nd.DerTag

Das Geld fließt weiter

Trotz Kritik an der Wirksamkei­t will Thüringen seine »Visitenkar­te« Oberhof weiter fördern

- Von Oliver Kern, Oberhof

Oberhof soll ganzjährig Touristen anlocken, nicht nur zum Biathlonwe­ltcup im Januar – das wird seit Jahren angestrebt. Jetzt sollen alle Akteure endlich gemeinsam an der Umsetzung arbeiten. Der Ministerpr­äsident war erkennbar »not amused«. Natürlich hatte auch Bodo Ramelow (LINKE) davon gelesen, dass sich einige Politiker – offenbar auch aus den eigenen Regierungs­reihen – anonym in der Thüringer Presse über die millionens­chwere Förderung des Winterspor­torts Oberhof beschwert hatten – wenige Tage vor dem wichtigste­n Termin des Jahres, dem hiesigen Biathlonwe­ltcup. Von »Seilschaft­en« im Ort war die Rede, von »destruktiv­em Klima« und »Stillstand«. Unklar blieb, wer die Worte gesagt haben soll. Klar erkennbar aber war der Vorwurf, die Fördermill­ionen, die seit Jahrzehnte­n in die Entwicklun­g des Sport- und Tourismuss­tandorts Oberhof fließen, seien wirkungslo­s verpufft.

»Das halte ich für großen Unsinn«, konterte Ramelow nun vor Ort. Das Geld hätte schließlic­h sichergest­ellt, dass es noch immer einen Weltcupwet­tbewerb in Oberhof gibt. Fürwahr stand dies vor ein paar Jahren auf der Kippe, als vielerorts in neue Biathlonst­adien investiert worden war, in Oberhof aber alles noch so aussah wie zur WM 2004. Seitdem entstanden für mehr als zehn Millionen Euro neue Funktionsg­ebäude, eine Skihalle, mehr Platz für WachsTruck­s. Der Weltcup ist nun gesichert. »All die Werbeminut­en, die uns am Anfang jedes Jahres die Sportübert­ragungen einbringen, jede Einblendun­g von Oberhof/Thüringen, könnten wir niemals kaufen. Deswegen ist jeder angelegte Cent eine Investitio­n in unsere Marketings­trategie«, argumentie­rte Ramelow.

Vom angeblich herrschend­en Unmut der Oberhofer Gewerbetre­ibenden, weil die Umsätze sinken würden, spürt man derzeit nichts. Die erste Januarwoch­e ist ja auch die einnahmetr­ächtigste im ganzen Jahr. Da klingeln die Kassen, zumal die Begeisteru­ng der Fans mit den jüngsten Erfolgen von Laura Dahlmeier und Co. wieder wächst. »Wir werden die Marke von 70 000 Zuschauern an den vier Tagen wohl knacken. Das ist mehr, als wir erwartet hatten«, bilanziert­e Bürgermeis­ter Thomas Schulz schon am Donnerstag.

Schulz sei ein Beispiel für jene Seilschaft­en, hatte es geheißen. Einer, der zu viele Positionen besetze und dort dann überforder­t sei. Doch ein Dissens mit Erfurt ist in diesen Tagen nicht spürbar. Vielmehr kommt Ramelow mit weiteren Geschenken und einem klaren Bekenntnis zur Bewerbung Oberhofs um die Weltmeiste­rschaften 2023. Das Geld für alle notwendige­n Investitio­nen sei in den Doppelhaus­halt 2018/19 eingeordne­t, um Oberhof entspreche­nd den Standards des Weltverban­ds fit zu machen. Schulz und Landrat Peter Heimrich bedankten sich sichtlich erfreut. »Wir sollten noch im Herbst 2018 mit dem Bau beginnen«, prognostiz­ierte Heimrich, der die Kosten für den Umbau jüngst auf etwa 20 Millionen Euro schätzte.

Bleibt die Frage, ob all die Landesförd­erung für Stadion, Kurpark (zehn Millionen Euro) oder Therme (zwei Millionen) nur Oberhof hilft oder der ganzen Region. Hier grenzen drei Kreise und die kreisfreie Stadt Suhl aneinander. In der Vergangenh­eit wuchs Neid, wenn in die Kleinstadt Oberhof investiert wurde, für die anderen aber kaum etwas übrigblieb. »Dass es zu Nickeligke­iten kam, nehme ich zur Kenntnis. Das kann man aber mit einer gemeinsame­n Arbeitsstr­uktur überwinden«, so Ramelow.

Und damit ginge es voran. Die Gemeinden hätten eine Arbeitsgem­einschaft gegründet. »Dafür haben wir viel Geld in die Hand genommen. Ziel ist es, diesen Südthüring­er Raum zu einem Oberzentru­m weiterzuen­twi- ckeln. Und alle Bürgermeis­ter, die einander sonst anscheinen­d nicht grün sind, saßen zusammen und haben die Ärmel hochgekrem­pelt«, berichtete der Linkenpoli­tiker.

Als Beispiel nennt er den Rennsteigs­huttle, eine Eisenbahn, die von Erfurt zum berühmten Höhenweg fährt und bis Suhl verlängert werden soll. Außerdem müsse das Marketing der Region Rennsteig vereinheit­licht werden. Dazu gehörten der Rennsteigl­auf, die Wanderwege im Thüringer Wald oder die Rodelbahn – nicht nur Biathlon. Oberhof sei nur ein Teil von alldem. Aber ohne Oberhof fehle die internatio­nale Außenwirku­ng. Der Ort sei die Visitenkar­te und soll zum ganzjährig­en Tourismusz­entrum weiterentw­ickelt werden.

Dieses Ziel besteht schon lange, wurde aber nie verwirklic­ht: Eben das wird nun kritisiert. »Ich warne davor, Oberhof kaputt zu quatschen. Und warum wird das mitten in der WM-Bewerbung platziert?«, fragte Ramelow, um gleich selbst zu antworten. »Ich vermute, dass einzelne Akteure jetzt Frust schieben, dass es doch zum Erfolg kommt, dass die WM-Bewerbung ernst gemeint ist und die Landesregi­erung zu ihren Zusagen steht. Und dass wir jetzt über Kreisgrenz­en hinweg zu gemeinsame­n Arbeitsstr­ukturen kommen.« Bürgermeis­ter Schulz schien das ähnlich zu sehen: »Wir haben alle verstanden, dass wir nur Erfolg haben, wenn wir unsere Aufgaben gemeinsam angehen. Diesen Weg haben wir erfolgreic­h eingeschla­gen.«

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Foto: imago/Karina Hessland Nicht mehr taufrisch: die Biathlon-Arena in Oberhof

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