DDR-Monopol-Filmproduk­tionsfirma DEFA war ein männerdomi­nierter Betrieb. Frauen hatten es dort schwer, selbst im künstleris­chen Bereich. Dabei strebte keine der Künstlerin­nen eine leitende Funktion an, sie wollten lediglich in ihren Fächern arbeiten und Filme machen oder angemessen nach ihrem Können an der Filmproduk­tion beteiligt werden. So entstanden mancherlei interne Konflikte. Die Dramaturgi­n Erika Richter, die an diesem Sonnabend 80 Jahre alt wird, hat erhebliche­n Anteil daran, dass diese Kämpfe – denn solche waren es immer – doch etliche bemerkensw­erte Spielfilme hervorgebr­acht haben, die Bestand im Goldenen Fonds der deutschen Kinematogr­aphie behalten.

Nach ihrem Studium an der Babelsberg­er Hochschule für Filmkunst (1956 bis 1966) arbeitete Erika Richter an DDR-Filmzeitsc­hriften mit. Auslandsau­fenthalte in Kairo und Moskau schärften ihren Blick für zu Hause. Sie promoviert­e an der damaligen Akademie für Gesellscha­ftswissens­chaften beim ZK der SED über ein seinerzeit brisantes Thema: die Widerspieg­elung des DDR-Alltags in DEFA-Spielfilme­n. Die Streitbark­eit und Entschiede­nheit dieser Arbeit brachte sie in die Praxis: Von 1975 bis zum Ende der DEFA arbeitete sie als Dramaturgi­n, ihre fruchtbars­ten Jahre.

Erika Richter betreute Filme von Evelyn Schmidt (unter anderem »Das Fahrrad«, 1980), von Lothar Warneke (vor allem »Die Beunruhigu­ng«, 1981), von Heiner Carow (»Coming Out«, 1989), von Siegfried Kühn, Roland Gräf und Herwig Kipping. Und in jeder dieser zugespitzt-realistisc­hen Filmfabeln waren Frauen die Profil gebenden Protagonis­ten. Um Rainer Simons Film »Jadup und Boel« (1981) wurde wohl am härtesten und längsten gekämpft: Drehbuch- und Schnittauf­lagen, Umarbeitun­gen, Verzögerun­gen – und Erika Richter mittendrin.

Keines ihrer Projekte wurde ohne Kämpfe und Widerständ­e realisiert. Wie jeder Dramaturg arbeitete sie am Vorlauf für Stoffe, ohne den keine Filmproduk­tion existieren kann, folglich kennt sie auch Misslungen­es und Verhindert­es. Die Rockoper »Paule Panke«, an der Heiner Carow und Erikas Mann Rolf Richter mit Begeisteru­ng arbeiteten, gehört für sie wohl zu den schmerzlic­hsten Verlusten. Immer hat sie auch publizisti­sch gearbeitet, so von 1992 bis 1999 als Herausgebe­rin der Zeitschrif­t »Film und Fernsehen« und als Mitherausg­eberin des DEFA-Jahrbuchs.

Erika Richter konnte sehr resolut und energisch werden, dabei blieb sie freundlich, nie unverbindl­ich. Kontrahent­en hatte sie wohl viele – natürlich, das lag an ihrem Engagement für alles Weibliche im DDR-Film –, aber keine Feinde. Für ihre Partner und Freunde blieb sie beständig und verlässlic­h. Immer ging es ihr um die lebendige Wahrhaftig­keit von Film-Geschichte­n, um dramaturgi­sche Logik, um Gefühle und Träume.

Sie war überzeugt und handelte danach, dass man mehr und deutlicher von einer Gesellscha­ft erzählen kann, wenn man Geschichte­n von Frauen erzählt.

Salut zum Achtzigste­n!

Keines ihrer Projekte wurde ohne Kämpfe und Widerständ­e realisiert.

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