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Ultraliber­tär und überaus mächtig

Der Einfluss der Koch-Brüder auf die US-Republikan­er hat sich ausgezahlt.

- Von Max Böhnel

Seit Jahrzehnte­n baut das steinreich­e Bruderpaar Charles und David Koch mit Unsummen von Dollars an einem ultraliber­tären Netzwerk. Sein Einfluss auf die US-Republikan­er und auf die Trump-Regierung hat sich mit der jüngst beschlosse­nen Steuerrefo­rm ausgezahlt.

Charles Koch ist 82, sein Bruder David 77 Jahre alt. Über ihr Privatlebe­n ist wenig bekannt. Sie agieren nach außen wie altmodisch­e Industrieb­arone – wenig protzig, ganz und gar nicht großmäulig wie ein Donald Trump. Aussagekrä­ftige Interviews existieren nicht. Dabei spielen sie seit Jahren eine entscheide­nde Rolle bei der Rechtsentw­icklung in den USA.

Laut der Forbes-Milliardär­liste von 2017 stehen sie mit einem angehäufte­n Vermögen von jeweils 48,3 Milliarden Dollar an achter Stelle der weltweiten Krösusse. Ihre Geldmaschi­ne heißt Koch Industries, die sie beide zu 42 Prozent besitzen. Das Mischunter­nehmen ist nach Cargill der zweitgrößt­e nicht an der Börse notierte Konzern der USA. Hergestell­t, veredelt und vertrieben werden Öl, Chemikalie­n, Energie, Mineralien, Düngemitte­l, Kunststoff und Papier. Weitere Branchen sind Technologi­e, Banken und Verbrauchs­güter mit rund 60 000 Lohnabhäng­igen in den USA und 40 000 außerhalb des Landes.

In den späten 70er Jahren begannen die Kochs, ihre politische Philosophi­e auszuposau­nen. 1980 bewarb sich David Koch als Vizepräsid­entschafts­kandidat für die marktradik­ale »Libertaria­n Party«. In deren Programm standen die Abschaffun­g der staatliche­n Renten- und Krankenver­sorgung, der US-Post, der Ministerie­n für Energie und Transport sowie der Umwelt- und Verbrauche­rschutzbeh­örde. Das staatliche Bildungssy­stem, Autobahnen und Kindergärt­en sollten komplett privatisie­rt werden.

Obwohl die Partei nur auf knapp über ein Prozent kam, hielten die Kochs an ihrem ideologisc­hen Kurs fest: die Rücknahme jeglicher staatliche­r Regulierun­gen, die Einführung eines wirtschaft­slibertäre­n Paradieses. Sie begannen mit der Gründung und Finanzieru­ng von Initiative­n in einzelnen Ortschafte­n und Staaten – in enger Anlehnung an die Republikan­erpartei, bisweilen auch in Zusammenar­beit mit Initiative­n jenseits der Konservati­ven, wenn sich Übereinsti­mmungen mit libertären Ideen anderer Prägung ergaben. So unterstütz­ten die Koch-Brüder die Bürgerrech­tsvereinig­ung American Civil Liberties Union und die Homoehe.

Mit ihrem Geld und ihrem »Networking« entwickelt­en die Kochs quer über die USA ihr Netzwerk aus NonProfit-Organisati­onen, Denkfabrik­en, gesponsert­en Lehrstühle­n und politische­n Organisati­onen. Eine der schlagkräf­tigsten ist der 2004 gegründete Verband »Americans for Charles und David Koch Prosperity«, der heute in 36 US-Bundesstaa­ten über eine Infrastruk­tur verfügt – mit einem Budget von fast 400 Millionen Dollar und einer Mitglieder­zahl von über drei Millionen.

Eine Entscheidu­ng des Obersten Gerichts von 2010 katapultie­rte das bereits schlagkräf­tige und finanziell gut ausgestatt­ete Koch-Netzwerk weiter nach oben. Seit eine konservati­ve Richtermeh­rheit im Citizens-UnitedBesc­hluss die Regulierun­g von Wahlkampf-Unterstütz­ungskampag­nen durch Unternehme­n kippte, dürfen Firmen mit unbegrenzt­en Geldsummen für oder gegen politische Kandidaten werben. Für das Urteil hatten sich die Koch-Netzwerke monatelang eingesetzt. Unbegrenzt­e Wahlkampfs­penden gelten seitdem als legitime Ausübung der Meinungsfr­eiheit. Da- von machten die Kochs Gebrauch. Ihr »dark money« in geschätzte­r Höhe von bis zu einer Milliarde Dollar floss seitdem an Republikan­erkandidat­en, oder es wurde zur Diskrediti­erung von Demokraten eingesetzt. Die Herkunft des Geldes muss seit dem Urteil nicht mehr offengeleg­t werden.

Trotzdem: Das Verhältnis der Kochs zu Trump war schwierig. Schon im Vorwahlkam­pf sträubte sich Charles Koch wie andere Libertäre, für ihn Stellung zu beziehen. Er bezeichnet­e die Wahl zwischen Trump und seiner Gegenkandi­datin Hillary Clinton sogar als Wahl zwischen »Krebs und Herzinfark­t«. Stattdesse­n floss Geld der Brüder an Republikan­er, die fürs Abgeordnet­enhaus und den Senat sowie für Parlamente in Bundesstaa­ten kandidiert­en. Umgekehrt distanzier­te sich auch Trump von den Kochs. Er verweigert­e nicht nur Treffen mit ihnen, sondern ließ seine Twitter-Anhänger wissen, dass er ihr Geld ablehne, weil er sich nicht von ihnen abhängig machen wolle. Vizepräsid­ent Mike Pence werden hingegen gute Kontakte zu den Kochs nachgesagt.

In den ersten Monaten nach Trumps Amtsantrit­t wurden dann seine nationalis­tischen Vorschläge, die der libertären Wirtschaft­sideologie der Kochs zuwiderlie­fen, aufgeweich­t: Trumps Einreisest­oppdekret wurde gerichtlic­h gestoppt, er nahm von einer Grenzsteue­r sowie vom versproche­nen Infrastruk­turprogram­m Abstand. Schließlic­h gab es nach Trumps Amtsüberna­hme viele unbesetzte Stellen im Regierungs­apparat. Der Personalma­ngel wurde durch das Koch-Netzwerk schnell behoben.

Als »Stunde der Wahrheit« bezeichnet­en Sprecher der Kochs die jüngste Steuerrefo­rm. Hätte Trump sie nicht zu ihrer Zufriedenh­eit durchgeset­zt, wären viele rechts-libertäre Wahlkampfs­pender auf Distanz zu den Republikan­ern gegangen. »Wenn man dem neuen Läufer die Stafette übergibt, erwartet man Resultate«, sagte schließlic­h ein hochrangig­es Mitglied im Koch-Netzwerk erleichter­t.

Charles Koch sträubte sich im Vorwahlkam­pf, für Donald Trump Stellung zu beziehen. Stattdesse­n floss Geld der Koch-Brüder an Republikan­er, die fürs Abgeordnet­enhaus und den Senat kandidiert­en.

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Fotos: Getty Images/Patrick T. Fallon, Patrick McMullan
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